# taz.de -- „Alternative Nobelpreise“ 2020 vergeben: Vier Menschenrechtler … | |
> Ausgezeichnet: Kampf für Demokratie in Belarus, für Menschenrechte im | |
> Iran, für Indigene in Nicaragua und gegen institutionellen Rassismus in | |
> den USA. | |
Bild: Der ausgezeichnete Menschenrechtler Ales Bialiatski aus Belarus hat diese… | |
STOCKHOLM taz | Vier VerteidigerInnen von Menschenrechten werden mit den | |
diesjährigen „Right Livelihood Awards“, besser bekannt als „Alternative | |
Nobelpreise“ geehrt. Wie die schwedische [1][Right Livelihood Stiftung] am | |
Donnerstag in Stockholm bekanntgab, gehen die Preise für das Jahr 2020 an | |
die inhaftierte iranische Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh, den | |
US-Bürgerrechtsanwalt Bryan Stevenson, die Aktivistin für die Rechte | |
indigener Menschen und Umweltschutz Lottie Cunningham Wren aus Nicaragua | |
sowie das Menschenrechtszentrum „Viasna“ und dessen Gründer Ales Bialiatski | |
in Belarus. | |
Die Auswahl der PreisträgerInnen werfe ein Schlaglicht auf die weltweite | |
Bedrohung der Demokratie, erklärte Ole von Uexküll, Direktor der Right | |
Livelihood Foundation: „Es ist höchste Zeit, dass wir alle, die weltweit an | |
die Demokratie glauben, aufstehen und einander unterstützen.“ | |
Die EmpfängerInnen der Preise für das Jahr 2020 vereine ihr Kampf für | |
Gleichberechtigung, Demokratie, Gerechtigkeit und Freiheit: „Mit ihrem | |
Widerstand gegen ungerechte Rechtssysteme und diktatorische politische | |
Regime stärken sie erfolgreich die Menschenrechte, fördern | |
Zivilgesellschaften und prangern institutionelles Fehlverhalten an.“ | |
## Ales Bialiatski und Menschenrechtszentrum Viasna, Belarus | |
Mit „Viasna“ und Ales Bialiatski geht ein Alternativer Nobelpreis erstmals | |
nach Belarus. Schon seit Mitte der 1980er Jahre ist der 58-jährige | |
Literaturwissenschaftler Bialiatski als Verteidiger der Menschenrechte | |
aktiv. | |
Er setzte sich für die Abschaffung der Todesstrafe ein und gründete 1996 | |
zur Unterstützung politischer Gefangener und ihrer Familien das | |
Menschenrechtszentrum „Viasna“ in Minsk. Inzwischen ist es eine der | |
führenden Nichtregierungsorganisationen des Landes geworden und trägt durch | |
die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen und die Beobachtung von | |
Wahlen zur Entwicklung der Zivilgesellschaft in Belarus bei. | |
2011 war Bialiatski verhaftet und wegen angeblicher Steuerhinterziehung zu | |
viereinhalb Jahren Straflager verurteilt worden. Das löste eine | |
internationale Solidaritätskampagne aus. In der fordertee unter anderem das | |
Europaparlament seine sofortige Freilassung, wurde er von Amnesty | |
International zum politischem Gefangenen erklärt, erhielt er mehrere | |
Menschenrechtspreise und wurde er für den Friedensnobelpreis nominiert. | |
2014 wurde er vorzeitig entlassen. | |
Bialiatski ist Mitglied des im April 2020 gegründeten Koordinierungsrates, | |
der das Ziel eines friedlichen Machtübergangs im Land verfolgt. | |
„Ales Bialiatski und „Viasna“ stehen für die Vielzahl mutiger Menschen, … | |
unter hohem persönlichem Risiko gegen Lukaschenkos diktatorisches Regime | |
protestieren“, heisst es in der Preisbegründung: Mit ihrem [2][langjährigen | |
Einsatz für Demokratie] und Freiheit hätten sie „einen wesentlichen | |
Grundstein für eine friedliche und demokratische Gesellschaft in Belarus | |
gelegt“. | |
Der Preisträger bezeichnete die Auszeichnung als „zusätzliche | |
Verpflichtung“ und als „eine moralische Unterstützung für alle | |
Belarussinnen und Belarussen, die sich für einen demokratischen Wandel | |
starkmachen“. | |
Bialitski erklärte: „Ich hoffe, dass die internationale Aufmerksamkeit, die | |
durch diesen Preis entsteht, dazu beiträgt, dass die Arbeit des | |
Menschenrechtszentrums „Viasna“ in Belarus noch wirkungsvoller und weniger | |
gefährlich wird.“ | |
## Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh, Iran | |
Auch in den Iran geht in diesem Jahr erstmals ein Alternativer Nobelpreis. | |
An die inhaftierte Menschenrechtsanwältin [3][Nasrin Sotoudeh]. Sie befand | |
sich bis Ende September in einem Hungerstreik. Ihr „Beharren auf | |
Rechtsstaatlichkeit und ihr unnachgiebiger Kampf gegen Unterdrückung haben | |
sie zu einem Symbol des Kampfes für Gerechtigkeit im Iran gemacht“, | |
schreibt die Jury der „Right Livelihood Awards“. | |
„Ihr unermüdlicher Einsatz für die Gerechtigkeit hat Sotoudeh seit 2010 | |
mehrfach ins Gefängnis gebracht, auch in Einzelhaft. Im März 2019 wurde sie | |
unter erfundenen Anschuldigungen, unter anderem „Schüren von Korruption und | |
