| # taz.de -- Wirtschaft im Nahen Osten: Türkische Stoffe, deutsche Vitamine | |
| > Mit der Aufhebung von Sanktionen öffnet sich Syrien für ausländische | |
| > Investor*innen. Profitiert die Bevölkerung davon? | |
| Bild: Eine Bäckerei in der Altstadt von Damaskus: Vor dem Fall des Regimes kos… | |
| Damaskus taz | Der sternförmige Brunnen im Innenhof ist ausgetrocknet, der | |
| Presseraum leer, hellblaue Fahnenmasten klappern im Wind. Auf dem Boden | |
| liegen Glasscherben, ein schwarzes Werbeplakat ist zu Weiß verblasst. Nur | |
| einige Rasensprenger spritzen Wasser im Kreis und lassen erahnen, dass hier | |
| auf dem Damaszener Messegelände tatsächlich etwas geschieht. Die Lamellen | |
| des Tors in Halle Nummer 10 sind hochgerollt. Es läuft Musik. Bei grellem | |
| Licht stehen Männer um Tische und betrachten Jeans, Handtücher und | |
| Samtstoff. Die türkische Textilmesse ist eine der ersten internationalen | |
| Ausstellungen in der syrischen Hauptstadt nach 14 Jahren Krieg. | |
| In der Halle fährt Mehmet Yanmaz mit den Händen über rechteckige | |
| Stoffproben, aufgereiht an Kleiderbügeln.„Diese hier sind für T-Shirts, | |
| sehr einfach“, präsentiert er sein Angebot. „Dann spezielle Färbungen wie | |
| Batik oder Stonewashed und Stoffe, mit verschiedenem Nähgarn: Bio, | |
| Polyester, recyceltes Garn. Und besondere Stoffe wie Plissee, Jacquard mit | |
| gewebtem Muster, folienbedruckter Stoff. Das ist wie bei Walmart, wir haben | |
| alles!“ Der 30-Jährige aus Izmir ist Export-Manager der türkischen Firma | |
| Bekos Textile. | |
| Warum ist Yanmaz aus der Türkei nach Syrien gekommen? Der Krieg hat die | |
| Wirtschaft des Landes laut Daten der Weltbank um rund 83 Prozent schrumpfen | |
| lassen. Von den 25 Millionen Menschen in Syrien leben rund 90 Prozent unter | |
| der UN-definierten Armutsgrenze von zwei Euro pro Tag. | |
| „Wir sind auf vielen Messen unterwegs. Die Organisatoren haben uns gefragt, | |
| ob wir nicht nach Syrien kommen wollen“, sagt Mehmet Yanmaz. „Vielleicht | |
| können wir hier einen Laden eröffnen oder sogar produzieren.“ In der Türkei | |
| liege der Mindestlohn bei 700 Euro brutto. In Syrien müssten die | |
| Arbeitgeber umgerechnet weniger als 150 Euro monatlich zahlen, hat er | |
| gehört. Viele Geflüchtete hätten in der Türkei gelernt, Textilien zu | |
| produzieren. Sie kämen nun nach Syrien zurück und könnten angeworben | |
| werden, sagt Yanmaz. | |
| [1][Die derzeitige syrische Regierung ist nicht gewählt]. Übergangschef | |
| Ahmed al-Scharaa hatte das Bündnis aus Milizen angeführt, die [2][das | |
| Regime von Baschar al-Assad Anfang Dezember 2024 gestürzt] hatten. Danach | |
| hatte er sich zum Übergangspräsidenten ernannt. Seine Miliz Hai’at Tahrir | |
| al-Scham (HTS) hat ihr nahestehende Personen als Übergangsminister | |
| eingesetzt und sich offiziell als Miliz aufgelöst. | |
| Die Übergangsregierung wirbt international um diplomatische Anerkennung, | |
| Hilfsgelder und Investitionen. Im Weg standen die Sanktionen. Syrien war | |
| international so stark sanktioniert wie kaum ein anderes Land. Das traf | |
| auch die Bevölkerung: Kreditkarten funktionierten nicht, Geflüchtete im | |
| Exil konnten über Banken kein Geld nach Hause schicken. Preise für Essen | |
