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# taz.de -- Berliner CDU-Fördergeldaffäre: Guter Jude, schlechter Jude
> Die Kulturverwaltung räumt weitere Fehler in der Fördergeld-Affäre ein.
> Eine Antisemitismus-Fachjury soll zudem als „zu links“ abgelehnt worden
> sein.
Bild: Der gecancelte Shai Hoffmann und Jouanna Hassouns, ausgezeichnet als „B…
Die Vorwürfe der [1][politischen Einflussnahme durch Abgeordnete und
Senatoren der CDU bei der Vergabe von Fördergeldern im Kampf gegen
Antisemitismus] weiten sich aus – und werden nun auch zum Teil durch die
Senatskulturverwaltung selbst bestätigt. Der taz liegt eine entsprechende
Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion vor.
Das Dokument ist Teil der Berichterstattungspflicht des Senats im Rahmen
der Haushaltsberatungen und wurde am vergangenen Freitag veröffentlicht.
Dort bestätigt die Kulturverwaltung, dass bei der Vergabe von Fördermitteln
nicht Fachpersonal, sondern CDU-Politiker*innen die maßgeblichen
Entscheidungen über die zu fördernden Projekte getroffen haben.
Das betrifft den Sondertopf von 3,4 Millionen Euro, die 2025 für „Projekte
von besonderer politischer Bedeutung“ im Einsatz gegen Antisemitismus
vergeben wurden. Statt den regulären Weg einer eingehenden Prüfung durch
die Verwaltung zu gehen, wurden die bezuschussten Projekte von
Christdemokraten nach eigenen Vorstellungen – und mit Druck auf
Verwaltungsangestellte – ausgewählt. „Die Bescheidung der Projektanträge
lag in der Verantwortung der Hausleitung; beteiligt waren Mitglieder der
Koalitionsfraktionen“, heißt es unverblümt in dem Senatsbericht.
Zudem heißt es in der Antwort, dass bei der Entscheidung über die
Förderungen keine „inhaltlich-fachliche Prüfung“ stattgefunden habe. Wie
die taz bereits berichtete, sollen die Abgeordneten Dirk Stettner (CDU) und
Christian Goiny (CDU) die Liste der Förderprojekte zusammengestellt und
durchgeboxt haben.
Im Ergebnis [2][bekamen Projekte den Zuschlag], die einer inhaltlichen
Prüfung hinsichtlich ihrer Kompetenz in der Antisemitsmusarbeit wohl kaum
standgehalten hätten. Projekte wie etwa die „Mosaik G.C.B“, der „Future
Narrative Fund“ oder das „Zera Institute“ haben kaum oder keine bisherige
Arbeit vorzuweisen und fallen vor allem durch KI-Websites und personelle
Verbindungen – auch mit Christian Goiny – auf.
Maral Salmassi, Goinys Kollegin im CDU-Kreisvorstand Lichterfelde, deren
„Zera Institute“ mit 390.000 Euro bezuschusst wurde, fällt in den sozialen
Medien durch islamfeindliche, verschwörungstheoretische und extrem rechte
Inhalte auf. Für förderfähig hält sie die CDU, [3][die Antisemitismus vor
allem als linkes Problem verortet], dennoch.
## Jury gekippt
Wer dagegen ein breiteres Verständnis von Antisemitismuskritik vertritt und
diesen nicht mit kompromisslosen, pro-israelischen Positionen verbindet,
ist zum Abschuss freigegeben, wie neue Enthüllungen zeigen. Christian Goiny
und Joe Chialo nahmen demnach nicht nur Einfluss auf die Vergabe von
Fördermitteln aus dem besagten Sondertopf. Ebenso mischten sie sich in die
reguläre Mittelvergabe aus dem „Aktionsfonds gegen Antisemitismus“ ein, f�…
die eine Fachjury verantwortlich ist.
