| # taz.de -- Künstliche Intelligenz in der Bildung: Bessere Schule dank KI | |
| > Viele Lehrkräfte sind skeptisch bei ChatGPT & Co im Unterricht. Dabei | |
| > können neue Programme, was Schule selten leistet: Schüler individuell | |
| > fördern. | |
| Bild: In den Ministerien und Lehrerzimmern müsste umgedacht werden | |
| Für die allermeisten Schüler:innen dürfte künstliche Intelligenz ein | |
| Segen sein: Die lästigen Hausaufgaben, die sie früher selber machen oder | |
| mühevoll abschreiben mussten, [1][spuckt ihnen ChatGPT & Co heute in | |
| Sekundenschnelle aus]. Kein Wunder, dass ein Großteil der Jugendlichen | |
| mittlerweile KI-Tools für schulische Zwecke einsetzt. Aktuell sind das in | |
| Deutschland – je nach Studie – zwischen zwei Drittel und drei Viertel der | |
| Schüler:innen. | |
| Diese Realität lässt eigentlich nur zwei Schlüsse zu. Erstens: Die Schulen | |
| müssen sich von unzeitgemäßen Lernmethoden wie Hausaufgaben verabschieden | |
| und beispielsweise stärker auf in den Unterricht integrierte Lernzeiten | |
| setzen. Solange die Ministerien hier nicht umdenken, wird immer wieder | |
| [2][das Schummelpotenzial gegen KI ins Feld geführt]. Und zweitens: Wenn KI | |
| bereits fester Bestandteil im Schulalltag der meisten Jugendlichen ist, | |
| muss sie in Schule auch geübt und kritisch begleitet werden. Hier gehen die | |
| Ministerien zwar mit. Doch leider ist [3][die Skepsis] ausgerechnet im | |
| Lehrerzimmer besonders hoch. | |
| Nach jüngsten Umfragen unter Lehrkräften nutzt mehr als die Hälfte KI nie | |
| oder seltener als einmal im Monat. Und die, die KI-Tools einsetzen, | |
| verwenden diese größtenteils für die eigene Arbeitserleichterung, für die | |
| Erstellung von Aufgaben und Tests oder bei der Unterrichtsplanung. Dort | |
| aber, wo KI auch wertvoll für die Schüler:innen wäre, wird sie bisher | |
| kaum eingesetzt. Etwa bei individualisierten Lernangeboten, Feedback für | |
| Text- oder Rechenaufgaben oder bei der systematischen Analyse von | |
| Lernverläufen. | |
| Wie gut die KI das teilweise schon kann, berichten Lehrkräfte an | |
| Pilotschulen, die bereits mit adaptiver Lernsoftware wie Area9 Rhapsode | |
| experimentieren. Also mit Programmen, die sich anhand der bearbeiteten | |
| Aufgaben merken, wer sich beispielsweise in Mathe schwertut. Die | |
| Folgeaufgaben passt die KI dann im Einklang mit dem Lehrplan für jede:n | |
| Schüler:in so an, dass alle an ihren jeweiligen Schwächen arbeiten. Eine | |
| so individuelle Förderung können nur wenige Lehrkräfte im vollen | |
| Schulalltag leisten: Dafür sind die Klassen zu groß und die Aufgaben neben | |
| der pädagogischen Arbeit für Lehrer:innen zu zahlreich. | |
| ## Individuelles Feedback | |
| Ähnlich mau sieht es beim Thema Feedback aus, einer der zentralen Faktoren | |
| für gelingendes Lernen. Individuelles (und motivierendes) Feedback ist sehr | |
| zeitaufwendig. Häufig fehlt es ganz. In einer repräsentativen Umfrage unter | |
| Schüler:innen aus dem Jahr 2024 verneinten 37 Prozent der Befragten | |
| folgende Antwort: Unsere Lehrer:in sagt mir, was ich schon kann und was | |
| ich noch lernen muss. Eine Leerstelle, die auch hier KI-basierte | |
| Tutorensysteme ausfüllen können. | |
| Tatsächlich haben Kieler Bildungsforscher:innen festgestellt, dass | |
| automatisierte Beurteilungen ähnlich gut und fair sind wie von erfahrenen | |
| Lehrkräften – wenn die Tools entsprechend sorgfältig auf diese Aufgabe | |