| stiegen, Benzin oder Medikamente waren Mangelware. | |
| Ende Mai hat der EU-Rat bestätigt, [3][dass alle wirtschaftlichen | |
| Sanktionen gegen Syrien aufgehoben werden], Ende Juni folgte US-Machthaber | |
| Donald Trump. Damit kann wieder Geld über internationale Bankensysteme aus | |
| und nach Syrien fließen. Hilfsorganisationen sollen leichter Geld ins Land | |
| bekommen, der Wiederaufbau soll erleichtert und Investor*innen | |
| angelockt werden. | |
| Nach mehr als 50 Jahren Planwirtschaft und Korruption fährt die | |
| Übergangsregierung einen neoliberalen Kurs. Sie verspricht laufende | |
| Produktionsketten und neue Arbeitsplätze. Spürt das die Bevölkerung? | |
| Textilhändler Mehmet Yanmaz hat zumindest kein Problem damit, seine Ware | |
| loszuwerden. Die Syrer*innen seien etwas überstürzt beim Kauf, sagt er. | |
| „Sie beeilen sich, weil sie Angst haben: Vielleicht ist einen Monat später | |
| wieder etwas zerbombt, die Handelswege geschlossen, die Sanktionen zurück. | |
| Sie denken: Wir müssen jetzt sofort groß einkaufen! Sie wollen keine zwei, | |
| drei Wochen auf die Produkte warten.“ | |
| Neben Landwirtschaft und Erdöl ist die Textilindustrie ein Grundpfeiler der | |
| syrischen Wirtschaft. Mehr als 24.000 Textilbetriebe sind registriert, die | |
| Branche beschäftigt 30 Prozent der Bevölkerung.„Einst waren Städte wie | |
| Aleppo und Damaskus bedeutende Textilzentren“, heißt es im Ankündigungstext | |
| der Messe. „Heute, nach Jahren des Konflikts und mit dem Regimewechsel, | |
| entwickelt sich wieder ein vielversprechender Markt für Textilproduzenten.“ | |
| Ein paar Stände neben dem von Mehmet Yanmaz sucht Yaman Sheno nach | |
| Materialien für Sonnenkappen. Die 34-Jährige arbeitet als | |
| Abteilungsleiterin bei einem syrischen Unternehmen. „Bisher importieren wir | |
| Stoffe aus China.“ Auf der Messe suche sie nach neuen Optionen – preiswert, | |
| aber mit guter Qualität. „Jetzt können wir die neusten Trends aus dem | |
| Ausland importieren“, sagt sie. Materialien zu importieren sei unter dem | |
| Assad-Regime streng begrenzt gewesen. „Wir sollten lokal produzierte | |
| Textilien nehmen. Aber die Qualität war schlecht und die Preise hoch.“ | |
| Ausländische Stoffe seien nur über Schmuggel ins Land gekommen. Nach der | |
| Aufhebung der Sanktionen können sie legal importieren, auch Maschinen. | |
| Und: Die Zölle seien gesenkt worden. | |
| ## Jetzt dürfen sie in Syrien mit Dollar handeln | |
| „Während der Zeit der Sanktionen gab es Schwierigkeiten mit der Einfuhr von | |
| Rohstoffen, Wechselkursen und Banküberweisungen“, erzählt Imad al-Qabbani, | |
| Sekretär des Regionalbüros des Arabischen Verbands der Importeure und | |
| Exporteure. Er sitzt hinter einem dunklen Holzschreibtisch in seinem Büro | |
| in Damaskus und er bemüht sich sichtlich, zu zeigen, wie sehr ihn das Ende | |
| der Sanktionen freut. Eine wichtige Änderung sei die Möglichkeit, US-Dollar | |
| zu verwenden. Zuvor war der Dollarhandel verboten und Banküberweisungen | |
| wurden blockiert, sodass man auf Privatpersonen und „Handel unter der Hand“ | |
| angewiesen war, erzählt er. „Syrien kann nun direkt Swift-Überweisungen | |
