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# taz.de -- Antidoping-Sanktionen gegen Russland: „Antirussische Hysterie“
> Die Welt-Anti-Doping-Agentur verhängt einen vierjährigen Bann über
> Russland. In Moskau spricht man von einer Kampagne gegen das Land.
Bild: Verboten: die russische Fahne darf bei olympischen Sportveranstaltungen n…
Die Ankündigung des Protests kam prompt. Kaum hatte die
Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) am Montagmorgen bekannt gegeben, dass
russische Athleten weder bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio 2020
noch bei den Winterspielen in Peking 2022 unter ihrer Flagge teilnehmen
dürfen, meldeten sich aus Moskau schon empörte Stimmen. Zumal die Wada noch
weitere Sanktionen verhängte. Russland werde die Strafen beim
Internationalen Sportgerichtshof (Cas) in Lausanne anfechten, sagte etwa
der Parlamentsabgeordnete Dmitri Swischtschow vom Sportausschuss der
Staatsduma.
Protest einlegen gegen den Wada-Beschluss können Parlamentsmitglieder
jedoch nicht. Die russische Anti-Doping-Agentur (Rusada), die nun für vier
Jahre von der Wada gesperrt werden soll, kann das etwa innerhalb der
nächsten 21 Tage tun. Rusada-Chef Juri Ganus mag noch so sehr – [1][wie
zuletzt geschehen] – auf die Unabhängigkeit seiner Organisation pochen, die
ersten Reaktionen zeigten, dass die Entscheidung der Wada von Montag in
Russland längst als politische Angelegenheit verstanden wird.
In der Opferrolle sieht Russland auch Moskaus Regierungschef Dmitri
Medwedew. Er hat die Strafen der Wada gegen sein Land als „antirussische
Hysterie“ von chronischem Ausmaß kritisiert. Sie seien Teil einer gegen das
Land gerichteten Kampagne, sagte Medwedew der Agentur Interfax am Montag.
Außenminister Sergej Lawrow hatte bereits im Vorfeld angesichts der
drohenden Strafen gesagt: „Manche möchten Russland in eine
Verteidigungshaltung und Lage eines Beschuldigten drängen – in allem und
überall.“
Das Verhalten der Lenker des russischen Sports ist allerdings fraglos
dreist gewesen. Obwohl die Beweislage für systematisches Doping im Land
erdrückend war, zögerte man die von der Wada eingeforderte Übergabe einer
Datenbank aus den Jahren 2012 bis 2015 aus dem Dopinglabor in Moskau über
lange Zeit bis in den Januar 2019 hinaus. Festgestellt wurde von der Wada
im Abgleich mit einer Kopie der Datensätze, die sie 2017 von einem
Whistleblower erhielt, massive Manipulation. Die New York Times berichtete
von 15.325 gelöschten Dateien und Ordnern, von knapp 600 nachträglich
gefälschten Proben. Auf technische Probleme führte der russische
Sportminister Pawel Kolobkow die Diskrepanzen in den Labordaten zurück.
Rusada-Chef Ganus hat indes Manipulationen eingeräumt.
## Einschränkungen im Strafenkatalog
Das Exekutivkomitee der Wada ist nun in Lausanne den [2][Empfehlungen ihrer
Prüfkommission], die Ende November bereits öffentlich wurden, gefolgt.
Neben dem Olympia-Bann nationaler russischer Symbolik beinhaltet der
Strafenkatalog auch den Ausschluss von Teams unter russischer Fahne von
Weltmeisterschaften, die von Sportverbänden organisiert werden, die den
Wada-Code unterschrieben haben. Dazu zählt auch der Weltfußballverband.
Russland müsste also im Falle einer Qualifikation für die WM in Katar als
„neutrales Team“ antreten.
Außerdem darf Russland in den nächsten vier Jahren weder große Sportevents
ausrichten noch sich für welche bewerben. Bereits an das Land vergebene
Welttitelkämpfe sollen entzogen werden. Nach dem Entscheid müsste dem Land
die Rodel-WM im Februar 2020 in Sotschi, die für 2022 nach Russland
vergebene Volleyball-WM und die Kurzbahn-WM der Schwimmer in Kazan sowie
die Eishockey-WM 2023 in St. Petersburg entzogen werden. St. Petersburg
bleibt aber Gastgeber der Fußball-EM, auch weil die Uefa den Wada-Code
nicht unterschrieben hat.
Allerdings beinhaltet der drakonisch anmutende Strafenkatalog der Wada so
manche Einschränkungen. Jonathan Taylor, Leiter der Prüfkommission der
Wada, wies auf eine gewisse notwendige Flexibilität hin. Zeitliche und
rechtliche Probleme können dazu führen, dass etwa die bald anstehende
Rodel-WM doch in Russland stattfindet.
Zumal ein Einspruch vor dem Internationalen Sportgerichtshof die Ausführung
des Beschlüsse in die Länge ziehen könnte. Alfons Hörmann, der Präsident
des Deutschen Olympischen Sportbunds sagte: „Es bleibt die Befürchtung,
dass nun erhebliche juristische Auseinandersetzungen folgen werden, aber
dennoch ist dieser Weg alternativlos.“
Interessanterweise riet Rusada-Chef Juri Ganus vom Protest ab. Das sei
aussichtslos, urteilte er, es müsse stattdessen untersucht werden, wie es
zu den Manipulationen gekommen sei. Wie schon zuletzt forderte er den
russischen Präsidenten Wladimir Putin auf, sich darum zu kümmern. Ein wenig
wirkte das wie das Spiel „good guy, bad guy“. Dass Ganus mit dieser
Position sportpolitischen Einfluss in Russland hätte, glaubt wohl keiner.
9 Dec 2019
## LINKS
[1] https://www.deutschlandfunk.de/doping-in-russland-chef-der-russischen-anti-…
[2] /Staatlich-gefoerdertes-Doping/!5640626
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Doping
Russland
Wada
Kolumne Russisch Brot
Sportpolitik
Kolumne Russisch Brot
Anti-Doping-Agentur
Wada
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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