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# taz.de -- KI und Journalismus: Wir Überflüssigen?
> Springer hat einen neuen Plan für künstliche Intelligenz. Alle Gewerke
> sollen bei jedem Arbeitsschritt mit KI arbeiten. Was bringt das?
Bild: Nervensystem Druckerei: Dort werden Informationen weitergeleitet
Wetware ist teuer. Sie braucht nicht nur bei der Erstellung, sondern auch
im Erhalt täglich diverse Stoffe ebenso wie Umweltreize. Wetware kann in
Inhaltsleere nicht existieren. Sie braucht Jahre, bis sie sprechen, lesen,
schreiben kann und mit Zahlen haben es nur manche Modelle. Pro Einheit
Wetware müssen Betriebe ein ganzes Monatsgehalt hinblättern und
akzeptieren, dass Wetware lange Phasen der Erholung und damit Nichtarbeit
braucht. Ja, so ein Gehirn ist ganz schöner Luxus. Wohingegen [1][KI] aber
immer erschwinglicher wird. Ein Fest für Konzerne!
Der [2][Tagesspiegel ] und der Medieninsider haben nun darüber berichtet,
dass die sogenannte Premium-Gruppe von Springer, zu der Welt, Politico und
Business Insider gehören, einen neuen KI-Plan hat. Der beinhaltet, dass
alle Gewerke, also Redaktion wie Nicht-Redaktion bei jedem Arbeitsschritt
mit KI arbeiten sollen. Sie soll demnach Standard bei Recherchen werden und
bei der Ideenfindung, bei Präsentationen helfen ebenso wie bei der
Überprüfung von Texten, Papieren, Konzepten.
Was eine Ersparnis! Wie gut für alle, die mit Medien Geld verdienen wollen
und dabei nicht um ihre Jobs fürchten müssen. Vorerst zumindest. Und nicht
nur, weil Investor*innen positiv auf Buzzwords wie „KI“ reagieren.
Wer mit Journalismus Geld einnehmen oder zumindest nicht zu viel verlieren
will, muss Werbeplätze verkaufen und dafür braucht es Leser*innen. Um die
steht es auch bei Springer nicht gut, selbst wenn der Umsatz leicht steigt.
Die Auflage der Bild lag im zweiten Quartal 2025 nur knapp unter einer
Million – halb so viel wie noch 2017. Was also gefällt Leser*innen? Womit
bekommt man sie ran?
## KI als Sparringspartner
Der „Tagesschau“-Fan legt vermutlich weniger Wert auf eine linke
Berichterstattung und Einordnung als die taz-Leserin und die taz-Leserin
weniger Wert auf Hass als ein Bild-Abonnent. Der wiederum weniger Wert legt
auf eine gepflegte Ausdrucksweise als ein Politico-Jünger. Es ist
kompliziert. Deswegen sucht jedes Medienhaus seine eigene KI-Strategie. Bei
der Mediengruppe NOZ/mh:n wird etwa ein „KI-Buddy“ genutzt, der unter
anderem dabei helfen kann, Textelemente zu generieren oder gesprochene
Sprache zu transkribieren (bei nahezu allen Medien zum Glück Standard).
Die KI als Sparringspartner kann zum Vereinsamungstool werden: weniger Zeit
mit anderen Menschen, mehr Zeit im eigenen Kopf. Die
Sparringspartner*innen dieses Textes waren (neben ChatGPT) vor allem
Kolleg*innen unterschiedlicher Medienhäuser und unterschiedlicher
Gewerke, Social-Media-Redakteur*innen, Entwickler*innen neuer
Konzepte, Redakteur*innen, Künstler*innen. Alle haben einen anderen
Blick, entwickeln den Autoren weiter. Deswegen liefert dieser Text keine
Antwort.
Denn was menschlichen Gehirnen neben Berechnungen noch schwerfällt, ist die
einfache Lösung. Aber worin ist Wetware dann eigentlich gut? Die meisten
Gehirne können recht geschickt Menschen verstehen, Emotionen erkennen,
kleine Beobachtungen machen, ohne dass jemand sie dazu auffordert. Sie
können sich schnell und oft unbemerkt anpassen, deswegen hatten wir seit
unserer Entstehung verhältnismäßig viel Erfolg. In all dem übertrifft
Wetware die KI.
