| # taz.de -- 30 Jahre Kunstgalerie Nagel Draxler: Ein kleines Blatt mit einem St… | |
| > Rückblick auf bewegte Zeiten: Die Galerie Nagel Draxler begann einst in | |
| > Köln – jetzt feiert sie in Berlin und München ihr 30-jähriges Bestehen. | |
| Bild: Die Ausstellung von Mark Dion, „Alexander von Humboldt“ in der Galeri… | |
| Christian Nagels Rezept gegen Krisen lautet: „Nicht zusperren“. Nicht | |
| gleich aufgeben beim ersten oder zweiten Problem. Durchhalten. Nerven | |
| bewahren, auch in den Durststrecken. Mit Höhen und Tiefen kennt Nagel sich | |
| aus, wie vermutlich jede*r im Kunstbetrieb. Seine [1][Galerie Nagel Draxler | |
| mit Hauptsitz am Rosa-Luxemburg-Platz], die er seit 2009 gemeinsam mit | |
| Saskia Draxler führt, seit 2013 unter diesen Namen, feiert heuer | |
| 30-jähriges Bestehen. Merkwürdige Zeiten sind das gerade, um | |
| zurückzublicken, vielleicht sind es aber auch besonders interessante. | |
| [2][Nagel Draxler nutzen für die Rückschau] aktuell vor allem Instagram. | |
| Bilder aus dem Archiv sind da zu sehen, ergänzt von kurzen anekdotischen | |
| Texten, sie reichen von der Debüt-Ausstellung bis zur Gegenwart. Seit | |
| Beginn der Quarantäne steht die Reihe unter dem Motto „Stay alive till 25“. | |
| Durchhalten bis zum Jahr 2025, das ist ja allen Galerien zu wünschen. | |
| Ziemlich genau vor 30 Jahren eröffnete Christian Nagel seinen ersten Raum. | |
| Am 26. April 1990 bestritt die Künstlerin Cosima von Bonin die | |
| Auftaktausstellung: „Ein Ass zum Anfang“, sagt er. Auch für von Bonin, | |
| selbst Kölnerin, dort bereits in der Szene bekannt, aber keinesfalls auf | |
| dem Markt, war es eine Premiere. Und was für eine: Sie stellte einige | |
| Fotografien aus, aufgenommen in den 1980ern in einem britischen | |
| Fischereiclub. Geschichte geschrieben hatte 1969 das erste weibliche | |
| Clubmitglied, die bei einem Wettangeln die Trophäe für den größten Fisch | |
| gewonnen hatte. | |
| Die alten Kölner Galerie-Räume Nagels lagen in der Brabanter Straße im | |
| Belgischen Viertel. Auf einem Schwarzweißfoto schaut der einstige | |
| Junggalerist lächelnd aus dem Fenster, neben ihm in großen Lettern sein | |
| Name. Alle Galerien hätten damals kleine Schilder gehabt. Also habe er sich | |
| für ein richtig großes entschieden, das größte Schild für den kleinsten | |
| Raum. So steht es im Text daneben. | |
| So passt es zu ihm. Damals, Nagel war gerade von München nach Köln gezogen | |
| – in der bayerischen Landeshauptstadt hatte er als Kunstgeschichtsstudent | |
| die Galerie Christoph Dürr geleitet – hatten die Kolleg*innen den | |
| Neuankömmling eingeladen, bei der „Köln Show“ mitzumachen, organisiert von | |
| neun Galerien, darunter Max Hetzler, Monika Sprüth, Gisela Capitain, Esther | |
| Schipper und Daniel Buchholz. Nagel bedankte sich freundlich und sagte ab, | |
| eröffnete zeitgleich, aber allein. Und hatte dennoch die Hütte voll: „Wir | |
| hatten schon ab und zu mal eine gelungene Eröffnung, aber dass drei Tage | |
| lang Publikum ins Haus strömte, war schon außergewöhnlich. Es war ein | |
| kleiner Höhepunkt und alle dachten, das gehe jetzt so weiter.“ | |
| Weiter ging es definitiv. Nach von Bonin kam Michael Krebber. Mit einer | |
| Ausstellung, in der es gar nichts zu kaufen gab. Vier Vitrinen, gefüllt mit | |
| Literatur. Als „etwas periphere künstlerische Feinheiten“ beschreibt Nagel | |
| die Kunst, die ihn interessiert und die in Opposition etwa zu jener damals | |
| angesagten objektbezogenen Kunst stand, wie sie Jeff Koons oder Haim | |
| Steinbach machten. „Die einen dachten, sie müssten das am Teuersten zu | |
| produzierende Stück ausstellen. Und wir haben das Ding gezeigt, das erst | |
| einmal gar nicht wie Kunst ausschaut – und auf einmal ist das Kunst.“ | |
| ## Dann passiert was | |
| Die Galerie Christian Nagel stand dafür, schwierige Kunstwerke auszustellen | |
| und auch verkaufen zu können. Ein kleines Blatt Papier mit einem Strich | |
| darauf. [3][Materialansammlungen wie von Mark Dion.] Konzeptuelles. | |
| Kontextuelles. Oder Politisches: Auseinandersetzungen mit der Situation der | |
| Sinti und Roma im Köln der 1990er wie in Luca Vitones Ausstellungprojekt | |
| „Der unbestimmte Ort“ (1994). Wenig Malerei, wenig klassische Skulptur, | |
| nichts, was primär auf den Geschmack von Sammler*innen ausgerichtet war. | |
| „Wir dachten, wir hängen die Sachen hin und dann passiert was.“ Auf lange | |
| Sicht war es auch so. Als es kurz vor dem Jahrtausendwechsel gerade | |
| besonders gut lief – die dritte Kölner Galerie hatte ganze 250 Quadratmeter | |
| – streckte Nagel die Fühler nach Berlin aus. 2002 eröffneten sie die Räume | |
| in Mitte, auch weil man, wie Nagel meint, nach zehn Jahren weiterkommen | |
| muss, mit einem zweiten Standbein zum Beispiel. Berlin ist nun längst | |
| Hauptsitz der Galerie. Im Dezember vergangenen Jahres kam dann noch München | |
| dazu. | |
| Momentan hat die Galerie an allen Standorten geschlossen. Vorübergehend. | |
| Alle Mitarbeiter*innen befinden sich im Homeoffice. Vorläufig verschoben | |
| ist die Ausstellung des saudi-arabischen Künstlers [4][Abdulnasser Gharem], | |
| die zum 1. Mai, zum Termin des Gallery Weekends in Berlin hätte eröffnet | |
| werden sollen. Es wäre die erste Ausstellung Gharems in der Galerie. | |
| Im vergangenen Jahr hatten Nagel Draxler ihn auf der Kunstmesse Art Basel | |
| gezeigt, mit einer nur einzeln begehbaren Installation über die Ermordung | |
| des Journalisten Jamal Khashoggi, ein nüchtern-eindringliches politisches | |
| Statement, mitten im lustig-bunten Messegetümmel – und ein Beispiel für die | |
| Kunst, die einen bei Nagel Draxler erwarten kann. | |
| 18 Apr 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Kolumne-Berliner-Galerien/!5510489 | |
| [2] https://nagel-draxler.de/ | |
| [3] /Papageienkonzert-in-Linz/!5221296 | |
| [4] /Archiv-Suche/!481538&s=Abdulnasser+Gharem&SuchRahmen=Print/ | |
| ## AUTOREN | |
| Beate Scheder | |
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