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# taz.de -- 12-Jährige bei Schwimm-WM: Soll man das bewundern?
> Die 12-jährige Chinesin Yu Zidi mischt die Schwimm-WM in Singapur auf.
> Doch einige warnen vor körperlichen und mentalen Folgen für das
> Wunderkind.
Bild: Schier unglaubliche Leistungen mit 12 Jahren: Yu Zidi
Die kleine Schwimmerin in dem weiten grauen Schwimmmantel wirkt, als habe
sie in ihrem Leben schon unzählige WM-Finals bestritten. Ohne erkennbare
Regung wartet Yu Zidi vor all den Konkurrentinnen, die zwischen 6 und 13
Jahre älter sind als sie, auf ihren Aufruf zum Endlauf über 200 Meter
Schmetterling [1][bei der Schwimm-WM in Singapur]. Als es so weit ist, geht
die 12-jährige Chinesin, die nicht mehr aussieht wie ein Kind, in ihren
dunkelgelben Turnschuhen hinaus in die Halle. Als Vierte schlägt sie am
Ende an. Eine Medaille hat Yu damit um 31 Hundertstelsekunden verpasst. Sie
gewinnt aber Bronze in der Freistilstaffel über 4 × 200 Meter, wo sie im
Vorlauf eingesetzt wurde. Damit ist sie die jüngste WM-Medaillenträgerin
aller Zeiten.
Beim ersten Versuch über 200 Meter Lagen hatten gleichfalls nur sechs
Hundertstel gefehlt – und da zuckten auch die Verantwortlichen bei
[2][World Aquatics] gewaltig zusammen. Laut Reglement des Weltverbandes
darf bei Olympia und an Weltmeisterschaften auf der Lang- und Kurzbahn
teilnehmen, wer im Jahr des Wettkampfs 14 Jahre alt ist oder noch wird.
Doch es gibt Ausnahmen, die Schwimmerinnen und Schwimmer müssen nur schnell
genug sein.
Yu Zidi ist flink. So flink, dass manch Konkurrentin schon mal wütend wird.
„Es kotzt mich an, von einem Mädchen geschlagen zu werden, das zehn Jahre
jünger ist als ich“, motzte die Französin Lilou Ressencourt, nachdem sie im
zweiten Halbfinale über 200 Meter Schmetterling fast drei Sekunden
langsamer gewesen war als Yu. Sie sei überrascht, wie schnell ihre
chinesische Widersacherin in diesen jungen Jahren schon ist, erklärte
Ressencourt noch. Außerdem gab sie zu bedenken: „Es ist nicht normal, mit
12 so einem Druck ausgesetzt zu sein.“
Auch im Weltverband zeigte man sich nun erstaunt über Yus Qualifikation für
Singapur. Mit dem eigenen Ansatz in Sachen Nachwuchsschutz sei man
zuversichtlich, erwähnte der geschäftsführende Direktor Brent Nowicki. Der
US-Amerikaner räumte jedoch ein: „Wir müssen in diesem Punkt vorsichtig
sein.“
## Teilnahme als „bedenklich“ bezeichnet
[3][Christian Hansmann] hatte Yus WM-Teilnahme zuvor als „bedenklich“
bezeichnet. Selbst Vater von Kindern in diesem Alter, nannte der
Sportdirektor des Deutschen Schwimm-Verbandes die 5.000 Zuschauer auf den
Tribünen, den Druck der Medien und der Trainer als belastende Faktoren.
Zudem warnte er vor körperlichen Folgen. „Yu hat schon sehr viele
Trainingskilometer in den Armen und Beinen. Und das mit 12, wenn sie voll
im Wachstum ist. Ich frage mich, was mit 18 oder 20 mit ihr ist“, mahnte
Hansmann. „Sie ist offensichtlich phänomenal talentiert“, sagt
US-Schwimmerin Alex Walsh, Silbermedaillengewinnerin über 200 Meter Lagen.
Die Wienerin Nina Dittrich-Durmus, zweifache Olympiateilnehmerin und in
Singapur zuletzt als Co-Kommentatorin für den ORF im Einsatz, hingegen
findet: „Man muss hinterfragen, wie man so jung schon so schnell sein
kann.“
Zumindest äußerlich zeigt sich das Mädchen in dem weiten grauen
Trainingsmantel von den aufgeregten Diskussionen um sie herum
unbeeindruckt. Sie sei kein Genie, betont Yu, das alles sei Ergebnis von
hartem Training. Bei den Titelkämpfen auf der Malaiischen Halbinsel wird Yu
noch einmal an den Start gehen. Am Sonntag, über 400 Meter Lagen. Es ist
die härteste aller Schwimmstrecken, den Weltrekord über diese Distanz hält
Summer McIntosh. Jene 18-jährige Kanadierin, die in Singapur gerade alles
in Grund und Boden schwimmt. Und die, als sie so alt war wie Yu, über 400
Meter Lagen 15 Sekunden langsamer war als ihre unglaubliche Konkurrentin
aus dem Reich der Mitte.
## „Im Sprintrennen nicht wettbewerbsfähig“
Ihr Programm für Singapur, die beiden Lagenstrecken und die anstrengendste
der drei Schmetterlingsdisziplinen, hat Yu dabei bewusst ausgewählt. „In
den Sprintrennen bin ich nicht wettbewerbsfähig“, berichtet die noch nicht
mal im Teenageralter angekommene Asiatin selbstkritisch.
„Mein Alter ist momentan ein Vorteil. Und ich hoffe, dass ich in Zukunft
wachsen und mehr Stärke entwickeln kann“, betont Yu Zidi – die aber nicht
nur kraftvolle, sondern auch nachdenklich stimmende Sätze formuliert. Ihr
Spitzname „Xiaohaijie“ – „das kleine große Mädchen“ –, den sie im…
bekommen hat, gefalle ihr sehr, sagt sie zum Beispiel. Doch: „Gleichzeitig
setzt er mich auch unter Druck. Ich habe Angst, schlecht abzuschneiden und
die Leute zu enttäuschen.“
1 Aug 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Andreas Morbach
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