| durchführen und ist damit nicht mehr auf Zwischenhändler in anderen | |
| Ländern wie dem Libanon oder Jordanien angewiesen.“ | |
| Die neue Regierung habe durch das Senken der Zölle die Preise für | |
| importierte Waren erheblich gesenkt. „Das kommt der syrischen Industrie | |
| zugute.“ Die syrische Lira sei um ein Drittel aufgewertet worden. | |
| Al-Qabbani rechnet sogar mit einer weiteren Aufwertung, bis Anfang 2026. Er | |
| prophezeit einen „bedeutenden wirtschaftlichen Durchbruch.“ Europäische, | |
| türkische und arabische Unternehmen seien „durstig nach dem syrischen | |
| Markt“, der Baumaterialien, Rohstoffe und Maschinen zum Wiederaufbau | |
| benötige. | |
| Trotz seines Optimismus sagt Qabbani, es brauche Zeit, bis sich die | |
| Wirtschaft erhole. „Über 40 Jahre alte Probleme lassen sich nicht in | |
| wenigen Tagen lösen.“ | |
| Durch den Krieg ist Infrastruktur zerstört, vor allem das Stromnetz. | |
| Ausbaupläne wurden wegen der Sanktionen nicht verfolgt. In Damaskus kommt | |
| der Strom alle vier, fünf Stunden für rund anderthalb Stunden – und das | |
| nicht zuverlässig. Die Weltbank versprach Ende Juni Finanzhilfen von 146 | |
| Millionen US-Dollar, um das Netz zu reparieren – das erste Weltbank-Projekt | |
| in Syrien seit fast vier Jahrzehnten. Jordanien, Katar und die Türkei | |
| wollen Strom liefern. Siemens möchte eines der größten Kraftwerke warten. | |
| Doch für Investitionen braucht es einen sicheren Geldfluss. | |
| Obwohl die Sanktionen aufgehoben sind, gibt es kaum Banktransfers. Die | |
| syrischen Banken, allem voran die zuvor sanktionierte Zentralbank, müssen | |
| ihre Technik modernisieren und Standards zur Bekämpfung von Geldwäsche | |
| umsetzen, um Vertrauen zu bekommen. Viele Banken, so auch die deutschen, | |
| führen keine Transaktionen nach Syrien durch. Sie fürchten Konsequenzen | |
| oder einen hohen Aufwand. | |
| Zwar gab es einen ersten Swift-Transfer am 14. Juni, zwischen einer | |
| italienischen und einer syrischen Bank. Aber der gelang nur, weil die | |
| italienische Regierung der Bank rückversicherte, dass der Transfer legal | |
| ist. Trumps Beschluss, alle wirtschaftlichen Sanktionen gegen Syrien | |
| aufzuheben, wurde nur per präsidialer Verordnung durchgeboxt – diese gilt | |
| 180 Tage. Erst wenn der Kongress zustimmt, sind Sanktionen langfristig | |
| aufgehoben. Weil die USA den internationalen Bankensektor dominieren, | |
| warten Banken ab. | |
| „Wir brauchen eine vollständige Aufhebung der Sanktionen, damit auch andere | |
| Wirtschaftsakteure nach Syrien zurückkehren und dort investieren können, | |
| nicht nur große Unternehmen mit staatlicher Unterstützung“, sagt Joseph | |
| Daher, ein schweizerisch-syrischer Politökonom. „Die meisten Unternehmen, | |
| die heute in Syrien investieren, sind Unternehmen mit Unterstützung | |
| bestimmter Staaten: Dubai Ports World, das 800 Millionen US-Dollar in den | |
| Hafen von Tartus investiert, gehört der herrschenden Klasse der Emirate von | |
| Dubai. Der französische Logistikkonzern CGCM, der einen 30-Jahres-Vertrag | |
| über den Betrieb und die Investition in den Hafen von Latakia unterzeichnet | |
| hat, wird vom französischen Präsident Emmanuel Macron und dem französischen | |
