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# taz.de -- Kommentar Proteste in Hongkong: Da muss mehr kommen
> Eine Million Menschen demonstrierten in Hongkong gegen ein neues
> Auslieferungsgesetz. Doch Peking ist schon mit anderen Verstößen
> durchgekommen.
Bild: Die Enklave Hongkong ist in Gefahr
In Hongkong haben nach Veranstalterangaben am Sonntag mehr als eine Million
Menschen gegen [1][das geplante Auslieferungsgesetz] demonstriert. Das
Gesetz würde ermöglichen, echte oder erklärte Straftäter von Hongkong aus,
wo es noch eine weitgehend unabhängige Justiz gibt, an die Volksrepublik
China auszuliefern. Dort untersteht die Justiz bekanntlich der autoritär
regierenden Kommunistischen Partei, die rechtsstaatliche Prinzipien nicht
anerkennt und mittels Justiz ihre Macht sichert.
Die DemonstrantInnen [2][fürchten zu Recht], dass mit dem Gesetz Hongkongs
Autonomieprinzip „ein Land, zwei Systeme“ ausgehebelt würde – 22 Jahre
nachdem die frühere Kronkolonie an China zurückgegeben wurde. Neben dem
Versprechen der Selbstverwaltung für 50 Jahre sollte die Metropole ihr
eigenes System für diese Zeit behalten dürfen. Wenn aber die Möglichkeit
besteht, dass künftig Peking das letzte Wort hat, wird die Autonomie zur
Farce.
Schon 2003 hatte sich eine ähnlich große Zahl von DemonstrantInnen in
Hongkong gegen ein von Peking gefordertes Anti-Aufruhr-Gesetz gewendet.
Hongkongs damaliger Regierungschef trat zurück, das Gesetz wurde
fallengelassen. Beides wäre auch jetzt angemessen. Doch die Zeiten haben
sich geändert – zuungunsten Hongkongs.
Damals, nur sechs Jahre nach der Rückgabe der Stadt an China, ging es noch
vor allem um die Glaubwürdigkeit von Pekings Versprechen. Als
offensichtlich wurde, dass Pekings Emissäre und Handlanger Stimmung und
Widerstand in der Stadt völlig falsch eingeschätzt hatten, war der Rückzug
der einzige gesichtswahrende Ausweg für Peking. Schließlich ging es Peking
beim Versprechen von „ein Land, zwei Systeme“ auch darum, Taiwan von Chinas
friedlichen Absichten zu überzeugen.
## Nachgeben Pekings wäre ein herber Gesichtsverlust
Heute ist es eher andersherum: China ist inzwischen viel mächtiger,
Hongkong dagegen für Peking auch als Symbol unwichtiger und Taiwan denkt
nicht an eine Rückkehr zu China. Darüber hinaus liegt China heftig mit den
USA im Clinch. Ein Nachgeben Pekings wäre ein herber Gesichtsverlust, der
Chinas Standing als neue Weltmacht untergraben würde. China hätte den
globalen Lackmustest nicht bestanden. Leider ist Peking inzwischen auch mit
anderen Verstößen gegen die Autonomie, Bürgerrechte und Pressefreiheit in
Hongkong durchgekommen. Erinnert sei hier nur an die Verschleppung
kritischer Hongkonger Buchhändler. Auch die Briten, mit denen Hongkongs
Autonomie vertraglich vereinbart war, interessieren sich nicht mehr für
ihre ehemalige Kolonie, sondern sind im eigenen Brexit-Chaos versunken.
Es ist deshalb zu befürchten, dass Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam
und ihre Herren in Peking weiter unnachgiebig bleiben. Um daran etwas zu
ändern, brauchen die Menschen in Hongkong nicht nur internationale
Unterstützung, sondern müssen sich auch noch mehr einfallen lassen, um ihre
Autonomie zu verteidigen.
10 Jun 2019
## LINKS
[1] /Hongkongs-Autonomie-auf-dem-Pruefstand/!5591357
[2] /30-Jahrestag-des-Tiananmen-Massakers/!5600908
## AUTOREN
Sven Hansen
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