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# taz.de -- Angriffe auf Andersdenkende in Berlin: „Was machst du hier? Du Zi…
> Die maoistische Gruppe „Jugendwiderstand“ attackiert Linke, die nicht in
> ihr antizionistisches Weltbild passen. Jetzt gibt es Widerstand aus der
> Szene.
Bild: AAuftaktkundgebung der 1. Mai-Demo des Jugendwiderstands am Neuköllner K…
Berlin taz | Der Aufmarsch wirkt martialisch, fast militärisch. Mit roten
Fahnen rechts und links hält der Block seine Formation. Fast alle
Teilnehmer tragen schwarze Basecaps. Die Gruppe „Jugendwiderstand“ hat zum
„Roten 1. Mai“ nach Neukölln gerufen, gekommen sind vor allem junge Männe…
Durch die Karl-Marx-Straße schallt ihr Chor: „Nur der Griff der Massen zum
Gewehr schafft den Sozialismus her.“
Am Abend machen mutmaßliche Mitglieder des Jugendwiderstands (JW) erneut
auf sich aufmerksam, als sie einen Block der Revolutionären 1. Mai-Demo
attackieren. Ein Video zeigt, wie die Männer in die Demonstranten stürmen,
um sich schlagen und treten. Auslöser soll ein Transparent gewesen sein,
das sich „gegen Antisemitismus und Rassismus“ sowie die
Anti-Israel-Kampagne BDS („Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“)
richtete.
Der sich als maoistisch verstehende Jugendwiderstand bekennt sich auf
seiner Website zu dem Angriff. Es habe Aufforderungen gegeben, das Banner
einfach ohne Ärger wegzupacken, heißt es dort. „Dem wurde nicht Folge
geleistet.“ Das Banner sei ein „Angriff auf die internationale Solidarität
und die palästinensischen Genossen“. Die Attackierten schreiben in einer
Stellungnahme von zwei Verletzten und nennen zwei vermeintliche Angreifer
namentlich.
Schon länger häufen sich Hinweise, dass der 2015 gegründete
Jugendwiderstand systematisch politische Gegner innerhalb der Linken
attackiert. In der Silvesternacht 2016 gab es einen Angriff auf Mitglieder
der trotzkistischen Gruppe Rio. Besonders im Fokus stehen aber sogenannte
Antideutsche, die mit ihrer Israel-Solidarität auf der falschen Seite der
„Barrikade im Klassenkampf“ stünden und mit ihrem hedonistischen Lifestyle
den Idealen „proletarischer Jugendlicher“ nicht gerecht würden.
## Initiative sammelt Aussagen
Die neu gegründete „Berliner Initiative gegen politische Gewalt“, ein
Bündnis aus Einzelpersonen, hat das Agieren des Jugendwiderstands nun
erstmals umfangreich dokumentiert und sieben Aussagen von Angegriffenen
seit 2016 zusammengetragen, die der taz vorliegen. Sie verfestigen das Bild
einer Gruppe, die rücksichtslos ihre antizionistische und
antiimperialistische Weltsicht durchzusetzen versucht.
Geografischer Schwerpunkt der geschätzt 20- bis 30-köpfigen Kerngruppe mit
dreistelligem Mobilisierungspotential ist Neukölln – ein Bezirk, der auch
ein massives Problem mit rechtem Terror hat. Besonders im Richardkiez sind
die roten Graffiti mit dem Schriftzug „JW“ und den Hammer- und
Sichel-Symbolen allgegenwärtig. Die Gruppe proklamiert offensiv die
Vorherrschaft im Kiez.
„In Neukölln regiert ab jetzt wohl der Jugendwiderstand“, heißt es auch in
dem Protokoll eines Attackierten. Anonym berichtet er darin, wie er im
Februar von JW-Mitgliedern auf offener Straße bedroht wurde – wegen seines
Jutebeutels mit proisraelischer Aufschrift. Einer der Aggressoren habe
gesagt, dass er „so eine Scheiße hier nicht sehen will“ und „das die let…
Ansage“ sei.
