# taz.de -- Fußballerin Tuğba Tekkal: „Auf dem Platz fragt keiner, wo du he… | |
> Erst kickte Tuğba Tekkal heimlich auf dem Bolzplatz, später in der | |
> Bundesliga. Heute setzt sie sich mit Fußball für Mädchen ein. | |
Bild: „Ich bin die, die alle zusammenbringt. Ich bin das Herz“: Tuğba Tekk… | |
taz: Frau Tekkal, es ist [1][Fußball-Europameisterschaft der Frauen] – und | |
alle bekommen es mit. Hätten Sie sich das vorstellen können, als Sie selbst | |
noch Profi waren? | |
Tuğba Tekkal: Nein, aber natürlich haben wir uns das immer gewünscht. | |
Mittlerweile werden ja sogar die Spiele der Frauenbundesliga via | |
Streamingdienst übertragen. Das ist etwas, was ich aus meiner Zeit gar | |
nicht kenne. Ich habe neulich Videomaterial von mir gesucht und fast nichts | |
gefunden. Das finde ich sehr schade, weil ich gerne irgendwann mal meinen | |
Kindern gezeigt hätte, wie gut ich war. Umso besser, dass der Frauenfußball | |
jetzt die Wertschätzung bekommt, die er verdient. | |
taz: Gibt es Spielerinnen, mit denen Sie besonders mitfiebern? | |
Tekkal: Ich fiebere immer mit der deutschen Nationalmannschaft mit, ich | |
kenne viele Spielerinnen persönlich. Laura Freigang, Nicole Anyomi, die | |
jetzt leider nicht dabei ist, und Sydney Lohmann. Das sind Spielerinnen, | |
die sagen, was sie denken. Haltung zeigen ist ja speziell im Frauenfußball | |
ein Ding. Dadurch, dass wir immer schon um Sichtbarkeit kämpfen mussten, | |
spielen oft Frauen, die gerne auch mal den Mund aufmachen. Das mag ich. | |
taz: Früher haben Sie in der Bundesliga gespielt, jetzt leiten Sie mit den | |
[2][Scoring Girls*] ein soziales Projekt, das Mädchen durch das | |
Fußballspielen stärken soll. Der Fußball ist in Ihrem Leben sehr präsent. | |
Tekkal: Für mich war Fußball immer viel mehr als nur Sport. Ein sich | |
Behaupten, ein einziger Kampf. Und mein Tor zur Freiheit. Ich habe über den | |
Fußballplatz Anerkennung bekommen und das Gefühl dazuzugehören. Dort bin | |
ich nicht gefragt worden, wo ich herkomme oder welche Religion ich habe. | |
Diese Fragen haben mich abseits des Platzes in meiner Jugend sehr geprägt. | |
taz: Weil Ihre Eltern aus der Osttürkei nach Deutschland geflohen sind? | |
Tekkal: Ja. Ich war Diskriminierung, Rassismus und Klassismus ausgesetzt. | |
Ich komme aus einer Großfamilie, wir waren elf Geschwister, meine Eltern | |
hatten wenig Geld. Wenn du so aufwächst, wird dir schnell suggeriert, dass | |
du nicht dazugehörst. | |
taz: Wie haben Sie das als Kind im Alltag mitbekommen? | |
Tekkal: Ich erinnere mich daran, wie ich mit meiner Mutter einkaufen war. | |
Sie konnte eine Frage auf Deutsch nicht beantworten, ist dann von der | |
anderen Person beleidigt worden. In dem Moment war ich wütend auf meine | |
Mutter: Warum kann sie denn jetzt keinen vernünftigen Satz zustande | |
bringen? Heute schäme ich mich dafür, dass ich mich damals geschämt habe. | |
Meine Eltern hatten es schließlich schwer, sie sind als politisch Verfolgte | |
hierher geflohen und haben immer für ein besseres Leben ihrer Kinder | |
gekämpft. | |
taz: Wie haben Sie die Schule erlebt? | |
Tekkal: Ich hatte Lehrer und Lehrerinnen, die mir gesagt haben, dass ich es | |
niemals zu etwas bringen würde. Manche Kinder aus meiner Klasse wollten | |
nichts mit mir zu tun haben, weil ich eben aus dieser Großfamilie kam, die | |
in ihren Augen „asozial“ war. Ich habe mich dann in mein Schneckenhaus | |
zurückgezogen. Ich habe mich auch gefragt, ob die anderen vielleicht Recht | |
haben damit, dass ich es niemals schaffen werde – vergiftete Glaubenssätze, | |
