Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Sportschwimmer in den USA: Wenn ehemalige Heroen Grabsteine ins Was…
> Die einst führende Schwimmnation USA leidet am fortschreitenden
> Untergang. Macht sie sich zu viele Sorgen?
Bild: Damals: Michael Phelps als Medailllengewinner. Olympia 2016
Es hat etwas Unappetitliches und Selbstgefälliges, wenn sich einstige
Sportgrößen darüber mokieren, dass ihre Nachfolger weniger großartig sind,
als sie es einst waren. Und so stieß es auch auf einigen Ärger unter den
derzeit Aktiven, als die ehemaligen US Star-Schwimmer Ryan Lochte und
[1][Michael Phelps] während der diesjährigen Weltmeisterschaften in den
sozialen Medien ein Requiem auf den US-Schwimmsport anstimmten. Lochte
erzeugte per KI einen Grabstein für das US-Schwimmen, Phelps hoffte
immerhin, dass der Auftritt der Amerikaner in Singapur keine Beerdigung,
sondern ein Schock gewesen sei, der das US-Schwimmen aufrüttelt.
Von außen betrachtet war die Kritik mehr als übertrieben hart. Immerhin
waren die USA wieder einmal die erfolgreichste Mannschaft der
Schwimmwettbewerbe mit 29 Medaillen insgesamt und neun Goldenen. Und das,
obwohl das US Team während ersten Wettbewerbstage noch mit einer schweren
Magen-Darm-Grippe zu kämpfen hatte. Der Verweis darauf, dass die USA nur
noch 44 Prozent der verfügbaren Medaillen gewonnen hatte und nicht mehr 57
Prozent wie bei den letzten Spielen, an denen Phelps und Lochte
teilgenommen hatten, schien da eher kleinlich.
So sagte die mehrfache [2][Goldmedaillengewinnerin Gretchen Walsh] auch:
„Ich glaube, sie verstehen aus der Distanz nicht wirklich, womit wir zu
kämpfen haben. Ich blende das einfach aus und konzentriere mich auf mich.“
Phelps merkte, dass er sich wohl mit dem Timing seiner Äußerungen und mit
dem Tonfall etwas vertan hatte, und ruderte sofort zurück. Er habe
mitnichten [3][an den derzeitigen Athleten] Kritik üben wollen, erklärte er
auf Instagram. Sie arbeiteten so hart, wie sie könnten, und seien nicht
weniger erfolgshungrig als er und seine Zeitgenossen es gewesen seien.
Seine ganz Kritik gelte der Führung des Schwimmverbandes und diese Kritik
liege ihm eben schon lange auf der Zunge.
Die USA stehen kurz bevor ihrer Heim-Olympiade, einer Gelegenheit, die sich
jeder Generation höchstens einmal bietet. Das Land dominiert seit Beginn
der modernen Spiele das Schwimmern, und selbst wenn die amerikanischen
Schwimmer noch immer gewinnen, entgleitet ihnen die gewohnte Dominanz.
Insbesondere die Männer haben es mit einer immer stärkeren Konkurrenz zu
tun, sie gewannen in Singapur wie schon in Paris nur ein einziges
Einzelgold. Und einen kompromisslosen Erfolgsmenschen wie Phelps, der sein
ganzes Leben um Dominanz in seinem Sport herum gebaut hat, schmerzt das
zutiefst.
## Offener Brief
Und nicht nur ihn. Bereits im Juni hatte eine ganze Gruppe ehemaliger
amerikanischer Olympiaschwimmer einen offenen Brief an den Verband
geschrieben und ihn zur Tat aufgefordert. Sie seien zutiefst frustriert von
der Lethargie und dem Mangel einer Vision des Verbandes. Die Tatsache, dass
die US-Spitzenschwimmer noch immer international vorne mithalten, so hieß
es, maskiere eine tiefe innere Fäulnis.
Sichtbarstes Symptom sei die Tatsache, dass der Verband seit einem Jahr
keinen neuen Geschäftsführer findet. Im Frühjahr dieses Jahres hatte man
mit der Erfolgstrainerin Chrissie Rawak zwar temporär jemanden gefunden,
jedoch leider übersehen, dass eine Untersuchung wegen sexuellen Missbrauchs
gegen sie anhängig ist. Sie zog sich nach neun Tagen im Amt wieder zurück.
Die Kernkritik formuliert der ehemalige Goldmedaillengewinner Mel Stewart
jedoch so: Die Verbandsoberen kassieren die üppigen Gelder vom IOC und
zahlen sie vor allem sich selbst aus. Athleten, inklusive Figuren wie
Phelps, fänden kein Gehör. Was sie wirklich brauchen, um Erfolg zu haben,
interessiert nicht. Die Clubs an der Basis, die Talente finden und fördern
sollen, bekommen keine Unterstützung. Ein Trainer aus Atlanta sagte dem
Fach-Portal Swimswam: „Ich würde Geld dafür bezahlen, dass der Verband mich
in Ruhe lässt.“ Der Phelps Boom, so die weitere Kritik, sei nicht genutzt
worden, der Sport sei dabei, in sich zusammenzufallen.
Sehen wir also ein langsames Siechen der USA als Weltmacht im Schwimmen?
Mit etwas distanzierterer Betrachtung muss man wohl sagen, wahrscheinlich
nicht. Der Sport ist noch immer immens populär, die Strukturen in den
Schulen und Clubs sind solide – gleich, was der Verband macht. Vielleicht
sind aber die Zeiten der totalen Dominanz vorbei. Talente wie Phelps,
Ledecky und Lochte wachsen nun einmal nicht auf den Bäumen. Für den
Zuschauer ist es ohnehin spannender, bei Olympischen Siegerehrungen nicht
immerzu den Star Spangled Banner zu hören. In Singapur waren rumänische,
tunesische oder schweizerische Siege jedenfalls überaus wohltuend.
19 Aug 2025
## LINKS
[1] https://www.magazin-forum.de/de/node/20707
[2] /Die-1-Sekunde-schneller/!6083602/
[3] /US-Pleite-bei-Schwimm-WM-/!6099546
## AUTOREN
Sebastian Moll
## TAGS
American Pie
Schwimm-WM
Schwimmen
Michael Phelps
Reden wir darüber
Social-Auswahl
American Pie
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
American Pie
## ARTIKEL ZUM THEMA
US-Pleite bei Schwimm-WM: Die Konkurrenz richtig stark gemacht
Bei der Weltmeisterschaft in Singapur schwimmen die einst so dominanten
US-Männer nur noch hinterher. Bei den Frauen sieht es ein wenig besser aus.
Vor der Schwimm-EM in Rom: Bald trinken sie Wodka
Im Schwimmbecken sind Florian Wellbrock und Michailo Romantschuk
Konkurrenten. Doch der Deutsche und der Ukrainer fühlen sich nicht so.
US-Schwimmerin bei den Paralympics: Das Wasser des Lebens
Jessica Long ist die erste paralympische Schwimmerin mit Starpotenzial in
den USA. Vor den Spielen in Tokio dreht sich alles um sie.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.