Die Drohung der jungen Männer, „die im Rudel auftreten und einem körperlich
überlegen sind“, wie der Protokollierte angibt, zeigte Wirkung: „Ich laufe
nicht mehr mit dem Stoffbeutel oder anderen Sachen herum, auf denen ein
positiver Bezug zu Israel oder dem Judentum zu erkennen ist“, so der
Attackierte. Andere Interviewte berichten von ähnlichen Ansagen am Rande
von Demonstrationen oder beim Kleben von Wahlplakaten. Einer wurde gezielt
mit Namen angesprochen: „Was machst du hier? Du Zionist. Ich brech’ dir die
Nase.“
## Hass auf „Zionisten“
Die Initiative beklagt einen „massiven Anstieg von Angriffen und
Einschüchterungsversuchen“ und ein „Ohnmachtsgefühl vieler potentiell und
tatsächlich Betroffener“. Gestützt werden die Vorwürfe von der Recherche-
und Informationsstelle Antisemitismus, die schon mehrfach auf den
Jugendwiderstand aufmerksam gemacht hat. Dokumentiert ist ein Schriftzug an
einer Neuköllner Hauswand: „9mm für Zionisten“ sowie der Demonstrationsruf
„Tod dem Zionismus und Imperialismus! Ruhm und Ehre – von der Intifada bis
zum Volkskrieg!“
Die Initiative gegen politische Gewalt möchte erreichen, dass sich die
linke Szene Berlins „endlich klar und deutlich“ vom Jugendwiderstand
distanziert und jegliche Kooperation beendet. Vom Senat wird die
„Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten“ gefordert.
Die Polizei widmete dem Jugendwiderstand in der „Lagedarstellung politisch
motivierter Kriminalität in Berlin 2016“ ein eigenes Kapitel. Dort heißt
es, die Gruppe trete „insbesondere durch die fortgesetzte Begehung von
Straftaten in Erscheinung“, dabei handele es sich vor allem um
Sachbeschädigungen. Von elf Straftaten im Jahr 2016 wurde eine als
antisemitisch klassifiziert. Die Gruppe sei „innerhalb der linken Szene
Berlins auffallend isoliert“. Kontakte gebe es vor allem zu Mitgliedern von
türkischen und kurdischen linksradikalen Gruppierungen wie TKP/ML, DHKP-C
und PKK.
Auf eine aktuelle Anfrage teilt die Polizei mit, der Gruppe werden nunmehr
„vereinzelt auch Gewaltdelikte zugerechnet“. Zudem seien mehrere Straftaten
bekannt, bei denen ein „ antisemitischer Tathintergrund wahrscheinlich ist,
weshalb unter anderem wegen Volksverhetzung und Nötigung ermittelt wird“.
Ermittlungsverfahren werden bei der Staatsanwaltschaft und dem
polizeilichen Staatsschutz geführt.
Laut Verfassungsschutz ist der Jugendwiderstand „aus dem Umfeld der
Revolutionären Aktionszellen (RAZ) hervorgegangen“, „streng dogmatisch“ …
„kaderartig organisiert“. Gegen die RAZ liefen 2013 wegen mehrere
Sprengstoffanschläge Ermittlungen wegen Bildung einer kriminellen
Vereinigung.
## Distanzierung statt Verbote
June Tomiak, Innenpolitikexpertin der Grünen aus dem Abgeordnetenhaus, sagt
auf Anfrage der taz: „Es ist nicht hinnehmbar, dass sich eine verirrte
Splittergruppe extremistischer Antisemit*innen in bestimmten Bezirken
aufführt, als wären sie die lokale Mafia.“ Eine Umgang mit dem
Jugendwiderstand sei nicht im Dialog möglich, sondern durch repressives
Handeln der Sicherheitsbehörden, etwa mit „Auflagen bei Demonstrationen,
zielgerichtete Strafverfolgung von Vergehen und Übergriffen und
Präventionsarbeit.“
Linken-Innenpolitiker Niklas Schrader schließt sich inhaltlich an. Er
spricht von einer „ziemlich irren, mitunter gewalttätigen Truppe“ und
verweist auf polizeiliche Maßnahmen. „Ich denke, die Sicherheitsbehörden
werden mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln damit fertig.“
Weitergehenden Forderungen erteilt Schrader eine Absage: „Von Verboten
halte ich wenig, weil diese das Problem nicht lösen.“
17 May 2018
## AUTOREN
Erik Peter
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Jugendwiderstand
Antisemitismus
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