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# taz.de -- Cultural Appreciation: Endlich wieder Fast Food essen können
> Der andere Körper als Erkenntnisraum. Was verraten eigentlich
> Bodyswitch-Filme über unsere Vorstellungen von Alter, Gender und Status?
Bild: Jamie Lee Curtis als Tess Coleman Lindsay Lohan als Anna Coleman in „Fr…
Eine der ersten Körpertauschstorys endet so tragisch wie spirituell: In der
Kurzgeschichte „Avatar“, 1856 geschrieben von Théophile Gautier, hilft ein
mysteriöser, „indisch“ ausgebildeter Quacksalber einem unglücklich
verliebten Mann durch eine kleine Seelenwanderung dabei, dessen Körper mit
dem des Ehemanns der Angebeteten zu tauschen.
Die Dame ist zunächst erstaunt, dass ihr Gatte ihr plötzlich – wie früher …
andauernd an die Wäsche will. Den sich im falschen Körper befindlichen
Ehemann dagegen freut das weniger, und er fordert ein Duell. Das führt zu
einem überzeugenden und sehr speziellen Dilemma, denn keiner der beiden
Männer möchte den Leib des anderen und damit seine alte Hülle verletzen. Am
Schluss kehrt die Seele des Ehemannes in den eigenen Körper zurück, und das
geläuterte Paar legt die „marital problems“ bei.
Die Seele des Nebenbuhlers jedoch ist derartig untröstlich, dass sie
beschließt, körperlos und ewig traurig zu bleiben. Bodyswitch ist ebenfalls
Thema in einer im Jahr 1929 erschienenen Pulp-Science-Fiction-Geschichte
des Fantasy-Autors Otis Adalbert Kline – er ließ seinen menschlichen Helden
mit einem Venusbewohner die Gestalt tauschen, was im Ende der Sklaverei und
in Frieden auf dem Abendstern, gar in einer glücklichen Ehe mit einer
netten Venusianerin mündet.
In Thorne Smiths Roman „Turnabout“ von 1931 tauschten (mithilfe einer
ägyptischen Skulptur namens Mr. Ram) endlich auch einmal ein Mann und eine
Frau – beide erfahren dabei einiges darüber, was wirklich im vermeintlich
einfacheren Leben des Gatten beziehungsweise der Gattin abgeht.
## Mary Rodgers war von „Turnabout“ beeinflusst
Die Autorin Mary Rodgers wurde nach eigenen Angaben von „Turnabout“
beeinflusst, als sie 1972 ihr Buch „Freaky Friday“ schrieb: Hier sind es
Mutter und Tochter, die durch den Bodyswap Verständnis für die Aufgaben,
Gefühle und Alltagswidrigkeiten der anderen lernen.
1976 wurde das Buch von der Walt Disney Company mit [1][Jodie Foster] als
Tomboy-Tochter und Barbara Harris als Big-Hair-Perücken tragende Mutter
verfilmt – die eine lernt, dass das bisschen Haushalt doch ganz schön
schwer ist; die andere wird beim Hockey von der ehrgeizigen gegnerischen
Mädchenmannschaft (im sportlichen Sinne) rasiert.
Inzwischen gibt es international an die 100 Filme mit ähnlichem Plot.
[2][Nisha Ganatras] aktuelle Filmkomödie „Freakier Friday“, die Disneys
dritte Rodgers-Adaption und die Fortsetzung des 2003 mit identischen
Hauptdarstellerinnen (Jamie Lee Curtis als Tess und Lindsey Lohan als Anna)
herausgekommenen „Freaky Friday“ darstellt, gehört also zu einer langen
Tradition. Dieses Mal tauschen gleich vier Menschen wild durcheinander, zur
Abwechslung mithilfe einer dilettantischen Wahrsagerin: Anna und ihre
Teenagetochter sowie Tess und die Teenagetochter von Annas Verlobten.
Die neueste Variante des „Try walking in my shoes“-Topos präsentiert
demnach viermal Erkenntnisgewinn, doppelt soviel [3][Gen-Z-Power] und jede
Menge kreischende Kommentare zu Frauenkörpern, von „Wie uralt ich aussehe!“
über „Wo ist mein Hintern hingerutscht!?“ bis hin zu „Mein Metabolismus …
so schnell, dass ich endlich wieder ohne Ende Fast Food essen kann!“
Auch „[4][Freakier Friday]“, dessen lustvoll-überkandideltes Spiel die
konventionelle Grundstruktur nur mäßig verdecken kann, regt zum Nachdenken
darüber an, mit wem man gern tauschen würde: Mit jemandem, der einem
nahesteht wie die Tochter oder die Mutter, um konkrete Konflikte besser zu
begreifen und zu lösen?
Mit einer Person eines anderen Geschlechts oder einer anderen Ethnie, um zu
erleben, wie es als Frau, als Mann, als Person of Color, als Weiße:rin
dieser Welt ist? Mit einer Venusianerin, weil das am abgefahrensten wäre?
Oder doch lieber mit einem Hund, oder gleich einem Wolf, weil Wölfe ein
sorgloses, freies, von animalischen Trieben gesteuertes Leben führen?
Klingt eigentlich alles spitze. Wichtig wäre nur, nicht mit einem
Problemwolf zu tauschen.
10 Aug 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Jenni Zylka
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