| Staat unterstützt. UCC Holding ist ein Konsortium von syrischen und | |
| katarischen Staatsbürgern mit Unterstützung Katars. Sie werden etwa 7 | |
| Milliarden Dollar in das Stromnetz investieren.“ | |
| Die neue Regierung begünstige neoliberale Politik. „Beispielsweise ist der | |
| Deal mit der katarischen UCC problematisch, da er dem Unternehmen die | |
| vollständige Kontrolle über die Stromerzeugung und -verteilung gibt. Das | |
| bedeutet, dass es den Preis bestimmen kann.“ Der Wiederaufbau käme | |
| bestimmten Schichten der Gesellschaft zugute, genau so hätte es auch das | |
| Assad-Regime getan, kritisiert Daher. „Es ist kein Bruch der | |
| wirtschaftlichen Dynamik. Eher eine Fortsetzung mit mehr Möglichkeiten und | |
| neuen politischen Akteuren. Gestern war es die Hegemonie von Russland und | |
| Iran. Heute sind es vor allem die Türkei und die Golfstaaten und | |
| möglicherweise auch westliche Unternehmen.“ | |
| Die Übergangsregierung unter Präsident Ahmad al-Scharaa setzt | |
| wirtschaftliche Anreize politisch ein. Konfessionell motivierte Gewalt wie | |
| die Massaker an der alawitisch geprägten Küste im März und die Massaker an | |
| den Drusen in der Stadt Suweida Mitte Juli, an denen auch Soldaten der | |
| neuen syrischen Armee beteiligt waren, lassen daran zweifeln, dass die | |
| Übergangsregierung Syrien stabilisieren kann. | |
| Nach den Massakern an der Küste schlug der französische Präsident Emmanel | |
| Macron strenge Töne an. „Frankreich verurteilt aufs Schärfste die | |
| Gräueltaten“, erklärte das Außenministerium Anfang März. Frankreich hatte | |
| zugesagt, die neuen Behörden zu unterstützen, aber nur als Teil eines | |
| „inklusiveren“ Syriens, das die Rechte von Minderheiten respektiere. | |
| Übergangspräsident Al-Scharaa löste die Situation so: Das Management des | |
| Hafens von Latakia ging an die französische Firma CGCM. Macron begrüßte | |
| al-Scharaa später freudestrahlend im Elyséepalast und verkündete, die | |
| europäischen Sanktionen graduell aufheben zu wollen. | |
| Auf einer Einkaufsstraße in Damaskus mit Läden und Straßenhändlern, die | |
| Kleidung, Socken und Hausschuhe anbieten, riecht es nach Popcorn. Zwei | |
| junge Frauen stehen vor einem Händler, der auf einem Tisch Lippenstifte und | |
| Cremes verkauft. Die beiden sind 23 und 26 Jahre und arbeiten für | |
| Pharmaunternehmen. Ihre Namen möchten sie nicht nennen, dafür reden sie | |
| offen über die wirtschaftliche Lage. | |
| „Wir spüren keine wirtschaftliche Veränderung“, sagt eine. „Wir sehen z… | |
| die Bemühungen der Regierung, die Preise zu senken. Wir merken davon aber | |
| nichts.“ Im Gegenteil, die Preise hätten sich sogar erhöht. Eine einfache | |
| Fahrt mit einem Minivan koste 3.000 syrische Lira, circa 30 Cent. Vor dem | |
| Fall des Regimes kostete eine Fahrt 1.000 Lira. Ein Laib Brot, der früher | |
| 500 kostete, koste jetzt 5.000. Eine Gasflasche koste jetzt 165.000, früher | |
| seien es nur 20 gewesen. Grund dafür sei der Wegfall der Subventionen des | |
| Assad-Regimes für Gas, Öl und Benzin | |
| ## Die syrische Führung senkt Steuern | |
| Die Gehälter seien nicht angepasst worden. Die beiden geben an, rund | |
| 500.000 Lira monatlich zu verdienen – circa 50 Euro. „Das reicht überhaupt | |
