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# taz.de -- Projekte gegen Antisemitismus: Förderfilz der CDU
> Die Berliner Kultursenatoren Chialo und Wedl-Wilson haben willkürlich
> Millionen Euro Fördergelder vergeben – nach Druck aus der Fraktion.
Bild: Ex-Kultursenator Joe Chialo und CDU-Fraktionschef Dirk Stettner
Berlin taz | Mehrere Millionen Euro an Fördergeldern für Projekte gegen
Antisemitismus sind in Berlin offenbar irregulär vergeben worden.
Durchgesetzt wurde die Förderung von mehr als einem Dutzend Projekte im
Haushaltsjahr 2025 auf Drängen des ehemaligen Kultursenators Joe Chialo
(CDU) und seiner parteilosen [1][Nachfolgerin Sarah Wedl-Wilson] – gegen
massive Bedenken und entschiedenen Widerstand aus der Verwaltung. Das geht
aus einer Akteneinsicht von Grünen-Abgeordneten hervor, die zuvor eine
[2][Kleine Anfrage im Abgeordnetenhaus] gestellt hatten. Eine Liste der zu
fördernden Projektträger war zunächst in der CDU-Fraktion erstellt worden.
„Alles deutet auf ein beispielloses System zwischen der Leitung der
Kulturverwaltung und der CDU-Fraktion hin, bei dem öffentliche Mittel
verschoben und unter rein parteipolitischen Gesichtspunkten verausgabt
werden“, heißt es dazu in einem Statement der Grünen-Fraktionschefs Bettina
Jarasch und Werner Graf. Im Raum stehe der Verdacht, „dass öffentliche
Mittel für den Kampf gegen Antisemitismus im Hinterzimmer verteilt, ohne
die erforderliche Prüfung vergeben und gegen geltendes Haushaltsrecht
bewilligt worden sind“.
Im Zuge der Haushaltsaufstellung für 2024/25, bei dem [3][insbesondere im
Kulturbereich massiv gekürzt wurde], hatte der schwarz-rote Senat auch als
Reaktion auf den Hamas-Angriff auf Israel eine Förderung für „Projekte
gegen Antisemitismus und zur Förderung des interreligiösen Dialogs“ in Höhe
von 10 Millionen Euro beschlossen. Dieser Topf erhielt in diesem Jahr eine
zusätzliche Fördersäule mit dem Titel „Projekte von besonderer politischer
Bedeutung“ mit einem Volumen von 3,4 Millionen. Auf die Festlegung von
Förderkriterien, die regeln, wer sich darauf unter welchen Bedingungen
bewerben darf, wurde dabei entgegen der geltenden Regeln verzichtet.
Wie aus der Akteneinsicht hervorgeht, entschied der damalige Senator Chialo
bereits im Februar, dass eine Liste von Projektträgern Mittel aus dem
Haushaltstitel erhalten sollen. Er schrieb: „Eines zentralisierten
Antragsverfahrens bedarf es hierzu nicht. Die in der Anlage 1 genannten
Institutionen und Projektträger werden zur Antragstellung direkt
aufgefordert.“ Die angehängte Liste mit 18 Projekten hatte Chialo von
CDU-Fraktionschef Dirk Stettner und dem haushaltspolitischen Sprecher
Christian Goiny erhalten, die er im Februar zu einem „politischen Termin
ohne Referatsbeteiligung“ getroffen hatte. Die zu fördernden Projekte
jedoch waren der Kulturverwaltung überwiegend unbekannt und hatten selbst
noch gar keine Anträge gestellt.
## Fragwürdige Projekte
Dennoch wurden bis September 2,65 Millionen Euro bewilligt, etwa die Hälfte
für eine aktuell laufende Ausstellung über das Nova Musik Festival, das am
7. Oktober 2023 von der Hamas angegriffen wurde. 390.000 Euro gingen an das
Zera Institute, das, wie der Tagesspiegel berichtete, von Maral Salmassi
geleitet wird, eine Kollegin von Goiny im Vorstand der CDU Lichterfelde.
