# taz.de -- Dopingvorwürfe bei Olympia: Der Verdacht schwimmt mit | |
> Am Beckenrand findet ein amerikanisch-russisches Scharmützel statt. In | |
> Russland werden derweil Geschütze gegen US-Sportler aufgefahren. | |
Bild: Gratulation mit Hintergedanken: Ryan Murphy muss anerkennen, dass Jewgeni… | |
Ryan Murphy war einer der Stars der Olympischen Spiele 2016 in Rio de | |
Janeiro. Natürlich stand der US-Amerikaner seinerzeit im Schatten von | |
Michael Phelps, der damals seine olympischen Goldmedaillen Nummer 19 bis 23 | |
gewonnen hatte. Und so hat kaum einer so recht registriert, dass Murphy im | |
Rückenschwimmen nicht zu schlagen war. | |
Fünf Jahre später ist das anders. Sowohl über 100 Meter als auch über 200 | |
Meter hat der Russe Jewgenij Rylow als Erster angeschlagen. Murphy kann | |
sich das nicht so recht erklären: „Ich habe etwa 15 Gedanken dazu, bei 13 | |
davon würde ich Ärger bekommen, wenn ich sie aussprechen würde“, sagt er. | |
Und: „Es ist das ganze Jahr über schon eine gewaltige Belastung für mich, | |
in ein Rennen zu gehen, das wahrscheinlich nicht sauber ist.“ | |
Bang! Das Thema Staatsdoping in Russland ist endlich auf der großen Bühne | |
der Spiele von Tokio angekommen. Murphy sagt zwar, er wolle niemandem etwas | |
unterstellen, doch sein Satz hätte eindeutiger nicht sein können. Der | |
US-Sportler ist mit seiner Vermutung in den sportmoralischen Ring | |
gestiegen. In russischen Sportmedien wurde der Satz dankbar aufgenommen. | |
Für das [1][Fachportal sports.ru] war klar: Murphy ist ein schlechter | |
Verlierer. | |
Und während Rylow sagte, was man eben sagt, wenn einem gerade jemand | |
zumindest indirekt Doping unterstellt hat: „Ich war immer für saubere | |
Wettbewerbe, ich werde dauernd getestet, ich erfülle immer alle Regularien. | |
Sauberer Sport ist meine Herzensangelegenheit.“ Die staatliche russische | |
Nachrichtenagentur Ria fragte beim Chef der Antidopingagentur Rusada nach: | |
„Wir haben den Sportler 2021 dreimal getestet“, sagte Michail Buchanow. | |
Außerdem sei Rylow im Testpool des internationalen Schwimmverbands Fina. | |
Die Rusada als Entlastungszeugen zu benennen, ist zumindest gewagt. Während | |
die nationalen Antidopingagenturen eigentlich die Aufgabe haben, | |
Athletinnen zu überführen, die gegen die geltenden Antidopingregeln | |
verstoßen haben, war die Rusada selbst lange Teil des Dopingsystems in | |
Russland. Noch immer wird sie von der Weltantidopingagentur Wada als nicht | |
koscher bewertet, auch weil ihr die Unabhängigkeit vom Staat fehlt. Die | |
langjährige Verweigerung der russischen Sportautoritäten, bei der | |
Aufklärung des großen Betrugssystems mitzuwirken, sowie die mangelnde | |
Bereitschaft, eine funktionierende Dopingkontroll- und Sanktionsstruktur | |
aufzubauen, haben dazu geführt, dass [2][russische Sportler in Tokio nicht | |
unter ihrer Landesflagge antreten dürfen]. | |
## Kaum sichtbare Strafe | |
Es sollte eine Strafe sein, ein für alle sichtbares Zeichen, dass Russland | |
eine Dopingnation war. Doch so richtig merkt das niemand, der die Spiele | |
verfolgt. Die Sportler laufen in Klamotten, die in den Landesfarben | |
gehalten sind, durch die Arenen. Das Länderkürzel RUS ist durch ROC ersetzt | |
worden, was für Russisches Olympisches Komitee steht. 32 Medaillen hatten | |
russische Sportlerinnen und Sportler bis Freitagnachmittag gewonnen. Sie | |
werden in der Heimat, wie das eben so üblich ist, gefeiert. Über Rylow ist | |
besonders laut in Russland gejubelt worden. Er holte das erste Schwimmgold | |
für sein Land seit 25 Jahren. Sportminister Oleg Matyzin bezeichnete Rylow | |
als „wahren olympischen Helden“. | |
Umso deutlicher fallen die Worte aus, die die russische Sportprominenz für | |
den geschlagenen Ryan Murphy übrig hat. „Amerikaner können nicht | |
verlieren“, meinte die in Sportpropagandafragen in Russland immer gerne | |
zitierte Eiskunstlauftrainerin Tatjana Tarasowa. Man solle doch bitte | |
darüber nachdenken, derartige Einlassungen zu bestrafen. | |
Das wird als harmlosen Beitrag im russisch-amerikanischen Sportkrieg | |
bezeichnen, wer am Mittwoch im russischen Staatsfernsehen die | |
[3][Infotalkshow „60 Minuten“] verfolgt hat. Dort wurde vor allem von der | |
Moderatorin Olga Skabejewa munter gegen die [4][US-Turnerin Simone Biles] | |
gehetzt. | |
Im Vergleich zu den russischen Turnerinnen, die weiblich seien und aussähen | |
wie normale Leute, sehe Simone Biles, „diese schwarze Frau“, wie „der | |
Teufel weiß was“ aus. Natürlich sei jedenfalls nichts an Biles. Als | |
olympischen Frieden wird man das kaum bezeichnen können. | |
30 Jul 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.sports.ru/aquatics/1099614999-aleksandr-zhukov-o-slovax-rajana-… | |
[2] /Russische-Reaktionen-auf-Doping-Strafe/!5646401 | |
[3] https://www.vesti.ru/video/2322075 | |
[4] /Athletinnen-mit-psychischen-Belastungen/!5787548 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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