| vorbereitet werden. Das betrifft vor allem die leichte Manipulierbarkeit | |
| von KI: Lässt man zum Beispiel ChatGPT eine Arbeit von einer „sehr guten“ | |
| Schülerin bewerten, fällt die Bewertung besser aus, als wenn die gleiche | |
| Arbeit von einem „eher schlechten“ Schüler stammt. Solche Biases müssen | |
| natürlich ausgeschlossen werden. | |
| Eines der vielversprechenden Feedback-Programme – FelloFish – wurde von dem | |
| KI-affinen Deutschlehrer Hendrik Haverkamp mitentwickelt. Das Tool wird | |
| aktuell an 34 Schulen in Sachsen-Anhalt erprobt. Nach Angaben der | |
| Landesregierung wird es gut angenommen und daher in diesem Schuljahr | |
| ausgeweitet. Überhaupt tut sich in Sachen KI aktuell einiges: Mehrere | |
| Bundesländer stellen mit dem neuen Schuljahr erste datensichere | |
| Alternativen zu ChatGPT für Schulen zur Verfügung, etwa Bremen und Hessen | |
| mit dem Open-Source-Chatbot „telli“ – der auf Wunsch aller 16 Länder und | |
| mit Geldern aus dem Digitalpakt entwickelt wurde. Im Laufe des Schuljahres | |
| soll der Bot möglichst bundesweit verfügbar sein. Mit ihm können | |
| Schüler:innen Texte erstellen und Verständnisfragen klären. | |
| Inwieweit aber die vielen skeptischen Lehrkräfte die entstehende | |
| KI-Infrastruktur nutzen, darf bezweifelt werden. Das zeigen die Erfahrungen | |
| mit iPads und anderen Endgeräten, die im Zuge milliardenschwerer | |
| Investitionen in die Digitalisierung angeschafft wurden und jetzt auch | |
| nicht überall zu digitalgestützem Fachunterricht führen. Die Ministerien | |
| hoffen noch, dass die Lehrkräfte ihre KI-Berührungsängste ablegen, wenn die | |
| Tools erst mal da sind und alle Beteiligten wichtige Kompetenzen erlernen: | |
| Wie prompte ich richtig? Welchen Daten darf ich trauen? Wie lerne ich | |
| selbst dazu, wenn mir die KI die Arbeit weitgehend abnimmt? | |
| Die Ständige Wissenschaftliche Kommission, die die | |
| Bildungsminister:innen berät, empfiehlt, KI-Programme deshalb ab der | |
| achten Klasse systematisch in den Unterricht zu integrieren, etwa beim | |
| Einüben von Schreibprozessen. Noch besser wäre es, damit ab Klasse fünf zu | |
| starten. | |
| ## Es geht auch um Chancengleichheit | |
| Ein früher reflektierter Umgang mit KI-Tools wäre nicht nur pädagogisch | |
| sinnvoll, sondern auch für die Chancengleichheit wichtig. Schon heute | |
| stellen Bildungsforschende einen „digital divide“ zwischen | |
| privilegierten und benachteiligten Schüler:innen fest – und auch | |
| zwischen den Schulformen: Gymnasien sind bei digitalen Endgeräten im | |
| Schnitt besser ausgestattet, was die „digitale Kluft“ im Umgang mit | |
| entsprechenden Tools noch vertieft. Es ist der erste Schritt, wenn mehrere | |
| Bildungsminister:innen wie Bremens Senatorin Sascha Aulepp (SPD) | |
| öffentlich bekennen: KI kann unsere Schulen gerechter machen. | |
| Der zweite Schritt ist ungleich schwerer: Die vielerorts überlasteten | |
| Lehrkräfte zu motivieren, ihre Unterrichtsroutinen aufzubrechen. Vermutlich | |
| gelingt das erst dann flächendeckend, wenn das Personal an anderer Stelle | |
| massiv entlastet würde. Zum Beispiel in der Pflicht, von Schüler:innen | |
| ständig und in allen Fächern Noten einzuholen. Aber das ist eine eigene | |
| Debatte wert. | |
| 18 Sep 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ralf Pauli | |
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