# taz.de -- M-Straßen-Debatte in Berlin: Der Furor der Ewiggestrigen | |
> Berlin soll ab Samstag einen Straßennamen weniger haben mit | |
> kolonial-rassistischem Bezug. Dass die Umbenennung kurzfristig gestoppt | |
> wurde, ist bitter. | |
Bild: Es gab vielfältige Protestformen gegen die M-Straße: 2020 wurde diese d… | |
Die Straßenschilder in der „Mohrenstraße“ in Berlin-Mitte waren schon | |
abgeklebt, ebenso der Schriftzug am gleichnamigen U-Bahnhof. Alles war für | |
das Fest am Samstag zur Umbenennung in [1][Anton-Wilhelm-Amo-Straße | |
vorbereitet]. Ein jahrzehntelanger Kampf der afrodiasporischen Community | |
und ihrer Unterstützer wäre zu Ende gegangen. Wenn nicht in letzter Minute | |
das Verwaltungsgericht Berlin am Freitag dem Eilantrag eines Klägers | |
stattgegeben [2][und die Umbenennung gestoppt hätte]. | |
So bitter die Entscheidung ist: Diese erneute Volte passt zur | |
Vorgeschichte. 30 Jahre währte die Debatte um die Frage, ob das Wort „Mohr“ | |
heute noch sag- und zumutbar ist, alle möglichen Argumente wurden | |
ausgetauscht. Doch noch immer gibt es Leute, die glauben, am | |
Althergebrachten festhalten zu müssen. Für die die Veränderung eines | |
Straßennamens ein Kulturkampf ist, den sie unbedingt gewinnen müssen, weil | |
sonst offenbar die Welt zusammenbricht. | |
Natürlich war klar, dass es Berlinerinnen und Berliner gibt, die nicht von | |
der Umbenennung überzeugt sind. In einem RBB-Beitrag kamen kürzlich mehrere | |
Anwohner zu Wort, die sich für den alten Namen aussprachen. Mit den | |
bekannten Argumenten: Die Umbenennung koste Geld, der alte Name sei bekannt | |
und die M-Straße ein Stück Berliner Geschichte. | |
Und natürlich: Das M-Wort sei ja zu seiner Zeit gar nicht abwertend oder | |
gar rassistisch gemeint gewesen. Mehrere Stimmen behaupteten gar, die | |
Entscheidung sei über die Köpfe der Bürger hinweg gefällt worden, sprich: | |
„Die da oben“ haben mal wieder woken Quatsch gemacht. | |
## Verharmlosende Vorstellungen | |
An alldem ist wenig bis nichts richtig. Die realen Kosten für Anwohner | |
dürften sich in engen Grenzen bewegen. Zwar stimmt es, dass der Name alt | |
ist, genauer: von 1706. Aber das kann kein Grund sein, [3][an dem | |
kolonial-rassistischen Begriff festzuhalten]. | |
Die „Mohren“, die dort untergebracht wurden, um bei Hofe zu musizieren, | |
waren verschleppte Sklaven – und die preußischen Herrscher aktiv in | |
Sklavenhandel und Ausbeutung involviert. Doch bis heute scheinen in der | |
Auseinandersetzung um den deutschen Kolonialismus, die hinter der | |
M-Straßen-Debatte mitschwang, solche verharmlosenden Vorstellungen durch. | |
Schließlich ist es auch nicht zutreffend, dass „die Politik“ hier | |
selbstherrlich entschieden habe. Der Bezirk hat die Bürger an vielen | |
Stellen einbezogen, nicht zuletzt bei der Frage nach einem neuen Namen. | |
Auch weil es nach dem Beschluss des Bezirksamts zur Umbenennung vor fünf | |
Jahren über 1.000 Einwendungen gab, hat sich die Umbenennung bis heute | |
hingezogen. | |
Erst kürzlich hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eine Klage | |
abgeschmettert und erklärt, dass hier keine „willkürliche“ Entscheidung | |
vorlag, sondern ein sachlicher Grund „mit dem Hinweis auf die negative | |
Konnotation, die auch mit dem Begriff Mohr verbunden ist“, wie ein | |
Gerichtssprecher erklärte. Dass dies in heutiger Zeit vielen nicht gefällt, | |
weil konservativ-rechter Furor gegen die offene plurale Gesellschaft gerade | |
Hochkonjunktur hat: Damit muss man wohl leben. | |
An der grundsätzlichen Richtung wird voraussichtlich auch die nun | |
revitalisierte Klage nichts ändern, sie schiebt den Prozess nur erneut auf. | |
Es wäre ein Treppenwitz der Geschichte, würden Jahrzehnte der Diskussion | |
wegen ewiggestriger Hinterwäldler in die Tonne getreten. | |
Update, 23.8.2025, 9.15 Uhr: Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg | |
hob am späten Freitagabend die vorangegangene Entscheidung des | |
Verwaltungsgerichts Berlin auf und lehnte die gegen die Umbenennung | |
gestellten Eilanträge wieder ab. Die Beschlüsse des OVG sind unanfechtbar. | |
Die Umbenennung kann an diesem Samstag wie geplant um 14 Uhr stattfinden. | |
22 Aug 2025 | |
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[1] /M-Strasse-wird-Amo-Strasse/!6104943 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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