# taz.de -- Koloniale Spuren in Berlin: Umbenennung der „Mohrenstraße“ dar… | |
> Oberverwaltungsgericht sticht Verwaltungsgericht: Im Berliner Zentrum | |
> darf der Begriff „Mohr“ am Samstag aus einem Straßennamen gestrichen | |
> werden. | |
Bild: Kulturkampf in Berlin-Mitte: Die Schilder für die Anton-Wilhelm-Amo-Stra… | |
Berlin afp/epd/taz | Die für diesen Samstag in Berlin-Mitte geplante | |
offizielle Umbenennung der „Mohrenstraße“ in Anton-Wilhelm-Amo-Straße darf | |
nun doch stattfinden. Auf die Beschwerde des Bezirks Mitte hin änderte das | |
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am späten Freitagabend eine | |
anderslautende Entscheidung der Vorinstanz vom Donnerstag und lehnte die | |
gegen die Umbenennung gerichtete Eilanträge ab. | |
Das Oberverwaltungsgericht betonte in seiner Entscheidung, dass bei der | |
gebotenen Abwägung der Interessen zu berücksichtigen sei, dass ein Erfolg | |
der Anwohnerklagen gegen die Umbenennung unwahrscheinlich sei. Hinzu komme, | |
dass die Antragsteller nicht in ihren Grundrechten eingeschränkt würden. | |
Die Beschlüsse sind unanfechtbar. | |
Mit der Entscheidung geht ein juristisches Tauziehen auf den letzten Metern | |
zu Ende. Denn nur zwei Tage zuvor hatte wiederum das Verwaltungsgericht | |
Berlin dem Eilantrag eines Anwohners gegen die geplante Umbenennung | |
stattgegeben. Zur Begründung hieß es dabei, es fehle an einem besonderen | |
öffentlichen Interesse für die sofortige Vollziehung des | |
Umbenennungsbeschlusses des Bezirksamts Mitte. | |
## Kolonialrassistischer Name | |
Auf Initiative des Bezirksparlaments hatte das Grünen-geführte Bezirksamt | |
bereits im April 2021 die [1][Tilgung des als rassistisch und | |
kolonialistisch verstandenen Begriffs „Mohr“] aus dem Straßennamen im | |
Zentrum Berlins beschlossen. „Mohr“ sei diskriminierend und schade „dem | |
Ansehen Berlins“. | |
Der geplante neue Name geht dagegen auf den um 1703 im heutigen Ghana in | |
Westafrika geborenen Anton Wilhelm Amo zurück, der als Kind nach | |
Deutschland verschleppt wurde. Er war hierzulande der erste bekannte | |
Philosoph und Rechtswissenschaftler afrikanischer Herkunft. | |
Gegen den Beschluss des Bezirksamts erhoben in der Vergangenheit mehrere | |
Anwohner der Straße jeweils Klage. Eine dieser Klagen wies das | |
Verwaltungsgericht Berlin ab, die anderen Klagen wurden im Einverständnis | |
aller Beteiligten „ruhend gestellt“. Im Fall der bereits verhandelten Klage | |
erklärte das Oberverwaltungsgericht die Umbenennung im Juli dann für | |
rechtskräftig. Daraufhin ordnete das Bezirksamt die sofortige Vollziehung | |
der entsprechenden Allgemeinverfügung an. | |
## Vorinstanz interessiert sich nicht für Gedenktage | |
Die ersten Straßenschilder mit dem neuen Namen Anton-Wilhelm-Amo-Straße | |
hängen dann auch längst. Ob sie am Samstagnachmittag [2][auch symbolisch | |
enthüllt werden durften,] stand seit Donnerstag aber auf der Kippe. | |
In besagtem Eilantrag gegen die Verfügung machte einer der nach wie vor | |
klagenden Anwohner geltend, dass die Umbenennung nicht vorgenommen werden | |
dürfe, bevor über seinen bislang ruhenden Fall entschieden sei. Das | |
Verwaltungsgericht gab ihm recht und erklärte, das Bezirksamt habe nicht | |
dargelegt, warum die Umbenennung so dringlich sei, dass sie an diesem | |
Samstag vollzogen werden müsse. | |
Dass der 23. August der [3][Internationale Tag zur Erinnerung an den | |
Sklavenhandel und seine Abschaffung] sei, stelle „keinen zwingenden Grund“ | |
dar, die Umbenennung „ausgerechnet an diesem Datum im Jahr 2025“ | |
durchzuführen. | |
Auch die vielfältigen Vorbereitungen für die geplante Umbenennung | |
begründeten keine besondere Dringlichkeit, da das Bezirksamt sie „sehenden | |
Auges selbst veranlasst“ habe, so das Verwaltungsgericht. | |
## Bezirk Mitte sollte Recht behalten | |
Noch am Freitag legte das Bezirksamt Mitte beim Oberverwaltungsgericht | |
Beschwerde ein gegen die Entscheidung. Wie das Bezirksamt mitteilte, bleibe | |
die Rechtslage zur geplanten Umbenennung der „Mohrenstraße“ eindeutig. Der | |
Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts sei rechtsfehlerhaft, sagte Mittes | |
Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne). Die Umbenennung könne | |
ihrer Überzeugung nach wie geplant am Samstag vollzogen werden. Remlinger | |
sollte recht behalten. | |
Auch die Organisatoren des für Samstag angekündigten „Antikolonialen | |
Amo-Fests“ auf dem Hausvogteiplatz am östlichen Ende der „Mohrenstraße“ | |
hatten von vornherein daran festgehalten, das Straßenfest stattfinden zu | |
lassen. | |
Trotzdem sei es „wirklich irritierend, wie eine kleine Gruppe von | |
Anwohnenden einen demokratisch legitimierten Prozess aufhält und einen | |
Perspektivwechsel bei Würdigungen im Berliner Straßenbild verhindert“, | |
sagte am Freitag Tahir Della, Vorstand des Vereins Decolonize Berlin und | |
der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland. Die Entscheidung des | |
Verwaltungsgerichts sei „ein Schlag ins Gesicht für alle Menschen, die | |
tagtäglich von Rassismus betroffen sind“. | |
Update: 23.8.2025, 9.15 Uhr | |
22 Aug 2025 | |
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## AUTOREN | |
Rainer Rutz | |
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