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# taz.de -- Neue Liebe zum Inlineskaten: Call me Blade-Queen
> Unsere Autorin hat nochmal die alten Rollerblades rausgeholt. Erst ist
> das öde, aber dann regelt der „Roller Skating Disco Mix“ alles.
Bild: Früher Trendsport, mittlerweile beim Halbmarathon angekommen: Inlineskat…
Heute könnte ich behaupten, dass ich zu einem besseren Menschen geworden
bin. Zu einer disziplinierten Frühaufsteherin, die das Haus verlässt, um
[1][Frühsport] zu machen. Dass ich heute um 7.00 Uhr mit meinen
Rollerblades auf dem Tempelhofer Feld stehe, resultiert aber eher aus dem
üblichen Chaos. Erstens ist mir heute Nacht eingefallen, dass ich noch die
Sportkolumne schreiben und dafür überhaupt erst einmal Sport machen muss.
Zweitens habe ich gestern in einem Anflug von Organisationswahn ein paar
Mails beantwortet. Eine davon von [2][meinem Kickboxverein],
Beitragserhöhung wegen steigender Kosten. „Kann ich bitte kündigen, vielen
Dank“, habe ich zurückgeschrieben. Kurz fühlte sich das gut an, erledigt,
zack. 35 Euro im Monat mehr für andere Dinge. Also muss natürlich erst
einmal ein neuer, günstiger Sport her, aus schlechtem Gewissen und
überhaupt. Als ich vor ein paar Jahren nach Berlin gezogen bin, habe ich
meine uralten Inlineskates für das [3][Tempelhofer Feld] – einen alten
Flugplatz aus viel Beton – mitgenommen und natürlich nie benutzt. Wann
wäre also ein besserer Zeitpunkt dafür?
Damals, Anfang der 2000er, [4][war Inlineskaten ja ein richtiger
Trendsport] und ich mit Abstand die Coolste auf dem Schulhof mit meinem
überdimensionalen silberglänzendem Helm und ein paar Tricks auf Lager
(seitlich bremsen, Schlangenlinien, Achten usw.).
Heute ist der Hype nicht mehr so groß und ich bereits schlecht gelaunt,
bevor ich anfange. Auf dem Feld befindet sich so früh morgens nur ein
anderer Inlineskater. Dafür sieht der aus wie aus dem Bilderbuch:
knallroter Helm, passende rote Skates, Schützer an allen Gelenken und ein
T-Shirt mit der Aufschrift: „Pretty domesticated for a rockstar“. Er stützt
die Hände in die Hüften und schaut mich skeptisch an.
Ich starte los. Mir ist langweilig. Es geht viel zu schwer. Meine schwachen
Erinnerungen bestätigen sich nicht, denn Kurven kann ich irgendwie keine
mehr fahren. Und es ist mir ein Rätsel, wie es sich bei den vielen kleinen
tückischen Steinchen auf dem Boden je sicher angefühlt haben kann, mit den
Rollen drüberzufahren. An was ich mich jetzt klar erinnere, sind die
stechenden Schmerzen im Steißbein, wenn man wegen Übermut hintenübergekippt
und auf den Asphalt geknallt ist.
## Gedanken nicht abschalten
Die Blades klatschen auf den Boden, es hört sich fast die Kufen auf Eis an.
Was gab es eigentlich zuerst, Schlitt- oder Rollschuhe? Warum haben
Inlineskates meist vier Rollen? [5][Ist das eigentlich olympisch]? Warum
heißt es Rollerblade?
Meine Gedanken kann ich beim Bladen nicht abschalten, und dafür mache ich
doch eigentlich Sport. Musik muss also her. „Roller Skating Disco Mix“ wird
angemacht, und alles ist nicht mehr so schlimm. Besonders freue ich mich,
als mir ein passender Song einfällt: „Baby mit dir bladen“ drönt es von DJ
Schinkensuppe, während ich so langsam Gefallen am Rollen finde. Linkes
Bein, rechtes Bein, linkes Bein, swush swush. Eine Windböe auf dem Feld
treibt mich voran, ich überhole den domestizierten Rockstar und widerstehe
knapp dem Drang, ihm die Zunge rauszustrecken. Nach ein paar Bahnen reicht
es mir dann wieder.
Immerhin bin ich nicht hingefallen. Nächsten Monat bin ich mit
Freund*innen zur Rollerdisco angemeldet, auch kann ich mir auf einmal
vorstellen, Rollhockey auszuprobieren. Call me Blade-Queen.
13 Jun 2025
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## AUTOREN
Ann-Kathrin Leclere
## TAGS
Kolumne Sportsfroindin
Rollerskating
Tempelhofer Feld
Trendsport
Mode
Marathon
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