Prostitution“, zu 38 Jahren Haft und 148 Peitschenhieben verurteilt.“ | |
Die 57-jährige Mutter von zwei Kindern hatte erstmals 2009 in Folge der | |
Proteste gegen die Regierung nach den Präsidentschaftswahlen größere | |
Bekanntheit erlangt. Sie verteidigte vor Gericht Demonstranten, die wegen | |
ihrer Teilnahme an Kundgebungen gegen die Regierung verhaftet worden waren, | |
darunter mit Heshmat Tabarzadi den Anführer der verbotenen | |
Oppositionsgruppe „Demokratische Front des Iran“. | |
Sotoudeh vertrat auch die iranische Menschenrechtsaktivistin und | |
Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi und kämpfte für die Abschaffung der | |
Todesstrafe im Iran. | |
„Trotz ihrer Inhaftierung und ständiger Drohungen gegen ihre Familie bleibt | |
Sotoudeh eine unbeugsame Verfechterin der Rechtsstaatlichkeit“, heisst es | |
in der Preisbegründung. | |
## Lottie Cunningham Wren: Für Landrechte in Nicaragua | |
Rechtsanwältin ist auch Lottie Cunningham Wren aus Nicaragua. Sie gehört | |
der Volksgruppe der Miskito an, verteidigt die Rechte indigener Völker auf | |
ihr Land und ihre Ressourcen und hat beispielsweise durch die Einleitung | |
von Prozessen zur Festlegung von Grundstücksgrenzen und der Vergabe von | |
Eigentumsurkunden entscheidend zu ihrem rechtlichen Schutz beigetragen. | |
Mit dieser Durchsetzung von Landrechten für Indigene hat sie laut | |
Preisbegründung „Pionierarbeit für juristische Strategien geleistet, die | |
seither von indigenen Gemeinschaften auf der ganzen Welt erfolgreich zur | |
Demarkation ihrer Gebiete eingesetzt werden“. Auch habe Cunningham gezeigt, | |
dass der Schutz indigenen Landes wesentliche Bedeutung für den Schutz | |
lokaler Ökosysteme habe. | |
Als „leidenschaftliche Anwältin ihres Volkes“ habe sich die 61-Jährige | |
„auch für die Stärkung der Rechte indigener Frauen engagiert, Programme | |
gegen häusliche Gewalt ins Leben gerufen und dafür gesorgt, dass Frauen in | |
Entscheidungsgremien vertreten sind“. | |
Bürgerrechtsanwalt Bryan Stevenson, USA | |
Der vierte diesjährige Preisträger ist der US-amerikanische | |
Bürgerrechtsanwalt Bryan Stevenson. 1989 gründete er die „Equal Justice | |
Initiative“ (EJI), die sich seit Jahrzehnten für Menschen in der Todeszelle | |
einsetzt. Für mehr als 140 unrechtmäßig zum Tode Verurteilte wurde eine | |
Entlassung, Hafterleichterung oder Urteilsrevision erwirkt. Beispielsweise | |
für [4][Anthony Ray Hinton], der nach fast 30 Jahren in der Todeszelle 2015 | |
als unschuldig entlassen worden war. | |
Ein weiterer Teil seiner Arbeit sind Kampagnen gegen übermäßig hohe | |
Strafen, die oft gegen Arme und People of Color verhängt werden. | |
„Stevensons Engagement wurzelt in der Erkenntnis, dass die Gesellschaft und | |
das Justizsystem aufgrund der unbewältigten Geschichte der Sklaverei und | |
der Ideologie der White Supremacy in den USA von systemischem Rassismus | |
durchdrungen sind“, heisst es in der Preisbegründung. | |
„Da die Ungerechtigkeit des Systems People of Color überproportional stark | |
betrifft, hat Stevenson sein Leben dem Streben nach Gleichberechtigung der | |
Ethnien und der Anfechtung des historischen Erbes des institutionellen | |
Rassismus in den USA gewidmet.“ | |
Ein von ihm initiiertes Museum über die Geschichte der Sklaverei und | |
Lynchmorde in Montgomery (Alabama) dokumentiert mehr als 6500 Lynchmorde, | |
die an Afro-Amerikanern verübt worden sind. | |
Das in diesem Jahr angelaufene Justizdrama „Just Mercy“ beruht auf | |
Stevensons 2012 erschienenen Memoiren mit dem gleichen Titel. „Wir arbeiten | |
gerade intensiv an Projekten, die darauf zielen, dass unsere Nation einen | |
ehrlicheren Umgang mit ihrer Geschichte der Ungerechtigkeit und | |
Ungleichheit findet. Die Auszeichnung wird uns dabei helfen, diese Arbeit | |
voranzubringen“, sagte der 59-Jährige zu seiner Auszeichnung. | |
## In diesem Jahr gibt es nur eine virutelle Preiszeremonie | |
Die mit einem Preisgeld von jeweils 1 Million Kronen (ca 95.000 Euro) | |
dotierten „Right Livelihood Awards“ werden seit 1980 verliehen. Mit den | |
diesjährigen PreisträgerInnen sind bisher 182 Menschen aus 72 Ländern | |
ausgezeichnet worden. | |
In diesem Jahr wird die Würdigung am 3. Dezember im Rahmen einer virtuellen | |
Preiszeremonie stattfinden. | |
1 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.rightlivelihoodaward.org/ | |
[2] /Aussenminister-will-Beziehungen-verbessern/!5167954 | |
[3] /Iranische-Anwaeltin-im-Hungerstreik/!5708369 | |
[4] /Irrtuemliche-Todesstrafe-in-den-USA/!5013971 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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