| # taz.de -- Ein Versuch in Tuchakrobatik: Ein Sack Erde in eleganter L-Form | |
| > Unsere Autorin ist auf der Suche nach der geeigneten Sportart. Dieses Mal | |
| > hat es sie sich an ganz viel Stoff rangemacht. | |
| Bild: Tuchakrobatik als gehobene Kunstform: mit Stuhl und Kronleuchter | |
| Weiß nicht, ob ihr euch schon mal [1][Tuchakrobatik] reingezogen habt – das | |
| sieht aus, als würde da jemand – meistens Frauenkörper – einfach so durch | |
| die Luft schweben. Alles wirkt leicht und elegant, da drehen sich drahtige | |
| [2][Akrobat:innen in den Tüchern], machen Spagate, fallen fast in die | |
| Tiefe – aber eben nur fast, denn im letzten Moment hält das Tuch, weil es | |
| sich irgendwo kunstvoll um die Knöchel geschlungen hat. Und weil in Berlin | |
| [3][Studios] mit Namen wie „L’air“, „Sol’air“ oder einfach nur „L… | |
| gefühlt an jeder Ecke aus dem Boden sprießen, war klar, dass ich da | |
| irgendwann auch mal auf der Matte stehe. | |
| Jetzt besuche ich an einem Montagabend also eine dieser Hallen, die extra | |
| hohe Decken haben, damit man da vernünftig herunterfallen kann. Ich will | |
| auch zu Luft werden, fühle ich mich aber eher wie ein Sack nasser Erde. Und | |
| bevor es überhaupt an die Tücher geht, stehen wir erst mal auf dem Boden. | |
| Dehnen, kreisen, rollen, aufwärmen auf Yogamatten. Nach zehn Minuten bin | |
| ich schon komplett durchgeschwitzt und denke: Ich kann nicht mehr. Aber | |
| dann geht’s ja eigentlich erst los. | |
| Die Tücher sind in Pastellfarben gehalten und riechen leicht nach Fuß und | |
| Schweiß, aber fassen sich ansonsten ganz gut an. Für die erste Übung hängen | |
| wir etwa fünf Zentimeter über der Matte. Die Tücher um die Handgelenke | |
| geschlungen, bin ich etwas enttäuscht, ich hatte mir mich selbst im | |
| grazilen Spagat mindestens 3 Meter über den Boden vorgestellt. Gut, dafür | |
| muss ich heute allerdings erst mal lernen, wie man sich ordentlich | |
| hochzieht. | |
| Mit Körperspannung. In einer „L-Form“, sagt die Trainerin. Ich sehe in der | |
| Spiegelwand eher ein schlappriges Fragezeichen. Ich ziehe und zittere, mein | |
| Bein steckt irgendwo im Tuch fest, kurz ergreift mich die Panik, weil ich | |
| nicht sicher bin, ob ich da allein wieder rauskomme. | |
| Irgendwann erinnere ich mich dann aber an eine Bewegung aus dem | |
| Turnunterricht von früher in der Schule. Ich umklammere die Tücher, | |
| schwinge die Beine nach oben – ES GEHT! Und plötzlich hänge ich kopfüber, | |
| irgendwie in einer Form, die man vielleicht als T durchgehen lassen könnte. | |
| Es ist ein kurzer Moment, in dem ich nicht komplett versage, und das fühlt | |
| sich überraschend gut an. Danach ist die Stunde auch schon wieder vorbei, | |
| den Vorschlag der Trainerin, noch einmal selbst die gelernten Griffe und | |
| Tritte am Ende der Stunde zu probieren, schlage ich gern aus, denn nach der | |
| Übung muss ich mich erst einmal erholen, und mein Kopf ist feuerrot. | |
| Am nächsten Tag tut alles weh. Besonders der Bauch, die Brust und die | |
| Unterarme haben entschieden, sich an die Erfahrung zu erinnern. Ich denke: | |
| Das war’s doch wert, oder? Denn Sport macht man ja bekanntlich auch für den | |
| Muskelaufbau. Und dann lege ich mich für drei Tage ins Bett. Luft war ich | |
| nicht. Eher Erde. Aber ich verstehe jetzt, was den Reiz ausmacht. Dieser | |
| Sport ist ein bisschen wie eine sehr persönliche Verhandlung mit der | |
| Schwerkraft – und mit dem eigenen Ehrgeiz. Man will irgendwie nach oben. | |
| Wenn man die L-Form hinbekommt, fühlt man sich nicht mehr wie ein Loser, | |
| und es trainiert wirklich den ganzen Körper. Ganz vielleicht, aber auch nur | |
| vielleicht mache ich das ja noch mal. | |
| 14 May 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ann-Kathrin Leclere | |
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