| # taz.de -- Autorin über Fitnessstudio-Roman „Gym“: „Schmerz spielt beim… | |
| > Verena Keßler hat ihren Roman „Gym“ in einem Fitnessstudio angesiedelt. | |
| > Ihre Protagonistin durchlebt dort die Abgründe der Selbstoptimierung. | |
| Bild: Wer hier der*die Beste sein will, hat viel zu tun: Hanteln in einem Fitne… | |
| taz: Frau Keßler, die Idee zu Ihrem Buch „Gym“ kam Ihnen im Fitnessstudio. | |
| Wie nah ist Ihnen dieses Milieu? | |
| Verena Keßler: Ich trainiere ab und zu im Fitnessstudio, aber die Leute in | |
| meinem Roman sind nicht inspiriert von Menschen, die ich dort gesehen habe. | |
| Die habe ich erfunden. | |
| taz: Geht es um [1][Selbstoptimierung]? | |
| Keßler: Nicht unbedingt. Das Thema kommt vor, denn natürlich trainieren | |
| viele Menschen, um fitter und schöner zu werden. Aber meine Hauptfigur will | |
| sich nicht einfach nur optimieren, sondern sie hat den Wunsch sich von | |
| Anderen abzuheben. Sie taucht im Fitnessstudio zu einem Zeitpunkt auf, als | |
| sie gerade ihren Job verloren hat, und bewirbt sich dort als Tresenkraft. | |
| Nach und nach stellt sich heraus, dass sie ein Problem mit Ehrgeiz und dem | |
| Wunsch nach Anerkennung hat. | |
| taz: Und wie zeigt sich das? | |
| Keßler: Sie kommt aus einer ganz anderen Welt. Sie hatte einen Job, in dem | |
| sie sehr erfolgreich war, aber sie kann nicht mehr in ihre Branche | |
| zurückgehen. Ich wollte sie jetzt irgendwo anders auftauchen lassen, wo sie | |
| erst einmal denkt, dass sie dort ganz entspannt arbeiten kann, weil es | |
| keine Ansprüche an sie gibt. Aber weil sie nun mal ist, wie sie ist, | |
| versucht sie auch da wieder die Beste zu sein. Das könnt auch irgendwo | |
| anders spielen, aber im [2][Fitnessstudio] gibt es besonders gute | |
| Möglichkeiten das auszuleben. | |
| taz: Warum liegen für Sie im Fitnessstudio Lifestyle und Bodyhorror so nah | |
| beieinander? | |
| Keßler: Die meisten Leute trainieren da ja ganz gesund und normal. Und | |
| trotzdem spielt Schmerz beim Training eine Rolle. Und der Körper verändert | |
| sich. Das kann man dann ins Extreme drehen und das passt zu meiner Figur. | |
| taz: Sie treffen mit Ihrem Buch ja den Zeitgeist. In den Filmen „[3][The | |
| Substance]“ und „[4][Love Lies Bleeding]“ werden zum Beispiel ähnliche | |
| Geschichten darüber erzählt, wie Frauen ihre Körper grotesk verwandeln. | |
| Keßler: Ich habe diese beiden Filme in der Zeit gesehen, in der ich den | |
| Roman geschrieben habe und sie haben mich beeinflusst. Ich habe mir | |
| gedacht, dass das zu meiner Geschichte passt und dass es so etwas in der | |
| Literatur noch nicht so häufig gibt. Und dann hat es mir Spaß gemacht, das | |
| einfach mal auszuprobieren. | |
| taz: Haben Sie da Ihre Fantasie ähnlich wild ins Kraut schießen lassen wie | |
| den Körper ihrer Protagonistin? | |
| Keßler: Genau, da habe ich mir dann auch keine Grenze gesetzt, weil es bei | |
| dieser Figur alles bis ins Extremste eskalieren musste. | |
| taz: Dann haben Sie also mit dem Gestaltungsprinzip gearbeitet, dass man | |
| das Schlimmste erzählt, was einer Figur passieren kann? | |
| Keßler: Ich habe mir noch viel mehr Szenen ausgedacht, in denen es noch | |
| gewalttätiger und ekliger zugeht. Doch die habe ich dann zusammen mit | |
| meiner Lektorin wieder aussortiert. Da hab ich dann die Dosis noch ein | |
| wenig angepasst, weil ich ja keinen Horrorroman schreiben wollte. | |
| taz: Mögen Sie Ihre Protagonistin? | |
| Keßler: Wenn ich schreibe, denke ich gar nicht in dieser Kategorie. Wichtig | |
| für mich ist, dass ich die Figur interessant finde und ihr Handeln | |
| nachvollziehen kann. Ich höre jetzt öfter, dass sie sehr unsympathisch ist. | |
| Aber das finde ich gar nicht schlimm, weil ich selber gerne Bücher mit | |
| unsympathischen Protagonistinnen lese. Auch weil sie meistens spannender | |
| sind. | |
| 7 Oct 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Wilfried Hippen | |
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