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# taz.de -- Auslieferungsgesetz in Hongkong: Abstimmung verschoben
> Demonstrant*innen blockieren den Legislativrat und erzwingen eine
> Verschiebung. Trotzdem will Regierungschefin Lam das Gesetz durchboxen.
Bild: Demonstrant*innen blockieren den Hongkonger Legislativrat
Hongkong dpa/afp | Angesichts von [1][Massenprotesten in Hongkong] ist die
zweite parlamentarische Lesung des [2][umstrittenen Auslieferungsgesetzes]
verschoben worden. Die für Mittwochvormittag angesetzte Sitzung des
Parlaments der chinesischen Sonderverwaltungszone wurde bis auf Weiteres
verschoben, wie Vertreter des sogenannten Legislativrats mitteilten.
Zehntausende Menschen blockierten aus Protest gegen das Gesetz, das
Auslieferungen auch an das chinesische Festland ermöglichen würde, wichtige
Verkehrsadern und das Regierungsviertel in Hongkong.
Demonstrant*innen, viele von ihnen in Schwarz gekleidet und mit Masken oder
Helmen, trugen Absperrgitter auf die Straßen und banden sie zusammen. Vor
dem Parlamentsgebäude setzte die Polizei Wasserwerfer und Tränengas gegen
die Protestierenden ein. Auf Schildern warnten die Sicherheitskräfte, sie
seien bereit, Gewalt anzuwenden.
Rund 1.000 Geschäfte kündigten an, aus Protest geschlossen zu bleiben. Die
Hongkonger Vereinigung der Gewerkschaften ermutigte ihre Mitglieder zu
Streiks. So planten die Gewerkschaften der Sozialarbeiter und Lehrer
jeweils Arbeitsniederlegungen. Schon am Sonntag hatten nach
unterschiedlichen Schätzungen zwischen Hunderttausenden bis zu einer
Million Hongkonger gegen das Gesetz protestiert. Danach war es in der Nacht
zu Ausschreitungen gekommen.
Ungeachtet des massiven Widerstandes unter den sieben Millionen Bewohnern
der chinesischen Sonderverwaltungsregion will die umstrittene
Regierungschefin Carrie Lam das Gesetz schnell von der Peking-treuen
Mehrheit im nicht frei gewählten Legislativrat absegnen lassen. Die
Abstimmung soll am Donnerstag nächster Woche erfolgen.
Das kontroverse Gesetz würde Hongkongs Behörden erlauben, auf Ersuchen
chinesischer Stellen verdächtige Personen an die kommunistische
Volksrepublik auszuliefern. Kritiker argumentieren aber, dass Chinas
Justizsystem nicht unabhängig sei, nicht internationalen Standards
entspreche und Andersdenkende politisch verfolge. Auch drohten Folter und
Misshandlungen. Es wurde als „Werkzeug der Einschüchterung“ in Hongkong
beschrieben.
## Zügel werden angezogen
Die frühere britische Kronkolonie wird seit der Rückgabe 1997 an China nach
dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ als eigenes Territorium autonom
regiert. Die Hongkonger genießen größere Freiheiten als die Menschen in der
Volksrepublik, darunter das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie Presse-
und Versammlungsfreiheit. Seit den prodemokratischen Protesten 2014, die
Teile der Stadt wochenlang lahmlegten, zieht Peking aber die Zügel
straffer.
Die Demonstration am Sonntag war nach Angaben von Beobachtern die größte
seit dem Protest vor drei Jahrzehnten gegen die blutige Niederschlagung der
Demokratiebewegung in Peking am 4. Juni 1989. Die Szenen bei den
Ausschreitungen in der Nacht zum Montag und die Straßenblockaden am
Mittwoch erinnerten an die „Regenschirm“-Bewegung für mehr Demokratie vor
fünf Jahren. Sie erhielt ihren Namen von den Regenschirmen gegen die Sonne
und das Pfefferspray der Polizisten.
„2014 haben wir gesagt, es sei die letzte Runde, aber traurigerweise hat
die Regierung nicht auf uns gehört. Aber wir wissen, dass es jetzt wirklich
die letzte Chance für uns ist“, sagte ein Student namens Adrian, der sich
nicht traute, seinen Nachnamen zu sagen. „Wenn du siehst, dass sich diesmal
eine Million Menschen erheben, dann weißt du, dass Hongkong wirklich in
Gefahr ist.“ Alle protestierten, weil sie wüssten, dass es kein Zurück
gebe. Viele Demonstranten bedeckten ihr Gesicht mit einem medizinischen
Mundschutz und trugen schwarze Kleidung.
Regierungschefin Lam argumentiert, das Gesetz sei notwendig, um
„Schlupflöcher“ zu schließen. Es würde Überstellungen mutmaßlicher
Straftäter an China und andere Länder ermöglichen, mit denen Hongkong
bisher kein Auslieferungsabkommen hat. Es wurde auf einen Fall verwiesen,
bei dem ein Mann seine schwangere Freundin in Taiwan umgebracht hatte, aber
nicht von Hongkong ausgeliefert werden konnte.
Das demokratische Taiwan hat allerdings bereits angekündigt, keine
Auslieferungen beantragen zu wollen, weil es das Gesetz ebenfalls für
bedenklich hält. Der Widerstand in Hongkong richtet sich vor allem gegen
die Möglichkeit, verdächtige Personen an China ausliefern zu können. Bei
der Rückgabe 1997 war China wegen seiner schlechten Menschenrechtslage und
der mangelnden Unabhängigkeit seiner Justiz bewusst von Auslieferungen
ausgeklammert worden.
12 Jun 2019
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