| nicht aus, nicht mal für eine Woche.“ Zwar sei versprochen worden, das | |
| Gehalt zu verdoppeln, doch bisher sei nichts passiert. Die Frauen fragen | |
| sich, wie die Menschen es schaffen, zu leben, und sagen, sie würden nur | |
| „Brot“ und „das Allernötigste“ kaufen. | |
| „Das einzige Positive nach der Aufhebung der Sanktionen ist, dass | |
| ausländische Produkte verfügbar wurden, und das billiger als zuvor“, sagt | |
| eine der beiden Frauen. Sie kaufen eine Tube Sonnencreme, wohl eine | |
| französische Marke. | |
| Die neue syrische Führung gibt die staatliche Kontrolle über die Wirtschaft | |
| auf und senkt die Steuern. Sie entlässt Angestellte im öffentlichen Sektor. | |
| Sie schafft Subventionen für Grundnahrungsmittel ab, um Staatsausgaben zu | |
| verringern. Diese neoliberale Wirtschaftspolitik signalisiert dem | |
| Internationalen Währungsfonds und der Weltbank, dass Syrien eine | |
| Austeritätspolitik fährt, um Finanzhilfen zu bekommen. Die | |
| Finanzinstitutionen fragen nach der Reduzierung von Staatsausgaben, um | |
| sicher zu gehen, dass Syrien nicht pleite geht und seine Schulden bedienen | |
| kann. | |
| In einer kleinen Apotheke in Damaskus steht Firas Najjar hinter einem | |
| Holztresen. „Im Vergleich zu der Zeit des Regimes gibt es viele Medikamente | |
| und Kosmetika“, sagt Najjar. Beispielsweise gäbe es Vitamin B6 oder B12 aus | |
| Deutschland. Manche Apotheken verkaufen Paracetamol aus Deutschland und | |
| Kohletabletten aus Österreich. | |
| Doch viele seiner Kund*innen könnten sich die Medizin nicht leisten, sagt | |
| der Apothekenleiter. „Die positiven Auswirkungen haben noch nicht zu einer | |
| verbesserten Kaufkraft geführt.“ Der staatliche Versicherungsschutz sei | |
| unverändert geblieben, die Krankenversicherung übernehme oft nur einen | |
| kleinen Teil. | |
| Er erlebe das selbst: „Trotz Studium und 20 Jahren Erfahrung als Apotheker | |
| wohne ich in einer Mietwohnung und habe kein Auto. Das Gehalt ist niedriger | |
| als das von Supermarktbesitzern.“ Trotz allmählicher Preiserhöhungen für | |
| Medikamente bliebe die Gewinnspanne im Vergleich zur „exorbitanten | |
| Inflation in allen anderen Sektoren“ gering. Die Einnahmen von Apotheken | |
| und folglich die Gehälter seien nach dem Umsturz „erheblich gesunken“, sagt | |
| Najjar. | |
| Mit der Aufhebung der Sanktionen werde ein großes Hindernis für den | |
| Wiederaufbauprozess beseitigt, sagt der schweizerisch-syrische Ökonom | |
| Joseph Daher. „Das bedeutet jedoch nicht, dass Syrien morgen einen | |
| wirtschaftlichen Aufschwung und einen Aufbauprozess erleben wird, von dem | |
| die Mehrheit der Bevölkerung profitiert.“ | |
| ## Wegen des Dollar wird die syrische Lira abgewertet | |
| Das neoliberale Wirtschaftsmodell basiere in der Regel auf ausländischen | |
| Direktinvestitionen, Handelsdynamiken und großen Luxusimmobilienprojekten, | |
| während strukturelle Wirtschaftsprobleme nicht angegangen würden. | |
| Die syrische Währung müsse noch stabilisiert werden, sagt Daher. Die | |
| Verwendung des US-Dollars sowie der türkischen Lira in den nördlichen | |
| Gebieten als Ersatz für die nationale Währung übt Druck auf die | |
