| # taz.de -- Zukunft der Bildungsreisen: Der Frieden von morgen wird mit Urlaub … | |
| > Mehr Reisen, weniger Krieg, mehr Kreuzfahrtenschiffe, weniger | |
| > Kampfbomber. So sieht es der zeitreisende Freund unserer Kolumnistin. | |
| Bild: Der Touri-bomber als Friedenstaube | |
| Meine Kinder hüpfen aufgeregt durch die Wohnung, weil wir morgen [1][in den | |
| Urlaub fahren]. Eine Woche Adria, Halbpension mit Hotel direkt am Strand, | |
| zwei Pools, Kinderbetreuung und Cocktail-Flatrate – so stellen sich die | |
| Deutschen das Paradies vor. | |
| Mein zeitreisender Freund Felix aus dem Jahr 2125 schaut uns beim Packen zu | |
| und nuckelt an einem Pfirsich-Himbeer-Spritz aus der Dose, den ich beim | |
| Discounter im Summer Sale gekauft habe. | |
| „Bist du diesen Sommer wieder als Urlaubsverderber unterwegs?“, frage ich | |
| und quetsche das letzte T-Shirt in den Koffer. | |
| „Nein, dieses Jahr mache ich eine Grand Tour durch Europa.“ | |
| „Oh wow, so eine [2][richtige Bildungsreise] wie Goethe im 18. | |
| Jahrhundert?“ | |
| „So ähnlich. Damals konnten es sich ja nur Adlige oder reiche Bürger | |
| leisten, durch Europa zu reisen. Bei uns ist das eher die Norm als die | |
| Ausnahme. Unser Arbeitsleben funktioniert ja etwas anders als noch bei | |
| euch. Wir arbeiten nur 20 Stunden in der Woche, und unsere | |
| [3][Work-Life-Balance] ist stärker auf Gemeinschaft, soziales Engagement | |
| und Nachhaltigkeit ausgerichtet als auf Profit. Bullshit-Jobs, die nach | |
| monatelanger sinnloser Schufterei das Bedürfnis auslösen, zwei Wochen | |
| komasaufend in irgendeinem Strandhotel zu verbringen, gibt es nur noch | |
| wenige. Die meisten Leute möchten in ihrer Freizeit raus aus dem Alltag, | |
| etwas erleben, Erinnerungen schaffen, die das Leben bereichern. Bei uns | |
| boomen die internationalen Austauschurlaube und Grand Tours; liegt sicher | |
| auch daran, dass sie staatlich gefördert werden. | |
| „Wie? Der Staat zahlt deinen Urlaub?“ | |
| „Nicht der Staat. Ein UNO-Programm für Positive Peace. Nichts verursacht so | |
| hohe Kosten wie Rüstung, Krieg und Wiederaufbau. Deshalb ruft die UNO im | |
| Jahr 2034 ein umfassendes Programm für Völkerverständigung durch Reisen ins | |
| Leben. Allein 2024 haben Kriege weltweit mindestens 2.446 Dollar pro Person | |
| gekostet. Stell dir vor, du könntest für diese Summe jedes Jahr | |
| Bildungsreisen machen, die dich in unterschiedliche Regionen führen, in | |
| denen du Kunst, Kultur, Sprache, Land und Leute kennenlernst. Die | |
| Wahrscheinlichkeit, dass du diesen Menschen im Anschluss feindlich gesinnt | |
| bist und eine Partei unterstützt, die einen Militärschlag gegen ihr Land | |
| plant, sinkt dramatisch. Deshalb ist das UNO-Programm so aufgebaut, dass | |
| jedes Jahr ein Teil der ursprünglichen Rüstungsausgaben in ein | |
| Positive-Peace-Budget umgewandelt wird, mit dem die Menschen auf Reisen | |
| geschickt werden. Und während das Militärbudget sinkt, steigt das | |
| Positive-Peace-Budget um den gleichen Betrag. Mittlerweile sind wir bei 10 | |
| Prozent Rüstung und 90 Prozent Reisekosten angelangt, und der | |
| Global-Peace-Index ist so gut wie nie.“ | |
| „Klingt super. Aber was sagt die Rüstungslobby dazu? Krieg ist gut fürs | |
| Geschäft.“ | |
| „Synergieeffekte lauern dort, wo du sie nicht vermutest. Zu den größten | |
| [4][Rüstungsunternehmen] der Welt zählen zum Beispiel Boeing und Airbus. | |
| Und was produzieren die noch?“ | |
| „Flugzeuge?“ | |
| „Exakt. Die Unternehmen passen ihr Angebot natürlich an. Statt Kampfbomber | |
| und Schlachtschiffe gibt’s bloß noch Passagierflugzeuge und Kreuzfahrten – | |
| emissionsfrei natürlich. Außerdem Abenteuerreisen, Campingausrüstung, | |
| ortskundige Tourguides und eine unschlagbare Reise-Logistik: 2125 bietet | |
| niemand bessere Bildungsreisen an als Rheinmetall und Co.“ | |
| Theresa Hannig, 41, ist Science-Fiction-Autorin, Politikwissenschaftlerin, | |
| Grünen-Stadträtin und ehemalige Softwareentwicklerin. | |
| 25 Aug 2025 | |
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