| # taz.de -- Politisch aktive Schwarze in Hamburg: Unsichtbare, wohin man nur sc… | |
| > Josephine Akinyosoye und Johannes Tesfai erinnern in dem Buch „Sichtbar | |
| > werden“ daran, wie politisch aktiv Schwarze in Hamburg seit den 1980ern | |
| > sind. | |
| Bild: Frühe politische Organisierung: Afrikanische Geflüchtete wehren sich 19… | |
| Hamburg taz | Vor diesem Buch hat es keinen einzigen publizierten Nachruf | |
| auf Olajide Akinyosoye gegeben. Auch in der taz nicht. Das ist peinlich. | |
| Denn Akinyosoye war ja, 1938 im südwestlichen Nigeria geboren, mehr als 40 | |
| Jahre lang [1][politisch aktiv in Hamburg gewesen], als er 2017 starb. | |
| Er war als Ingenieur, Performer, Flüchtlingsbetreuer, Berufsschullehrer und | |
| aus strategischen Erwägungen heraus Ultralangzeitstudent, als Musiker und | |
| als Künstler eine bedeutende Figur der linken Bewegungen der Freien und | |
| Hansestadt. Aber eben eine, die von der verfassten Politik und den sie | |
| begleitenden Medien mit geübter Geste an den Rand gedrängt und dort | |
| [2][dann übersehen und vergessen werden konnte]. Und auch von denen, die | |
| sich für widerständig und kritisch halten. | |
| Damit ist er nicht allein. Das ist auch heute noch ein Muster, wie die | |
| weiße Dominanzgesellschaft Deutschlands mit Schwarzer Kultur und Politik | |
| umgeht, die gerade in den Stadtstaaten Hamburg und Bremen besondere Präsenz | |
| entfaltet hat. Das soeben erschienene Buch „Sichtbar werden“ lässt sich | |
| selbst als ein Protest gegen diese systemische Nichtwahrnehmung lesen, die | |
| es zugleich darstellt. | |
| Josephine Akinyosoye und Johannes Tesfai erzählen in dem Buch eine | |
| „Geschichte der Selbstorganisierung von Schwarzen linken | |
| Hamburger*innen aus Afrika“. Eben von der fehlen im Gedächtnis der | |
| Stadt fast alle Spuren: Während in den USA das Regime von Donald Trump | |
| deren Tilgung erst mühsam durchsetzen muss, sind sie hier durch | |
| Nichtwahrnehmung schon vorab aussortiert. Unter dieser Voraussetzung muss | |
| die Rekonstruktion lückenhaft bleiben. | |
| ## Privatarchiv als wichtigste Quelle | |
| Und subjektiv: Josephine ist Tochter von Olajide Akinyosoye. Klug | |
| thematisiert sie beim Schildern seines Lebenslaufs ihr Verhältnis zum | |
| Vater. Sie verschweigt nicht, wie ihr als Teenager seine Bühnenarbeit | |
| peinlich und die politische Dimension verborgen gewesen sei. Das ist | |
| wichtig. Akinyosoyes Privatarchiv ist die Hauptquelle des Buchs. | |
| Und neben Lincoln Marais, dem einstigen offiziellen Vertreter des ANC, der | |
| die Hamburger Proteste gegen das südafrikanische Apartheidsregime | |
| koordinierte und dabei Teile der staatstragenden SPD, DKP-Spießer, | |
| kirchliche Gruppen und Autonome zusammenbrachte, ist Akinyosoye Hauptfigur | |
| des Werks: Immerhin ist er Gründer der Afrikanischen Union Hamburg gewesen. | |
| Dieser – panafrikanisch ausgerichtete – Verein, der noch immer als aktiv im | |
| Register steht, entsteht 1985. Sehr schnell etabliert er sich als | |
| übergreifende Interessenvertretung. „Olajide Akinyosoye war der politische | |
| Sprecher und er kann sehr gut reden“, so erinnert sich der von den | |
| Autor*innen als Zeitzeuge befragte Patrick Agyemang an gemeinsame | |
| Aktionen der supranationalen Community. Agyemang hatte Anfang der 1990er | |
| den Dachverband „Sokoni“ gegründet, der längst erloschen ist. | |
| Die Aktivitäten der AUH reichten von der Hausaufgabenbetreuung auf | |
| Stadtteilebene über das landespolitische Lobbying, ausländerrechtliche | |
| Hilfestellung und die Organisation von Demos zu kulturellen | |
| Veranstaltungen. Als frustrierend hat Olajide Akinsoye die Kontaktversuche | |
| zu Hamburger Politiker*innen einmal in der taz geschildert: „Wenn wir | |
| sie einladen, glänzen sie durch Abwesenheit“, so sein Resümee. „Meistens | |
| haben sie kein Interesse.“ | |
| Überboten wird die Ignoranz der politischen Akteur*innen allerdings | |
| damals wie heute durch die der Medien. Besonders greifbar wird die, wo | |
| weiße zivilgesellschaftliche Akteur*innen und Regierung die Anliegen von | |
| Schwarzen oder migrantisierten Organisationen mittragen, sich mit ihnen | |
| verbündet haben – und dadurch umgehend selbst unsichtbar werden. | |