die mich noch bis vor ein paar Jahren geprägt haben. | |
taz: Aber beim Fußball war es anders? | |
Tekkal: Ich habe zwar erst mit 16 angefangen, im Verein zu spielen, aber | |
vorher natürlich schon auf dem Bolzplatz. Da dachte ich zum ersten Mal: | |
Wow, so fühlt sich das also an, dazuzugehören! Ich habe das | |
Selbstbewusstsein, das ich dort bekommen habe, auf meinen Alltag | |
übertragen. Gleichzeitig war es ein Kampf, denn meine Eltern haben mir als | |
10-Jährige verboten, weiter Fußball zu spielen. Sie wussten, dass ich damit | |
kein Geld verdienen kann, dass ich keine sichere Perspektive in diesem | |
Beruf haben würde. Außerdem kannten sie keine Fußballerinnen, schon gar | |
keine mit Zuwanderungsgeschichte. Es ging ihnen auch um traditionelle Werte | |
und Erwartungen: Was sollen die Leute denken, wenn du den ganzen Tag mit | |
Jungs auf dem Bolzplatz kickst? | |
taz: Trotzdem sind Sie beim Fußball geblieben. | |
Tekkal: Ja, meine Geschwister, vor allem meine Brüder, haben mich sehr | |
dabei unterstützt. Sie haben mich mit auf den Bolzplatz genommen und | |
gesagt: Tuğba spielt mit. Das war echt toll, denn die Jungs, mit denen sie | |
da abgehangen haben, waren eher gegenteiliger Meinung. Mein Bruder Tekin | |
war es dann später auch, der mich im Verein angemeldet hat. | |
taz: Ihre Eltern haben das nicht mitgekriegt? | |
Tekkal: Ich habe es lange vor ihnen verheimlicht, und das war wirklich | |
schlimm für mich. Endlich konnte ich mal etwas richtig gut, aber durfte | |
ihnen nichts davon erzählen. Ich war keine gute Schülerin. Deshalb hätte | |
ich meinen Eltern so gerne gezeigt: Hey, ihr könnt stolz auf mich sein! Ich | |
habe vielleicht nicht die besten Noten, aber ich kann richtig gut Fußball | |
spielen! | |
taz: Wie konnten Sie das Fußballspielen so lange geheim halten? | |
Tekkal: Ich habe meinen Eltern gesagt, ich würde Freundinnen treffen, wenn | |
ich zum Platz gegangen bin. Meine Brüder haben meine Sportklamotten unter | |
ihrer Wäsche versteckt. Wir dachten echt, unsere Mutter merkt das nicht. | |
Natürlich hat sie etwas gespürt, aber hat es ausgeblendet. Solange wir | |
nicht darüber geredet haben, war es für sie nicht real. Irgendwie hat es | |
funktioniert. | |
taz: Später ist es dann doch rausgekommen, oder? | |
Tekkal: Als ich dann schließlich im Verein gespielt habe, stand mein Name | |
montags regelmäßig in den Spielberichten vom Wochenende in der Zeitung. Ich | |
war so stolz: Mein Name zwischen den ganzen Namen der männlichen Spieler! | |
Da wusste ich, dass ich es meinen Eltern erzählen muss. Meine Geschwister | |
haben das für mich übernommen. In dem Moment ist mein Vater aus dem Raum | |
gegangen, kam mit einer Mappe zurück, in der er alle Zeitungsberichte der | |
letzten Monate gesammelt hatte. Die beiden hatten es längst gewusst, und | |
dann war es ausgesprochen. | |
taz: Wie war es, mit zehn Geschwistern aufzuwachsen? | |
Tekkal: Sehr laut, fröhlich, schön, wild und ohne Privatsphäre. In meiner | |
Kindheit haben wir in einer Vierzimmerwohnung in Hannover-Linden gewohnt. | |
Da gab es nie die Frage: Tuğba, was brauchst du? Sondern: Tuğba, was kannst | |
du für diese Gemeinschaft geben? Ich glaube, wir haben damals viele Skills | |
gelernt, für die man heute in Managementseminaren Tausende von Euro zahlt. | |
Nämlich zu verstehen, was wir einbringen müssen, damit das Konstrukt | |
Gemeinschaft funktioniert. Jeder hatte dabei eine Rolle. | |
taz: Welche war Ihre? | |
Tekkal: Heute sagen wir immer, ich bin das Herz. Die, die alle | |
