# taz.de -- Grüne Jugend-Sprecher über Aufrüstung: „Der fossile Kapitalism… | |
> Die Bedrohung der Gesellschaft gehe übers Militärische hinaus, sagt | |
> Grüne-Jugend-Sprecher Jakob Blasel. | |
Bild: Jakob Blasel auf dem Programmparteitag von Bündnis 90/Die Grünen, Ende … | |
taz: Herr Blasel, die Aufrüstung verursacht riesige CO2-Emissionen und | |
verschärft den Fachkräftemangel beim Klimaschutz. Muss die Klima- jetzt zur | |
Friedensbewegung werden? | |
Jakob Blasel: Wir brauchen keinen weiteren Grund dafür, Waffen und brutale | |
Kriege abzulehnen und zu beenden. Ich verstehe, dass in der Ukraine niemand | |
auf die Emissionen von Flugabwehrraketen schaut, wenn es darum geht, dass | |
ganze Dörfer im Winter nicht erfrieren oder Kindergärten vor russischen | |
Raketen geschützt werden. | |
Wenn es darum geht, Menschenleben zu schützen, dürfen wir das nicht mit | |
CO2-Emissionen abwägen. Es ist dennoch natürlich wichtig, dass die durch | |
Kriege entstandenen Emissionen nicht zum blinden Fleck werden. Dass die | |
Daten hier nur inkonsistent erfasst werden, ist eine Herausforderung für | |
den Klimaschutz. Ich glaube trotzdem, dass eine Friedensbewegung auch über | |
eine Debatte über Aufrüstung hinaus gucken muss, wie sie Kriege bekämpft. | |
taz: Was heißt das? | |
Blasel: Dass ein Staat wie Russland so ein Militär aufbauen konnte, liegt | |
ja daran, [1][dass wir über Jahrzehnte Milliarden an Russland gezahlt | |
haben], um unseren Gasverbrauch zu finanzieren. Kriege finden im Kontext | |
eines globalen Systems statt, in dem vor allem Oligarchen Profite damit | |
machen, fossile Energien zu verkaufen. Damit finanzieren sie ihre Kriege, | |
teilweise wurden diese überhaupt erst geführt, um weitere fossile Quellen | |
zu erschließen. | |
Deswegen würde ich andersherum argumentieren: Nicht die Kriege sind ein | |
Problem wegen der Emissionen, sondern der fossile Kapitalismus schürt | |
Kriege und deswegen ist es im Interesse aller Menschen, die Frieden und | |
Abrüstung wollen, den fossilen Kapitalismus und fossile Abhängigkeiten zu | |
bekämpfen. | |
taz: Mittelfristig glaubt die EU aber, gegen Russland aufrüsten zu müssen. | |
Eine Haltung dazu – für oder gegen Aufrüstung – ist dann schon wichtig. | |
Blasel: Ich bin für eine Welt, die abrüstet. Gleichzeitig verstehe ich, | |
warum wir uns ausrüsten müssen, um die Menschen in der Ukraine zu schützen | |
und uns vor der Bedrohung durch Putin zu verteidigen. Natürlich stellt sich | |
die Frage, wie wir es schaffen, dass [2][Rüstungskonzerne keine unendlichen | |
Profite mit diesen Kriegen machen]. | |
taz: Sie wollen Rheinmetall also verstaatlichen? | |
Blasel: Wir müssen einen Weg finden, dass die Rüstungskonzerne keine | |
Profite aus der aktuellen Situation schlagen. Das geht durch | |
Verstaatlichung oder eine funktionierende Übergewinnsteuer. Mittelfristig | |
ist die große Klimafrage aber, wie wir es schaffen, unabhängig von fossilen | |
Diktatoren zu werden und einen fossilen Kapitalismus als Ganzes zu | |
bekämpfen, fossile Abhängigkeiten zu beenden und damit auch Kriege. | |
taz: Muss auch die Rüstungsindustrie ihren eigenen CO2-Fußabdruck | |
verkleinern? Auch das mindert ja die fossile Abhängigkeit. | |
Blasel: Wir reden hier darüber, wie Häuser zerbombt und Existenzen zerstört | |
werden. Da finde ich es ein bisschen makaber, über die Elektrifizierung von | |
Militärfahrzeugen zu diskutieren. Das ist sicherlich etwas, das auf | |
Nato-Fachkongresse gehört. Wir aber müssen vor allem darüber sprechen, wie | |
wir ein System bekämpfen, das diese Kriege immer weiter anheizt. Und das | |
tun wir auch, indem wir Putin die Stirn bieten. | |
taz: Die Aufrüstung führt aber doch dazu, dass an anderer Stelle, auch beim | |
Klimaschutz, gekürzt wird. | |
Blasel: Es war ein Fehler, dass die Schuldenbremse nicht grundsätzlich | |
reformiert wurde. Denn es ist genau die Strategie der CDU, immer mehr Geld | |
für Rüstung auszugeben und auf dieser Grundlage den [3][Herbst der sozialen | |
Kürzungen] auszurufen. Die Bedrohung unserer Gesellschaft geht aber weit | |
über das Militärische hinaus, das muss sich auch in einem Haushalt | |
widerspiegeln. | |
taz: Was meinen Sie damit? | |
Blasel: Russland führt einen hybriden Krieg mit Desinformation, mit | |
Angriffen auf unseren sozialen Zusammenhalt. Die können nicht nur mit | |
Waffen und Soldaten abgewehrt werden. Außerdem ist es ein Fehler, die | |
Bedrohungslage nur als Angriff von außen zu betrachten. Wir sehen alle, wie | |
uns die Klimakrise unmittelbar bedroht, wie Tech-Oligarchen unseren | |
Zusammenhalt angreifen oder wie eine Vermögensverteilung, die immer weiter | |
auseinanderdriftet, die Demokratie bedroht. | |
Allein aufs Militär zu blicken, greift zu kurz. Gerade schaffen wir | |
beispielsweise neue, bedrohliche Abhängigkeiten. Nachdem wir Putin durch | |
Öl- und Gaseinkäufe finanziert haben, [4][wechseln wir jetzt zu den USA und | |
wollen für 750 Milliarden Euro dreckiges Gas von Milliardären kaufen], die | |
Trump überhaupt erst an die Macht gebracht haben. Dadurch verlagern wir das | |
Problem nur von Ost nach West. | |
30 Aug 2025 | |
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## AUTOREN | |
Jonas Waack | |
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