Wenn wir mit Menschen reden und kleine Zwischentöne wahrnehmen, finden wir
auch heraus, was Menschen von Medien wollen: Informationen und eine
Darstellung ihrer eigenen Lebenserfahrungen. Sie wollen sich
wiedererkennen. Das ist der Grund, warum viele Jugendliche nichts mit
Zeitungen anfangen können und viele Ältere nichts mit
News-Influencer*innen.
## Jährliche Gebetsmühle
Bild und Welt sind sehr gut darin, Lebenswelten so darzustellen, dass sich
viele Menschen darin wiedererkennen. Darin liegt die Springer-Macht. Dieses
Wiedererkennen beruht nicht nur auf Emotionen – oft negativen wie Wut oder
Angst – sondern ist auch wiederkehrend. Auch Klassiker der Literatur, der
Musik, der Kunst beruhen darauf. „Romeo und Julia“ behandelt die
Verzweiflung der ersten Liebe, die fast alle von uns tiefst erinnern
können. Die journalistische Wiederholung von Inhalten zeigt sich etwa in
der jährlichen Gebetsmühle von „Osterhase heißt jetzt Sitzhase“ und „D…
woke Kindergarten verbietet im Karneval Verkleidung XY“.
KI für derlei Themensuche einzusetzen, ist eine sehr gute Idee. KI stützt
sich auf schon existierende Inhalte und zerrt sie zur Wiedervorlage heraus.
Es wird ein Ringelreihen der Themen und Meinungen. Das bringt sicherlich
eine Zeit lang Klicks. Ist aber das Gegenteil von dem, was Journalismus
sein muss. Gewinnen werden nur diejenigen Medien und Parteien, die davon
profitieren, wenn eine Gesellschaft verdummt wird und ihren Horizont
verengt.
Es gibt sicher aber weniger fragwürdigen Einsatz von KI: Sie kann helfen,
Dienstpläne zu erstellen, sie kann Texte übersetzen, wenn das Unternehmen
kein Geld für Übersetzer*innen hat, sie kann helfen, die beste Zeit für
das Veröffentlichen von Social-Media-Posts zu erkennen. Am Ende steht mehr
Zeit für Recherche oder auch die aufwändige Gestaltung eben jener Posts.
Die Fähigkeit, die drögen Aufgaben zu bewerkstelligen, muss aber weiterhin
gegeben sein. Vor einigen Monaten brach für viele Menschen ihre
Liebesbeziehung zusammen: Sie hatten Partnerschaften mit KIs begonnen, die
aber ein Update erhielten. Zack, dein Freund ist weg. Was macht man dann?
Schokolade und weinen. Aber journalistisch ist das eher keine Option.
Je mehr wir uns von KI abhängig machen, weil wir zu viel auf sie setzen, zu
wenige Fähigkeiten selbst entwickeln oder pflegen, desto gefährlicher für
alle. Nicht nur, weil die KI plötzlich wegbrechen könnte.
Journalismus ist Teil des Kommunikationsprozesses innerhalb einer
Gesellschaft und ihrer politischen Meinungsbildung. Darf sich eine KI an
einem dieser Punkte einmischen? Darf sie Teil dieser Gesellschaft werden?
Die Frage wird oft in der Science-Fiction diskutiert, dort aber mithilfe
von humanoiden Robotern. Dort stellt sich meistens die Frage der Empathie.
Die ist aber nicht die richtige. Die richtige Frage wäre: Welche Firma
steht denn da auf der Unterseite des Fußes als Hersteller? Welches
Interesse könnte er haben, die Gesellschaft zu formen. Denn Medien sind,
ebenso wie Tech, Macht.
6 Sep 2025
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Kuenstliche-Intelligenz/!t5924174
[2] https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien-_-ki/artikel-nur-noch-mit-k…
## AUTOREN
Johannes Drosdowski
## TAGS
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
Journalismus
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