# taz.de -- Linke Kneipe feiert Geburtstag: Diskursives Trinken | |
> Das Laidak in Neukölln hat sich nicht nur Freunde gemacht. Am Sonntag | |
> feiert die Schankwirtschaft ihr Siebenjähriges. | |
Bild: Bücher gibt es hier genug, falls es mal an Gesprächsstoff fehlen sollte… | |
Auf den ersten Blick ist das Laidak in der Boddinstraße in Neukölln eine | |
Kneipe wie so viele andere im Kiez auch. Abgeranztes Mobiliar, viele | |
Bücher an den Wänden, um eine gewisse Wohnzimmeratmosphäre zu erzeugen, und | |
auch um 2 Uhr nachts bekommt man hier noch problemlos ein kaltes Bier. Kein | |
Chichi, dafür Alkohol in allen Varianten und sogar Berliner Weiße mit | |
Schuss zu akzeptablen Preisen, das ist hier das Programm. | |
Doch der Laden, der diesen Sonntag seinen siebten Geburtstag feiert, ist | |
mehr als nur eine profane Kneipe. Er ist ein Ort, vor dem die sogenannte | |
Antizionistische Aktion, eine verwirrte, antisemitische Berliner Gruppe, | |
ausdrücklich warnt. „Zionists of Berlin“, informiert diese auf ihrer | |
Facebook-Seite, würden hier verkehren. Hier und im Tristeza in der | |
Pannierstraße, das Mitte März ebenfalls zum großen Geburtstagsumtrunk lädt. | |
Diese Neuköllner Kneipe wird dann sogar elf Jahre alt. | |
Als Szenetreffpunkt der sogenannten Antideutschen gilt das Laidak. Bernd | |
Volkert, einer der drei Betreiber sagt dazu: „Ja, diese Zuschreibung haben | |
wir. Und sie ist in gewisser Weise auch richtig.“ Man tut schließlich ja | |
auch einiges für diesen Ruf. Durchschnittlich einmal in der Woche gebe es | |
Veranstaltungen, sagt er, Lesungen, Informationsabende, Diskussionen. Gern | |
zu Themen wie neue Rechte, Nazismus, Israel und Antisemitismus. Diverse | |
Organe aus dem Spektrum der Antideutschen haben bereits Abende gestaltet. | |
Die Jungle World hat hier schon geladen, genauso wie die Politpostille | |
Bahamas. | |
Damit macht man sich nicht nur Freunde. Von Linken werde die Kneipe | |
aufgrund der proisraelischen Grundhaltung beargwöhnt, sagt Volkert. Von | |
Rechten sowieso. | |
## Anschlag auf die Schankwirtschaft | |
Und vor ein paar Jahren gab es gar einen Anschlag. Vermummte stürmten die | |
Schankwirtschaft und warfen Flaschen in Richtung Tresen. Es sei reines | |
Glück gewesen, so Volkert, dass niemand verletzt wurde. | |
Das Laidak wurde Opfer eines Angriffs des sogenannten Jugendwiderstands, | |
einer bizarren Gruppe, die bevorzugt in Neukölln auch mit Gewalt bevorzugt | |
gegen Linke vorgeht, die ihrer Meinung nach zionistisch orientiert sind. | |
„Scheiß-Gentrifizierer“ wurde den Laidak-Mitarbeitern hinterm Tresen | |
außerdem hinterhergerufen. Volkert wirkt halbwegs amüsiert darüber, dass | |
sein Laden auch noch mitverantwortlich für die Verdrängung bestehender | |
Kiezstrukturen gemacht wird, wirklich lustig findet er das freilich aber | |
auch nicht. Hat man es einfach schwer als linke Kneipe in Neukölln? Es ist | |
kompliziert. Volkert sieht sich selbst nicht einmal als Linken. | |
Kommunistisch sei er, sagt er, und anarchistisch, aber nicht links. Wie | |
auch immer. | |
## Anders als die anderen | |
Anders als klassische linke Kneipen in Berlin ist das Laidak in jedem Fall. | |
Linke Kneipen, das sind doch eigentlich diese Läden, wo es am Wochenende | |
veganen Brunch gibt und man überall darauf hingewiesen wird, dass man sich | |
gefälligst nicht sexistisch verhalten solle, weil man sonst rausfliegen | |
werde. | |
Orte wie die berühmte Kadterschmiede in Friedrichshain, wo Punks mit ihren | |
Hunden rumhocken. Oder das Café Morgenrot in der Kastanienallee in | |
Prenzlauer Berg, das im Kollektiv betrieben wird und am Montag geschlossen | |
hat, weil da Plenum ist. Und so ein Laden ist das Laidak sicherlich nicht. | |
„Wir gelten in der Szene als sexistisch“, sagt Volkert. Warum das so ist, | |
darauf vermag er sich auch keinen Reim machen. | |
Bei der Geburtstagsfeier soll es nun darum gehen, was seinen Laden im | |
Wesentlichen ausmacht: trinken und dazu etwas veranstalten. Es wird | |
Freibier geben und diverse Autoren, unter anderem das Betreiberteam des | |
Laidak, werden Texte lesen. | |
Volkert selbst ist eigentlich Politikwissenschaftler, hat die | |
wissenschaftliche Karriere inzwischen aber an den Nagel gehängt. | |
Er schreibe nur noch hobbymäßig für diverse Magazine, sagt er, natürlich | |
für antideutsch Orientierte. Und er hat vor Kurzem einen Gedichtband | |
herausgegeben. Nach ein paar Bieren wird er bestimmt auch aus diesem | |
vorlesen. | |
9 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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