| einheimische Währung aus: Diese wird abgewertet, weil der Wert der | |
| ausländischen Währung durch die erhöhte Nachfrage steigt. Das wiederum | |
| reduziert den Wert der Löhne in lokaler Währung, die Kaufkraft sinkt. | |
| Syrische Fachkräfte kehrten aufgrund der niedrigen Löhne nicht in großer | |
| Zahl zurück, erklärt Daher weiter. Der Mindestlohn liege nur bei 68 | |
| US-Dollar. „Die derzeitige Regierung berücksichtigt diese Probleme nicht | |
| nur nicht, sondern verschärft sie sogar noch.“ | |
| So wie Joseph Daher es sieht, könnte das Politikmanagement syrische | |
| Hersteller in eine tiefe Krise stürzen. „Die Produktionskosten sind in | |
| Syrien viel höher als in den meisten Nachbarländern. Strom ist teurer. Die | |
| Wirtschaft kann sich nicht erholen, wenn der produktive Sektor untergraben | |
| wird. Syrische Unternehmer wissen, dass sie mit türkischen Produkten nicht | |
| konkurrieren können“, sagt Daher. Das Exportvolumen türkischer Produkte, | |
| die in den ersten fünf Monaten des Jahres nach Syrien gebracht wurden, sei | |
| über 40 Prozent höher als im Vorjahr. Daher findet: „Diese Form des | |
| Wachstums verschärft die sozioökonomische Ungerechtigkeit.“ | |
| ## Uniformierte töten Menschen in einem Krankenhaus | |
| Der Ökonom kritisiert auch eine „Zentralisierung und Monopolisierung der | |
| Macht durch die neuen, von HTS angeführten Behörden“. In Gewerkschaften | |
| oder Handelskammern habe es keine Wahlen gegeben, sagt Daher. „Die gesamte | |
| Führung wurde durch die Regierung ersetzt.“ Die Machtkonsolidierung des | |
| HTS-Personals zeige sich auch bei den jüngsten Massakern in Suweida im | |
| Süden des Landes. | |
| In Suweida wurden Mitte Juli über 1.600 Menschen getötet, die Zahlen kommen | |
| von der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (Sohr). Zunächst | |
| kämpften sunnitische Beduinenstämme gegen Milizen der Drusen. Die neue | |
| nationale Armee griff ein – doch ihre islamistischen Kräfte haben selbst | |
| Massaker verübt. Mindestens 400 Menschen wurden von Mitgliedern des | |
| syrischen Verteidigungs- und Innenministeriums hingerichtet, so die | |
| Beobachtungsstelle. | |
| Ein jüngst veröffentlichtes Video einer Sicherheitskamera im | |
| Nationalkrankenhaus zeigt, wie zwei Männer in Militäruniform einen Mann in | |
| OP-Kittel erschießen. Dieser Mann, Mohammad Rafiq al-Bahass, war ein | |
| freiwilliger Helfer im Krankenhaus. Auf dem Video sind fünf Männer in | |
| Uniformen zu sehen, eine mit der Aufschrift „Innenministerium“. | |
| Laut Sohr waren die Bewaffneten Angehörige des syrischen Militärs und der | |
| internen „Sicherheitskräfte“. 20 Mitglieder des medizinischen Personals | |
| wurden laut Sohr hingerichtet. Noch immer blockieren Truppen der neuen | |
| Regierung die Hauptzufahrtsstraße nach Suweida, berichten Sohr und | |
| Bewohner*innen. | |
| Für September sind Wahlen angesetzt. Übergangspräsident al-Scharaa wird ein | |
| Drittel der Abgeordneten direkt bestimmen. Der Rest soll nicht von den | |
| Bürger*innen, sondern von einem ausgewählten Wahlkomitee gewählt werden. | |
| 15 Aug 2025 | |
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| Julia Neumann | |
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