zusammenbringt. Ich war immer die Schwester, mit der keiner ein Problem | |
hatte. Klar gab es mal Streitereien, aber ich konnte immer gut mit den | |
Jungs, den Mädchen und auch mit unseren Eltern. Ich konnte mich anpassen | |
und war sehr empathisch. Das war nicht immer gut, denn so habe ich meine | |
eigenen Bedürfnisse ziemlich oft beiseite geschoben. Ich musste dann später | |
im Leben lernen, mich auch mal zu behaupten, und dabei hat mir der Fußball | |
sehr geholfen. Auch auf dem Platz war ich irgendwie das Herz: Ich hatte die | |
10 auf dem Rücken, die Nummer der Spielmacherin. | |
taz: Haben Sie sich auch mal nach Ruhe gesehnt? | |
Tekkal: Klar, als Kind und Jugendliche habe ich mir oft mehr Ruhe und | |
Privatsphäre gewünscht. Trotzdem war es das schönste Aufwachsen, das ich | |
mir vorstellen kann. Wir haben viel Zeit miteinander verbracht. Großfamilie | |
– das waren ja nicht nur wir 13, sondern auch Cousins, Cousinen, Onkel und | |
Tanten. Es gab in der Nähe unserer Wohnung einen Park – Spiela Mala Isa | |
haben wir den genannt, Spielplatz vom Hause Isa. „Isa“ sind die Vorfahren | |
meiner Eltern. Wenn wir alle auf dieser Wiese gechillt haben, war das für | |
mich das Schönste auf der Welt. Wir haben gegrillt und unsere Nachbarn und | |
Freunde sind dazugekommen. Wir sind sehr multikulturell aufgewachsen, mit | |
Deutschen, Türken, Arabern, Russen, Italienern, Kroaten, Serben … In | |
Hannover-Linden waren alle da. Auch bei uns zu Hause war immer viel los. | |
taz: Sie hatten oft Besuch? | |
Tekkal: Mein Vater war politisch sehr aktiv und so gab es eigentlich keinen | |
Abend, an dem nicht irgendwelche Leute im Wohnzimmer saßen und über Politik | |
redeten. Oft haben auch Menschen bei uns übernachtet, die in Deutschland | |
Asyl beantragt haben. | |
taz: Wofür hat sich Ihr Vater engagiert? | |
Tekkal: Er hat für die Sichtbarkeit und Rechte von Jesiden gekämpft. Als | |
jesidische Kurden sind wir ja eine Minderheit in der Minderheit, die an | |
vielen Orten der Welt verfolgt wird. Das Engagement meines Vaters hat dazu | |
beigetragen, dass die Jesiden in Niedersachsen als politisch Verfolgte | |
anerkannt wurden und deshalb Recht auf Asyl in Deutschland haben. | |
taz: Sie selbst haben dann bald beim Hamburger SV Fußball gespielt, einem | |
der besten Vereine Deutschlands. Wie sind Sie Teil des Kaders geworden? | |
Tekkal: Ich habe mit meinem ersten Verein, dem TSV Havelse, in der | |
Regionalliga gespielt. Dort bin ich aufgefallen, habe gute Leistungen | |
gezeigt. Der HSV hat mich deshalb zu einem Probetraining eingeladen. Da | |
war ich 20, also schon vergleichsweise alt. Das Training lief gut, ich wäre | |
gerne direkt nach Hamburg gezogen. Meine Eltern waren aber strikt dagegen, | |
erst ein Jahr später konnte ich sie, wieder mithilfe meiner Geschwister, | |
überzeugen. | |
taz: Mit dem HSV haben Sie zunächst in der Zweiten Bundesliga gespielt, | |
später auch in der Ersten. Sind Ihre Eltern zu den Spielen gekommen? | |
Tekkal: Einmal sind sie gekommen. Und das war für mich das schönste Gefühl. | |
Da hat sich alles verbunden: die Leidenschaft für den Fußball und meine | |
Familie auf der Tribüne. Ich habe Autogrammkarten geschrieben, meine Eltern | |
standen ein paar Meter weiter. Sie haben ihren Frieden damit gemacht. | |
taz: Wie waren damals die Bedingungen im deutschen [3][Frauenfußball]? | |
Tekkal: In der Zweiten Liga habe ich etwa 175 Euro Aufwandsentschädigung im | |
Monat bekommen, in der Ersten war es nicht viel mehr. Ich hatte in Hannover | |
