# taz.de -- Urteil im Prozess gegen militante RAZ: Beihilfe zu Brandstiftung | |
> Im einst groß gestarteten Prozess gegen die Revolutionären Aktionszellen | |
> gibt es ein Urteil. Der einzige Angeklagte erhält eine Bewährungsstrafe. | |
Bild: RAZ-Schriftzug am Haus der Wirtschaft | |
Berlin taz | Über den Angeklagten wisse das Gericht so gut wie nichts, | |
stellte der Richter in seiner Urteilsverkündung fest. Eisern hatte Cem K., | |
ein 46-jähriger in Braunschweig geborener türkischer Staatsbürger, während | |
des Prozesses gegen ihn geschwiegen. Was K. beruflich macht, wie er | |
politisch eingebunden ist – all das blieb im Verborgenen. Das Gericht sah | |
es dennoch als erwiesen an, dass K. vor mehr als zehn Jahren als Teil der | |
[1][linksmilitanten Gruppierung Revolutionäre Aktionszellen (RAZ)/ | |
Revolutionäre Linke (RL)] Beihilfe zu zwei Brandanschlägen geleistet habe. | |
Ein Jahr und sechs Monate Haft, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung, dazu | |
360 Stunden gemeinnützige Arbeit. Das ist das Urteil in einem Verfahren, | |
das einmal groß gestartet war. Gegen ursprünglich neun Beschuldigte hatte | |
die Bundesanwaltschaft einst ermittelt. Der Vorwurf: Bildung einer | |
kriminellen Vereinigung. Doch alle Vorwürfe fielen in sich zusammen, lange | |
passierte nichts; nur K. blieb als Angeklagter übrig, als die Berliner | |
Staatsanwaltschaft 2018 das Verfahren übernahm. Mit dem Urteil des | |
Landgerichts vom Mittwoch dürfte die juristische Aufarbeitung des Komplexes | |
RAZ/RL ihr Ende gefunden haben. | |
Für den Richter stand fest: Hinter RAZ und RL steckte dieselbe | |
abgeschlossene, etwa zehnköpfige Gruppe, die auch die Szenezeitschrift | |
Radikal herausgab: eine antiimperialistische Zelle, die das Ziel verfolgte, | |
den Staat zugunsten einer kommunistischen Gesellschaft zu überwinden. | |
Außerdem habe es sich bei ihr um die Nachfolgeorganisation der | |
[2][militanten Gruppe (mg)] gehandelt, die in den Nullerjahren 25 Anschläge | |
verübt und sich 2009 in einem Beitrag in der Radikal für aufgelöst erklärt | |
hatte. Drei ihrer Mitglieder waren 2007 festgenommen und später wegen | |
Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und versuchter | |
Brandstiftung zu Freiheitsstrafen verurteilt worden. | |
## Ohne Bekennerschreiben „sinnlos“ | |
Die RAZ, die 2009 erstmalig in Erscheinung trat, soll innerhalb von | |
eineinhalb Jahren fünf Brandanschläge begangen, dazu Drohschreiben mit | |
Patronen an drei Personen verschickt haben, darunter an den damaligen | |
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. Gefahr für Menschen sei von den | |
Anschlägen keine ausgegangen. Zu allen Taten habe die Gruppe | |
Selbstbezichtigungsschreiben verfasst, um diese ideologisch zu | |
rechtfertigen. Ohne diese wären die Anschläge sinnlos gewesen, so der | |
Richter. | |
K. wurde die Beteiligung an den Anschlägen auf das Haus der Wirtschaft im | |
Februar 2010 sowie [3][auf die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und | |
das Amtsgericht Wedding im April 2011] vorgeworfen, bei denen ein | |
Gesamtschaden von 57.000 Euro entstanden war. Eine direkte Tatbeteiligung | |
sah das Gericht nicht – bei keinem der Anschläge fanden sich Zeugen oder | |
verwertbare Spuren. | |
Eine Beteiligung am Anschlag auf das Haus der Wirtschaft konnte das Gericht | |
nicht nachweisen, auch weil sich sämtliche Zeugen des Verfassungsschutzes | |
an nichts erinnern konnten. | |
Für die letzten beiden Anschläge aber hätten die Indizien ergeben, dass K. | |
ein Kommuniqué per Mail an eine Reihe von Redaktionen geschickt und dies | |
den Tatausführenden auch im Vorfeld zugesagt hatte. Am Vormittag nach den | |
nächtlichen Anschlägen war K. zunächst von einem Zivilbeamten dabei | |
beobachtet worden, wie er mit einem Laptop die Wohnung verlassen hatte, | |
später, wie er mit der S-Bahn nach Altglienicke fuhr und dort Zettel | |
entsorgte. Auf diesen: die Anleitung für die Verschickung von | |
Bekennerschreiben und die Adressen der Redaktionen – in derselben | |
Reihenfolge, wie sie auch in der Mail auftauchten. | |
K.s Anwälte Ulrich von Klinggräff und Sven Lindemann hatten auf Freispruch | |
plädiert. Die etwa zwei Dutzend Unterstützer konnten sich dennoch freuen, | |
als K. das Gericht als freier Mann verließ. | |
1 Dec 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Prozess-Revolutionaere-Aktionszellen/!5773278 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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