# taz.de -- Russische Reaktionen auf Doping-Strafe: Nur Putin ist unschuldig | |
> Der WM- und Olympia-Bann ist das bestimmende Thema in der | |
> Sportberichterstattung. Auch in der Duma gibt es reichlich Doping. | |
Bild: Herausragender Boxer und nun Politiker: Nikolai Walujew will eigene Spiel… | |
Der immerwährende russische Dopingskandal macht auch vor dem Parlament, der | |
Staatsduma, nicht Halt. Deren Vizepräsident, Michail Degtjarew von der | |
Liberaldemokratischen Partei, hat am Montag unmissverständlich | |
festgestellt: „In der Duma ist kein Platz für Doper und Betrüger.“ Es wird | |
also allen Ernstes jetzt auch über gedopte Abgeordnete geredet. Dafür gibt | |
es gute Gründe. Immerhin sitzen 17 ehemalige Sportler in dem Parlament. | |
Einer von ihnen ist Artur Taymasow. Der hat dreimal Olympisches Gold im | |
Freistilringen gewonnen, 2004, 2008 und 2012. Nachdem 2017 in gelagerten | |
Dopingproben Taymasows Anabolika gefunden worden waren, musste er zwei | |
seiner Plaketten wieder abgeben. Bis Anfang dieser Woche wollte sich keiner | |
daran stören, dass der Mann aus Nordossetien, der seine Siege für | |
Usbekistan errungen hat, für die Putin-Partei Einiges Russland im Parlament | |
sitzt und als stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für | |
Körperkultur, Tourismus und Jugend noch an sportrelevanter Stelle arbeitet. | |
Doch seit die Welt-Anti-Dopingagentur Wada vor einer Woche wegen der | |
Manipulation von Daten aus dem Moskauer Analyselabor den russischen Sport | |
mit einem WM- und Olympiabann versehen hat, versucht beinahe jeder | |
politische Akteur sich mit einem mehr oder weniger originellen Statement | |
zum Thema interessant zu machen. | |
Da ist zum Beispiel Wjatscheslaw Fetisow. Der Eishockeyheros vergangener | |
Jahre, der für die Sowjetunion in den 80er Jahren zweimal Olympiasieger | |
geworden ist, sitzt ebenfalls für Einiges Russland in der Duma. 2002 hatte | |
ihn Wladimir Putin zum Leiter des Staatskomitees für Sport berufen. Er ist | |
Russlands Vertreter bei der Wada und gehörte zu den erfolgreichen | |
Werbefiguren für die Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014. Doch mit dem | |
großen Festival des Staatsdopings will Fetisow nichts zu tun gehabt haben. | |
Am Dienstag wandte er sich mit einer für russische Funktionärsverhältnisse | |
drastischen Meinung an die Öffentlichkeit. Witali Mutko ist an allem Unbill | |
schuld. Der war von 2008 bis 2016 Sportminister und ist heute | |
stellvertretender Regierungschef. | |
[1][Mutko] habe alle wichtigen Positionen neu besetzt, als er ins Amt | |
gekommen ist. Auch Fetisow verlor seinen Posten. „Und jetzt haben wir, was | |
wir haben“, meint der ehemalige Eishockeyspieler. Der Sport sei unter Mutko | |
durchhierarchisiert worden, der Staat habe die totale Kontrolle übernommen. | |
Ob dafür nicht auch Wladimir Putin Verantwortung trage, wurde Fetisow in | |
dem Interview, das auf dem russischen Sportportal [2][sports.ru] | |
veröffentlicht worden ist, dann noch gefragt. So weit geht die Kritik am | |
System dann doch nicht. „Was hat er damit zu tun?“, fragt Fetisow. „Er | |
versucht, die Situation, so gut es geht, zu korrigieren.“ | |
Fetisow, der 2008 um ein Haar Chef der Wada geworden wäre, gehört immerhin | |
nicht zu denen, die das Urteil gegen Russland als Akt einer russophoben | |
Politik bezeichnen. Derer sitzen in der Staatsduma jede Menge. Einer von | |
ihnen ist Nikolai Walujew. Der 2,13-Meter-Hüne war mal Weltmeister im | |
Schwergewichtsboxen. Er findet die Idee der Präsidentin des russischen | |
Föderationsrats, Walentina Matwijenko, alternative Spiele zu veranstalten, | |
ganz prima. | |
Nachdem es Witze gehagelt hatte, in denen sich die Menschen darüber | |
ausließen, wie jämmerlich sich ein Event, an dem außer Russland vielleicht | |
nur Nordkorea teilnähme, wohl machen würde, brachte Walujew ein Olympia der | |
Brics-Staaten ins Spiel – natürlich ohne vorher zu überlegen, ob man das | |
in Brasilien, China, Südafrika und Indien überhaupt will. | |
[3][Walujew] selbst hat übrigens auch eine Doping-Geschichte. Er soll als | |
Jugendlicher eine Art Versuchskaninchen für Wachstumshormone gewesen sein. | |
Mit 18 bereitete er sich in St. Petersburg auf eine Karriere als | |
Leichtathlet vor. Er war damals 1,65 Meter groß. Mit 20 war er dann ein | |
Riese und begann mit dem Boxen. | |
18 Dec 2019 | |
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[1] /Fussball-WM-in-Russland/!5473306 | |
[2] https://www.sports.ru/biathlon/1081436321.html | |
[3] /Vitali-Klitschko-gewinnt-Boxkampf/!5174448 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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ist so unfassbar, als wäre er für eine Netflix-Serie gescriptet. |