eine Ausbildung zur Fitnesskauffrau gemacht und arbeitete in Hamburg neben | |
dem Fußball in einem Fitnessstudio. Weil ich jeden Abend und manchmal | |
vormittags Training hatte, konnte ich nicht voll arbeiten. Ich habe am | |
Existenzminimum gelebt und konnte mir teils nur Nudeln ohne Soße leisten. | |
Ich habe mich viel geschämt. | |
taz: Frauenfußball als Leistungssport konnten sich eigentlich nur Frauen | |
mit finanziellen Rücklagen leisten? | |
Tekkal: Der Frauenfußball war und ist in gewisser Weise elitär. Auch Frauen | |
mit Zuwanderungsgeschichte wie ich sind dort unterrepräsentiert. Das liegt | |
auch am Auftreten der Vereine, die oft keine Kinder erreichen, deren Eltern | |
kein Deutsch sprechen. Ich selbst habe mich als Jugendliche lange nicht | |
angesprochen gefühlt, denn im Vereinssport gab es keine, die aussah wie | |
ich. Das zeigt, wie wichtig Vorbilder sind. Davon gibt es im deutschen | |
Frauenfußball immer noch zu wenig. Außerdem kostet ein Verein Geld. Dadurch | |
werden viele Kinder und Jugendliche ausgeschlossen. Ich weiß, wie sehr die | |
oft Ehrenamtlichen sich in den Breitensportvereinen einsetzen. Und trotzdem | |
fehlt oft eine strukturelle Offenheit, ein Reflektieren darüber, wie | |
wirklich alle Mädchen ihren Weg in den Sport finden können. | |
taz: Sie spielten professionell Fußball, aber engagierten sich ab 2015 auch | |
verstärkt politisch. Zusammen mit Ihren Schwestern haben Sie eine | |
Menschenrechtsorganisation gegründet, [4][Háwar.help]. | |
Tekkal: Das war nach dem [5][Völkermord an den Jesiden] im kurdischen Teil | |
des Iraks durch den sogenannten Islamischen Staat im August 2014. Meine | |
Schwester Düzen ist Journalistin, sie ist damals in das Kriegsgebiet | |
gereist und hat eine Dokumentation über den Genozid an den Jesiden | |
produziert. Damit sind wir durch Deutschland gezogen, um Aufmerksamkeit für | |
das Thema zu schaffen. Wir als Schwestern haben quasi den Staffelstab | |
unseres Vaters übernommen. Für mich persönlich war von Anfang an klar, dass | |
ich mich auf meine Art einbringen muss. | |
taz: Mit Fußball? | |
Tekkal: Genau. Ich habe damals beim 1. FC Köln gespielt. Mit meinen | |
Autogrammkarten bin ich in Geflüchtetenunterkünfte und Jugendzentren | |
gefahren und habe gesagt: Ich habe mittwochs trainingsfrei, wer hat Lust, | |
zusammen mit mir und anderen Mädchen zu kicken? Dabei habe ich nicht nur | |
jesidische Mädchen, sondern Mädchen mit jedem ethnischen Hintergrund | |
eingeladen. So ist das Projekt entstanden. Mittlerweile gibt es Scoring | |
Girls* in Köln, Berlin, München und auch Irak. Es geht nie nur um Fußball, | |
sondern immer um Zusammenhalt und Teilhabe. | |
taz: Sie haben auch vor Ort im Irak geholfen? | |
Tekkal: In einem irakischen Binnengeflüchteten-Camp haben wir ein | |
Frauenhaus gegründet, um Frauen und Kindern, die in IS-Gefangenschaft | |
lebten, eine neue Perspektive zu bieten. Die Mädchen können bei uns Fußball | |
spielen. Für die Frauen bieten wir Computer-, Näh- und | |
Alphabetisierungskurse an und haben einen Shop eröffnet, in dem sie ihre | |
Produkte verkaufen können. Wir haben Háwar.help nach dem Völkermord an den | |
Jesiden gegründet, arbeiten aber immer multiethnisch und multireligiös, | |
nicht nur im Irak, auch in Afghanistan und Iran. | |
taz: Wie kann Fußball [6][vom IS verfolgten] Mädchen helfen? | |
Tekkal: Zum Training im kurdischen Teil des Iraks kommen Mädchen, die | |
teilweise in den Camps geboren sind, Mädchen, die Suizidversuche hinter | |
sich haben. Viele haben einen Genozid überlebt, sind den Fängen des IS | |