Wie aus einer der taz vorliegenden Akteneinsicht der Grünen-Abgeordneten
Susanna Kahlefeld und Daniel Wesener hervorgeht, sorgten Goiny und Chialo
dafür, die Jury-Mitglieder auszutauschen: „Zu links, zu woke, zu BDS-nah“
seien die bis dato vorgesehenen Expert*innen, so fasste ein Mitarbeiter der
Verwaltung in einer Mail Mitte Februar an einen Kollegen die Vorbehalte der
CDU zusammen. Anderthalb Monate später schrieb Chialo in einer Mail an
seinen Staatssekretär: „Gleichzeitig wurde verabredet, dass eine neue
Jurybesetzung für den Aktionsfonds gegen Antisemitismus erfolgen soll.“
Shai Hoffman, jüdischer Sozialaktivist, ist einer der als „zu links“
abservierten Jury-Mitglieder. „Die CDUler wollen darüber entscheiden, wer
die guten und wer die schlechten Juden sind“, sagt er im Gespräch mit der
taz. Die Praxis, Jüd*innen mit unliebsamen Ansichten auf diese Weise „zu
denunzieren“, erinnere ihn an dunklere Zeiten der deutschen Geschichte.
Goiny ist für ihn ein Politiker, der aus „einem deutschen Schuldkomplex
heraus“ ein bestimmtes Bild von Jüd*innen habe, in das er nicht passe.
„Was heißt eigentlich zu links?“, fragt er. „Wenn man darauf besteht, da…
Menschenrechte nicht selektiv, sondern universell gelten?“. Hoffmann ist
der CDU wohl deshalb lästig – er übt scharfe Kritik an dem
„Zerstörungsfeldzug einer teils faschistischen Regierung Israels“, sowie
der deutschen Staatsräson. In seiner Antisemitismusarbeit sei es ihm
wichtig, sich gegen alle Formen von Diskriminierung zu stellen – auch
anti-palästinensischen Rassismus.
## CDu hat keine Ahnung
Auch die Professorin Christina Brüning gehört zu den Geschassten. Sie habe
erst durch einen Bericht der Berliner Morgenpost am Samstag davon erfahren,
dass sie überhaupt als Jury-Mitglied im Gespräch war, sagt sie der taz. Sie
selbst versteht sich als sehr kritisch gegenüber der BDS-Bewegung und
findet: „Leuten pauschal BDS-Nähe zu unterstellen, zeigt, dass die CDUler
keine Ahnung von dem Feld haben.“
„Die CDU missbraucht Antisemitismuskritk als Mittel zur Spaltung der
Gesellschaft und reproduziert dabei antimuslimischen Rassismus“, so
Brüning. Es müsse darum gehen, Antisemitismus auch in der deutschen
Mehrheitsgesellschaft zu benennen und nicht nur auf „Muslime und linke
Studis“ zu projizieren, sagt sie.
Die von der CDU neu zusammengestellte Jury vergab schließlich 2 Millionen
Euro Fördergelder an 27 Projekte. Die Entscheidung wurde von der
Kulturverwaltung Ende Mai verkündet, ebenso die letztendlichen
Jury-Mitglieder. Ihnen gehören der taz-Journalist Nicholas Potter als
Juryvorsitzender an, dazu Franziska Göpner vom Anne Frank Zentrum, Shila
Erlbaum vom Zentralrat der Juden, Friederike Lorenz-Sinai von der
Fachhochschule Potsdam, Marina Chernivsky vom OFEK e. V. und Samuel
Salzborn, Ansprechpartner des Landes Berlin zu Antisemitismus.
Kritik an der CDU kommt nun auch aus der neuen Jury, deren Mitglieder
bislang nichts von den Vorgängen vor ihrer Nominierung wussten. Chernivsky,
Potter und Lorenz-Sinai drücken in einem Statement gegenüber der taz ihre
Unterstützung für die gecancelten Jury-Mitglieder aus und distanzieren sich
von Ausschlüssen von Fachkolleg*innen entlang rufschädigender
Ettikettierungen: „Die mutmaßlichen Diffammierungen sind unwissenschaftlich
und demokratiegefährdend, denn sie tragen dazu bei, die Bekämpfung von
Antisemitismus in seiner gesamtgesellschaftlichen Einbettung zu
polarisieren und nachhaltig zu beschädigen.“
10 Nov 2025
## LINKS
[1] /Projekte-gegen-Antisemitismus/!6122985
[2] /Gefoerderte-Antisemitismusprojekte/!6127489
[3] /CDU-Foerdergeldaffaere/!6124319
## AUTOREN
Anselm Mathieu
Erik Peter
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CDU-Fördergeldaffäre
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Kolumne Bewegung
Sarah Wedl-Wilson
CDU Berlin
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Millionen Euro Fördergelder vergeben – nach Druck aus der Fraktion.
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