Geld floss zudem an Projekte, an deren Kompetenz es ernsthafte Zweifel
gibt. Etwa 90.000 Euro erhielt eine Between Worlds GmbH, zu der sich im
Internet nichts als ein Firmenregistereintrag findet. 39.000 Euro flossen
an die Immobilienverwaltung FaBlhaft GmbH & Co. KG. Weitere Projekte sind
aktuell noch im Verfahren. Dagegen haben sich drei Projekte der
ursprünglichen Liste niemals um eine Förderung beworben.
In der Verwaltung stieß das Anliegen von Beginn an auf Widerstand. In
diversen Vermerken und E-Mails, die der taz vorliegen, wurde etwa darauf
verwiesen, dass auf eine Zuwendung ohne inhaltliche Prüfung aus
zuwendungsrechtlicher Sicht abzuraten sei. Gewarnt wurde vor Projekten ohne
ordnungsgemäße Geschäftsführung und solchen, die nicht ihren finanziellen
Eigenanteil leisten können – mit drohenden Schadensfolgen. Mitte April
entzog Chialo seinem Staatssekretär Oliver Friederici die Zuständigkeit,
weil die Gelder noch nicht genehmigt waren.
## Wedl-Wilson in Chialos Fußstapfen
Nach dem Rücktritt Chialos im Mai, hielt Christian Goiny den Druck
aufrecht. Entgegen der Grundsätze der Gewaltenteilung wandte sich Goiny
wiederholt direkt an Verwaltungsmitarbeiter. Per E-Mail beschwerte er sich
zudem bei Chialos Nachfolgerin Sarah Wedl-Wilson über die anhaltende
Verzögerung; dabei seien die Anträge inzwischen – auf einer extra
eingerichteten E-Mail-Adresse – eingegangen.
Zwar befand die Verwaltung, dass keiner der Anträge vollständig sei, doch
Wedl-Wilson hielt an dem Vorhaben fest. Sie wies die Verwaltung an, auf die
Forderung nach einem Eigenanteil zu verzichten, zu einem besonders in der
Kritik stehenden Projekt schrieb sie: „Es besteht der politische Wille, das
Projekt zu fördern.“ Ebenso setzte sie sich dafür ein, noch weitere
Projekte aufzunehmen, darunter auch solche, die zuvor bei der regulären
Bewerbung um Mittel anderer Fördersäulen leer ausgegangen waren, auch dies
offenbar auf Wunsch aus der CDU-Fraktion.
Mitte Juli erfolgte die Schlusszeichnung der Leitungsvorlage durch die
Senatorin. In einem ausführlichen Vermerk der zuständigen Fachverwaltung,
die schon zuvor darauf gedrungen hatte, dass die Bescheidung „in
vollständiger Verantwortung der Hausleitung“ erfolge, hieß es, die
Senatorin habe kundgetan, „dass sie die von der Fachebene vorgebrachten
Bedenken nicht für so wesentlich hält, dass sie einer Bewilligung der
Zuwendung entgegenstehen“.
Während die SPD jede Mitverantwortung von sich weist, hält man sich in der
CDU bislang bedeckt. Bürgermeister Kai Wegner sagte am Dienstag: „Ich habe
keinen Zweifel, dass die Kultursenatorin ordnungsgemäß gehandelt hat.“ Dies
gelte auch für Joe Chialo. Von der Linken-Fraktionschefin Anne Helm kam der
Ruf nach „Konsequenzen, sollte sich bewahrheiten, dass öffentliche Mittel
nach Gutsherrenart an persönlich oder politisch nahestehende Projekte
verteilt wurden“. Für Mittwoch haben Grüne und Linke zu einer
Pressekonferenz ins Abgeordnetenhaus geladen.
4 Nov 2025
## LINKS
[1] /Berliner-Kultursenatorin/!6091033
[2] https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-22…
[3] /Kuerzungen-bei-Berlins-Kultur/!6078995
## AUTOREN
Erik Peter
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