Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Fitness durch Spinning: Treten, ohne vom Fleck zu kommen
> So richtig glücklich wird unsere Autorin nicht an den Pedalen. Auch die
> billigen Motivationssprüche des Trainers helfen da nicht weiter.
Bild: Eine schicke Spinninghölle mit Aussicht aufs Wasser
Nicht einmal drei Schritte muss ich machen, um zu begreifen, dass ich im
Höllenschlund der Gentrifizierung gelandet bin. Decken, Wände, Boden –
alles schwarz gestrichen. In den Leisten versteckte Neonröhren, pink, grün,
gelb, tauchen den Raum in ein so schummriges Licht, dass ich an die
Hollister-Filialen in großen Kaufhäusern denken muss. Die Buchung läuft
selbstverständlich über App und nur mit Kreditkarte. Anfänger:innenkurs, 30
Euro, Spezialschuhe inklusive, immerhin.
Auf dem Weg zur Umkleide stehen [1][Flipperautomaten]. Vielleicht, denke
ich, zum Ausflippen, falls die Übungen zu hart werden. Ich bin heute beim
Spinning. Spezialklasse zu EDM-Remixen einer weltberühmten Popsängerin.
Vielleicht wollt ihr wissen, wo genau – aber das verrate ich nicht.
Erstens, weil diese Studios so austauschbar sind wie die Menüs in
Fastfood-Ketten. Ist also egal, wo man hingeht. Und zweitens, weil ich euch
dringend von dieser Sportart abraten möchte.
Der Raum: rund 50 stationäre Fahrräder, in Tribünenform angeordnet, alle
Richtung Bühne ausgerichtet. Ich bin zehn Minuten zu früh dran, aber fast
alle anderen sitzen schon auf ihren Rädern, eifrig in die Monitore
vertieft. Ich friemle an meinem Bike herum, wir müssen unseren Namen
eingeben. Die Touch-Bedienung ist von der Sorte: Warum einfach, wenn’s auch
fancy geht? Neben mir steht der Trainer, leicht nervös schon, also tippe
ich mit dem Rädchen hastig „A-M-K“ ein. Ging schneller. Noch eben die
Fahrradgröße einstellen? Keine Zeit. Los geht’s.
## Pedalieren mit AI
45 Minuten strampeln, strampeln, strampeln. Der Coach sitzt vorne, ruft
Kommandos, wann wir den Widerstand für die Pedalen hoch- oder runterstellen
sollen. Um mich herum sehe ich Profis und versuche zu imitieren, wie sie
mit nur einer Hand die Wasserflasche öffnen, wo sie ihr Handtuch auf dem
Griff positionieren und wie sehr ihr Po sich bewegt, wenn sie in die
Pedalen treten. Wir alle sind per Kabel mit einer zentralen Maschine
verbunden. Angeblich laden wir damit die Beleuchtung und die „AI“ der
Fahrräder auf. Auf dem Display des Trainers erscheinen unsere Namen, er
ruft jeden mindestens einmal: „Let’s go! Faster Amk! You can do it!“ Soll
wahrscheinlich motivierend gemeint sein, ich fühle mich zum Glück nicht
angesprochen.
Das Licht ist gedimmt, nur die LEDs an den Bikes leuchten in wechselnden
Farben. Jede Farbe steht für einen Trainingsbereich: locker, mittel, hart
sowie storno-ich-brech-ab. Ziel: immer die Farbe erreichen, die er ansagt.
Ich strample wie irre, die Farbe treffe ich trotzdem selten. Und alle sehen
es.
Spinning, erfahre ich später, wurde in den 1990ern als gelenkschonendes
Ausdauertraining mit Gruppenmotivation erfunden. In Fitnessstudios gilt es
als Kalorienkiller (bis zu 700 in 45 Minuten) mit Spaßfaktor. Mir
erschließt sich davon nichts. Statt auf [2][individuelle Pulsfrequenzen] zu
achten, geht es nur um [3][schneller, höher, weiter]. Dabei kann man doch
die ganze Zeit nur auf der Stelle treten. Nach 15 Minuten will ich schon
nicht mehr. Eine Pause? Vergiss es – die Schuhe hängen fest, ich drohe vom
Rad zu kippen. Außerdem: wenn ich aufhöre, wird das System zurückgesetzt,
mein „Erfolg“ (gemessen in produzierter Wattzahl) wäre futsch.
Am Ende gibt’s Preise für die Schnellsten – Platz eins und zwei: Männer.
Spinning ist nichts für mich. Das Einzige, was sich hier dreht, ist mein
Magen.
14 Aug 2025
## LINKS
[1] /Roman-ueber-rebellierende-Jugendliche/!5543392
[2] /Neoliberale-Fitnessangebote/!6083501
[3] https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&opi=89978449&a…
## AUTOREN
Ann-Kathrin Leclere
## TAGS
Kolumne Sportsfroindin
Fitness
Fitnessstudio
Reden wir darüber
Kolumne Sportsfroindin
Kolumne Sportsfroindin
Kolumne Sportsfroindin
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neue Liebe zum Inlineskaten: Call me Blade-Queen
Unsere Autorin hat nochmal die alten Rollerblades rausgeholt. Erst ist das
öde, aber dann regelt der „Roller Skating Disco Mix“ alles.
Ein Versuch in Tuchakrobatik: Ein Sack Erde in eleganter L-Form
Unsere Autorin ist auf der Suche nach der geeigneten Sportart. Dieses Mal
hat es sie sich an ganz viel Stoff rangemacht.
Padel für Anfänger: Einmal Raubkatze sein
Padel ist wie das Airbnb unter den Sportarten: etwas zu fancy, etwas zu
teuer, aber man fühlt sich sofort so, als hätte man sein Leben im Griff.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.