# taz.de -- US-Pleite bei Schwimm-WM: Die Konkurrenz richtig stark gemacht | |
> Bei der Weltmeisterschaft in Singapur schwimmen die einst so dominanten | |
> US-Männer nur noch hinterher. Bei den Frauen sieht es ein wenig besser | |
> aus. | |
Bild: Krauler Bobby Finke ist einer der wenigen erfolgreichen US-Schwimmer | |
Es ging gewiss ein Aufatmen durch die US-Delegation auf der Tribüne des | |
Schwimmstadions von Singapur, als Gretchen Walsh am zweiten Finalabend der | |
Weltmeisterschaften mit deutlichem Vorsprung als Erste über die 100 Meter | |
Schmetterling anschlug. Es war bereits die fünfte WM-Entscheidung und die | |
USA, traditionell die stärkste Schwimmnation der Welt, hatte erst eine | |
Einzelmedaille gewonnen. Gold hatte es bislang noch keines gegeben, die | |
Freistilstaffeln sowohl der Männer als auch der Frauen unterlagen dem | |
Erzrivalen Australien. | |
Bis zu Walshs Sieg war das amerikanische Team deutlich angespannt. Eine | |
Anspannung, die auch durch ihre Medaille noch lange nicht verflogen ist. | |
Die amerikanischen SchwimmerInnen, insbesondere die Männer, hatten bereits | |
bei den Spielen von Paris massiv enttäuscht. Erst am letzten Tag holte | |
Langstreckenkrauler Bobby Finke das erste Einzelgold. Hinzu kam nur noch | |
ein Staffelsieg. Zu seinen besten Zeiten hätte Michael Phelps ganz alleine | |
die USA vertreten können und hätte weitaus besser abgeschnitten. | |
Jetzt in Singapur wollten die amerikanischen Männer zeigen, dass sie immer | |
noch zu den Besten gehören. Doch der erste Abend war bereits ein Fehlstart. | |
In zwei Disziplinen, über 400 Meter Freistil und 100 Meter Rücken, war | |
überhaupt kein US-Schwimmer in den Endläufen vertreten, in den Semifinals | |
über 50 Meter Schmetterling kam ebenfalls kein Träger des Sternenbanners | |
weiter. Die Rückendisziplin hatten die Amerikaner seit den 70er Jahren | |
dominiert. | |
Die Lage verspricht im Lauf der Woche nicht deutlich besser zu werden. Es | |
gibt keine Disziplinen, in denen ein amerikanischer Mann klar favorisiert | |
ist, abgesehen vielleicht vom Krauler Finke. Und auch dieser hat starke | |
Konkurrenz, nicht zuletzt aus Deutschland. | |
## Ausnahmeschwimmerin Walsh | |
Die Frauen haben immerhin das Ausnahmetalent Gretchen Walsh, die während | |
der Kurzbahnsaison Weltrekorde wie Briefmarken sammelte, die | |
Rückenschwimmerin Regan Smith und die [1][unermüdliche Katie Ledecky]. | |
Favorisiert ist die überragende Kraulerin der vergangenen 15 Jahre jedoch | |
nur über 1.500 Meter. | |
In Fachkreisen zerbrach man sich schon nach Paris den Kopf darüber, warum | |
die USA, die seit Beginn der modernen Olympischen Spiele dreimal so viele | |
Medaillen gewonnen haben wie alle anderen Nationen, nicht mehr einsam vorne | |
wegschwimmen. [2][Der Größte aller Zeiten, Michael Phelps,] schüttelte nur | |
enttäuscht den Kopf und sagte, „ich hoffe, dass das bis L.A. besser wird.“ | |
Ein Grund, der für die Baisse der US-Schwimmer genannt wird, ist, dass die | |
größte Generation von US-Schwimmern mit Phelps und [3][Ryan Lochte], aber | |
auch etwa mit dem Rückenstar Ryan Murphy, allzu lange Zeit alles | |
überstrahlt habe. Bei den Spielen von Tokio überspielte noch der Erfolg des | |
Sprinters Caleb Dressel, dass es in der Nachfolgegeneration keine | |
Ausnahmeschwimmer mehr gibt. Nun wird offenbar, dass die jungen | |
US-Schwimmer zwar ganz ordentlich mitschwimmen, aber mitnichten mehr | |
überlegen sind. | |
Gleichzeitig hat der Rest der Welt deutlich aufgeholt – und das nicht | |
zuletzt mit amerikanischer Entwicklungshilfe. Ein zentraler Grund für die | |
jahrzehntelange Dominanz des US-Schwimmens war das College-Sport-System, | |
das es Athleten erlaubte, professionell zu trainieren und gleichzeitig ein | |
Studium zu absolvieren. Das hat sich herumgesprochen, und so schwimmen | |
immer mehr Talente aus aller Welt an amerikanischen Colleges. | |
Musterbeispiele sind der französische Superstar Léon Marchand und der Ungar | |
Hubert Kós, aber beispielsweise auch die Deutschen Anna Elendt und Rafael | |
Miroslaw. Und wenn sie zurück in ihre Länder gehen, bringen sie das | |
amerikanische Trainings-Knowhow mit. „Sie machen heute überall das, was wir | |
machen“, so Phelps. | |
Zugleich beklagen jedoch amerikanische Trainer ein Nachwuchsproblem. | |
Nachdem Phelps vor mehr als zehn Jahren unter jungen Amerikanern eine | |
Schwimm-Euphorie ausgelöst habe, so Chris Davis aus Atlanta, seien die | |
Zulaufzahlen junger Schwimmer wieder massiv eingebrochen. „Es wird immer | |
schwerer, Kindern und Eltern einen Sport zu vermitteln, bei dem man sechs | |
Stunden am Tag trainiert und nichts verdient.“ | |
Ein neuer amerikanischer Superstar würde da sicher helfen, ist aber bislang | |
nicht zu erkennen. Bobby Finke als monotoner Dauerschwimmer taugt dazu | |
nicht so recht. Aber vielleicht zeigt sich ja in Singapur noch ein junger | |
Amerikaner mit Talent und Charisma. Es sind ja noch ein paar Tage Zeit. | |
29 Jul 2025 | |
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## AUTOREN | |
Sebastian Moll | |
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