| Ein markantes Beispiel aus Bremen: das jährliche Gedenken an den Völkermord | |
| deutscher Truppen an Ovaherero und Nama. Das von ihr mitgeprägte Gedenken | |
| an den Völkermord an Ovaherero und Nama am Antikolonial-Mahnmal. | |
| Es ist, vom Bremer Afrika Netzwerk, vom Verein der Elefant und der | |
| Landeszentrale für politische Bildung organisiert, auch in diesem Jahr | |
| wieder die einzige Veranstaltung für die Opfer dieses ersten Völkermords | |
| des 20. Jahrhunderts gewesen. Die Landespolitik war dort hochrangig durch | |
| Vize-Bürgermeister Björn Fecker (Grüne) vertreten, der Präsident des Senats | |
| Andreas Bovenschulte (SPD) hatte selbstverständlich die Schirmherrschaft | |
| übernommen. | |
| Medial aber hat der Gedenkakt nicht stattgefunden. Dabei hat doch auch der | |
| Bundestag das Thema seit Juni mehrfach aufgegriffen – und die | |
| Bundesregierung die Forderung nach Entschädigung [3][erneut | |
| zurückgewiesen], mit der Begründung, das begangene Unrecht habe keine | |
| „internationale Verpflichtung“ verletzt. „Das Konzept der Wiedergutmachung | |
| ist daher im Zusammenhang mit der kolonialen Vergangenheit Deutschlands | |
| nicht anwendbar“, so das Auswärtige Amt. | |
| ## Selbstexotisierung als künstlerische Strategie | |
| Im Zentrum der Bremer Veranstaltung stand die Rede der Sängerin und | |
| Performerin Natascha Kitavi. „Ich bin eine Herero-Frau“, sagte sie. „Ich | |
| stehe hier als Nachkomme derer, die durchgehalten haben, und als Zeugin | |
| einer Geschichte, die im Innersten meines Volkes lebt.“ Beim Gedenken gehe | |
| es nicht bloß um einen Rückblick, sondern darum, „eine Brücke zwischen dem, | |
| was war, und dem, was sein kann“ zu bauen: Erinnern, so gesehen hat auch | |
| ein utopisches Potenzial. | |
| Das ist die Stärke des Buches von Josephine Akinyosoye und Johannes Tesfai. | |
| Zwar sind die beiden ganz entschieden zu nachsichtig mit den Medien: Es ist | |
| ja bemerkenswert, dass die von in der „Werkstatt 3“ in Altona jährlich | |
| veranstalteten Afrika-Kultur-Tage so gar kein Presseecho hatten. | |
| Und es ist kritikwürdig, dass die Rezensionen des Films „Hölle Hamburg“ v… | |
| Ted Gaier und Peter Ott 2011 zwar die Regie, die weiße Schauspielerin | |
| Martina Schiesser und ihr Spiel mit Schamanismus [4][thematisieren], aber | |
| kein einziger der Schwarzen Darsteller, die es beglaubigen: Akinysoyes | |
| künstlerische Strategie war die Selbstexotisierung. | |
| Dafür aber macht das Buch klar: Hier schlummert ein reiches lokales Erbe: | |
| Bewegungen, wie 2013 der selbstorganisierte Protest der | |
| Lampedusa-Geflüchteten, sind in Hamburg nicht ohne Vorgänger. Sie können | |
| auf ein gewachsenes Wissen der Community bauen, wie sich Rechte einfordern | |
| lassen, also: wie man sich sichtbar macht, wenigstens für einen Moment. Dem | |
| Dauer zu verleihen, also: die eigene Geschichte zu schreiben, ist ein | |
| Schritt dahin. | |
| 23 Aug 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Hilfe-nur-noch-ehrenamtlich/!722930&s=Olajide+Akinyosoye/ | |
| [2] /Jahrhundertleben-als-Schwarze-Deutsche/!6085907 | |
| [3] https://dserver.bundestag.de/btd/21/012/2101238.pdf | |
| [4] /Der-Weltgeist-schwimmt-im-Elbwasser/!852889&s=H%C3%B6lle+Hamburg/ | |
| ## AUTOREN | |
| Benno Schirrmeister | |
| Krischan Meyer | |
| ## TAGS | |
| Schwarze Deutsche | |
| Aktivismus | |
| Koloniales Erbe | |
| Schwerpunkt Völkermord an den Herero und Nama | |
| Initiative | |
| Schwerpunkt Kunst und Kolonialismus | |
| Hamburg | |
| Straßennamen | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Spiel gegen Kolonialismus: „Rassismus lässt sich nicht mit einem Videospiel … | |
| Im Spiel „Relooted“ planen Schwarze Raubzüge in westlichen Museen, um | |
| Artefakte zurückzustehlen. Entwickler Ben Myres über digitale Restitution. | |
| Aktivist Glaeser über Rassismus: „Es kommt immer wieder dieses „Ja, aber�… | |
| Auf dem Afrika-Festival in Hamburg-Altona spricht Kodjo Valentin Glaeser | |
| über strukturellen Rassismus und die Verantwortung weißer Menschen. | |
| Koloniale Spuren in Berlin: Umbenennung der „Mohrenstraße“ darf nun doch s… | |
| Oberverwaltungsgericht sticht Verwaltungsgericht: Im Berliner Zentrum darf | |
| der Begriff „Mohr“ am Samstag aus einem Straßennamen gestrichen werden. |