entkommen. Das heißt, dass sie schwer traumatisiert sind, keinen Halt, | |
keine Heimat, keine Sicherheit haben. Viele von ihnen sagen, dass Fußball | |
wie Therapie für sie ist. Eine Mutter hat mir einmal gesagt: Seit sie | |
Fußball spielt, will meine Tochter wieder leben. Das ist das schönste | |
Kompliment, das man dem Fußball und dem Projekt machen kann. | |
taz: All das aufzubauen war sicher auch stressig. | |
Tekkal: Ich war ja eigentlich noch professionelle Spielerin beim 1. FC | |
Köln. Parallel habe ich all meine Energie und auch mein Geld in die | |
Menschenrechtsarbeit gesteckt. Ich habe die Mädchen abgeholt, sie zu | |
Behörden begleitet, bei Hausaufgaben geholfen und Trainingsklamotten für | |
sie gesammelt. Ich bin innerhalb einer Woche viermal zwischen Köln und | |
Berlin hin- und hergefahren, damit ich auch in Berlin Training geben kann. | |
Irgendwann war ich ausgebrannt. | |
taz: Sie haben zu wenig auf sich selbst geachtet? | |
Tekkal: Absolut. Persönliche Bedürfnisse haben gar keine Rolle gespielt. | |
Selbstfürsorge sowieso nicht. Meine Schwestern und ich haben uns nicht | |
erlaubt zu leben. Wir haben sehr viel gegeben. Das machen wir nach wie vor, | |
aber mittlerweile haben wir ein gesünderes Verhältnis dazu. | |
taz: Wie haben Sie das geschafft? | |
Tekkal: Mit viel Unterstützung. Wir haben Wege gefunden, unsere Arbeit mit | |
Scoring Girls* zu finanzieren, auch wenn wir nach wie vor auf Spenden | |
angewiesen sind. Nachdem ich das Projekt jahrelang alleine gestemmt hatte, | |
haben wir nun festangestellte Mitarbeitende. Außerdem haben wir | |
Supervision. Das brauchen wir, wir sind ja nicht nur Kolleginnen, sondern | |
auch Schwestern, das ist manchmal herausfordernd. Gleichzeitig helfen uns | |
gerade die Erfahrungen in der Großfamilie bei unserer Arbeit. | |
taz: Profifußballerin und gleichzeitig Menschenrechtsaktivistin – hat das | |
funktioniert? | |
Tekkal: Nicht wirklich. Beim 1. FC Köln haben wir vier Spielzeiten lang | |
versucht, in die Erste Liga aufzusteigen. In der Saison 2014/15 hat es dann | |
endlich geklappt. Das war eigentlich der schönste und erfolgreichste Moment | |
meiner fußballerischen Karriere. Wir hatten die gesamte Saison über kein | |
Spiel verloren, waren also ungeschlagen Meister. Ich bekomme jetzt noch | |
Gänsehaut, wenn ich darüber rede. Gleichzeitig ist in dieser Zeit der | |
Völkermord an den Jesiden verübt worden. Freud und Leid sind brutal | |
aufeinandergeprallt. Die Scoring Girls* waren auch mein Versuch, beides | |
miteinander zu verknüpfen. | |
taz: Haben Sie Ihre Profikarriere deshalb beendet? | |
Tekkal: Auch, aber nicht nur. Ich habe noch eine Saison in der Ersten Liga | |
gespielt, dann habe ich mich im Spiel am Knöchel verletzt. Ich hätte mich | |
zu hundert Prozent der Reha widmen müssen, das habe ich aber nicht gemacht, | |
weil ich viel Zeit in Háwar.help und die Scoring Girls* gesteckt habe. | |
Schließlich habe ich entschieden, meine Profikarriere zu beenden. Auch, | |
weil ich zu dem Zeitpunkt schon 32 war. Es war die richtige Entscheidung. | |
Fußball kann so unglaublich ermächtigend für Mädchen sein, mir persönlich | |
hat er so viele Türen geöffnet. Das ist ja auch meine Motivation: Ich | |
möchte, dass jedes Mädchen einmal dieses Gefühl von Zugehörigkeit hat. | |
Jedes Mädchen muss wissen, dass sie das Recht hat, selbstbestimmt und frei | |
durch das Leben zu gehen. | |
19 Jul 2025 | |
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Marie Gogoll | |
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