# taz.de -- Urteil nach Polizeigewalt auf Alex-Wache: Bewährungsstrafe für eh… | |
> Ein Berliner Ex-Polizist ist verurteilt worden, weil er einen Mann mit | |
> der Faust bewusstlos geschlagen hatte. Die Mitangeklagten erhielten | |
> Freisprüche. | |
Bild: Im Mittelpunkt des Geschehens: Die Polizeiwache auf dem Alexanderplatz | |
Berlin taz | Im Prozess gegen vier Berliner Polizisten, die an der Wache am | |
Alexanderplatz [1][einen jungen Mann misshandelt haben sollen], hat das | |
Amtsgericht Tiergarten am Montag den Hauptangeklagten wegen | |
Körperverletzung im Amt und Nötigung zu 11 Monaten Haft auf Bewährung | |
verurteilt. Seine drei ehemaligen Kollegen wurden von allen Tatvorwürfen | |
freigesprochen. | |
Nach zwei Verhandlungstagen bestanden beim Gericht keine Zweifel, dass der | |
damalige Polizist Abdullah I. im Juli 2021 den zu dem Zeitpunkt 21-jährigen | |
Abdul M. vor der „[2][Alex-Wache]“ unvermittelt ins Gesicht geschlagen und | |
kurz darauf, als M. bereits am Boden lag, ihn mit weiteren Faustschlägen | |
gegen den Kopf traktiert hatte – wobei M. kurz das Bewusstsein verlor. | |
Der junge Mann hatte in jener Nacht wohl um Hilfe auf der Suche nach seinem | |
verlorenen Portemonnaie gebeten. Er war alkoholisiert, beleidigte den | |
Polizisten I., als dieser ihn wegschicken wollte – woraufhin I. zuschlug. | |
„Es war ein dynamisches Geschehen“, räumte der Vorsitzende Richter Julian | |
Oestreich in seiner Urteilsbegründung ein. | |
Gleichwohl: „Die Reaktion ist nicht gerechtfertigt. Was dann geschehen ist, | |
sind mehrere Faustschläge.“ Den drei weiteren Angeklagten hingegen sei kein | |
Vorwurf zu machen, so Oestreich. „Sie standen da, sie waren völlig | |
überrascht. Mit dem Angriff ihres Kollegen konnten und durften sie nicht | |
rechnen.“ | |
## Vorwürfe nicht mehr haltbar | |
Der Freispruch für die derzeit suspendierten Polizisten hatte sich | |
abgezeichnet. In der [3][Anklage] war ihnen gemeinschaftliche | |
Körperverletzung im Amt sowie Verfolgung Unschuldiger, Nötigung im Amt und | |
Freiheitsberaubung vorgeworfen worden. Denn sie hatten nach dem Vorfall | |
zunächst den Betroffenen gefesselt und mehrere Stunden festgehalten. Zudem | |
hatten sie Ermittlungen gegen M. eingeleitet – wegen tätlichen Angriffs auf | |
Vollstreckungsbeamte. | |
Jedoch förderte die Verhandlung vor Gericht zu Tage, dass Abdul M. | |
tatsächlich einen Gegenstand, mutmaßlich ein Feuerzeug, nach I. geworfen | |
und diesen im Gesicht leicht verletzt hatte. „Es war klar, es gab einen | |
Angriff“, sagte der Staatsanwalt am Montag in seinem Plädoyer. „Damit fäl… | |
dieser Tatvorwurf.“ Darüber hinaus hätten die drei Mitangeklagten Schritte | |
unternommen, um das Fehlverhalten ihres Kollegen zur Anzeige zu bringen. | |
## „Ein Armutszeugnis“ | |
Warum es anschließend mehr als zweieinhalb Jahre gedauert hat, bis Anklage | |
erhoben wurde, ist weiter unklar – ebenso wie die Frage, warum jene | |
Polizisten mitangeklagt wurden, die die Gewalttat hatten anzeigen wollen. | |
Richter Oestreich äußerte am Montag scharfe Selbstkritik: „Das ganze | |
Verfahren ist ein Armutszeugnis für uns als staatliche Institutionen.“ | |
In besonders schlechtem Licht steht nun der damalige Leiter der Alex-Wache, | |
Christian S. Der Polizist, der am Montag als Zeuge aussagte, hatte in der | |
Tatnacht nur eine sehr knappe Anzeige von Amts wegen gegen seinen Kollegen | |
Abdullah I. erstattet – wodurch wohl überhaupt erst der Eindruck entstehen | |
konnte, dass die drei am Montag Freigesprochenen versucht haben könnten, | |
die Gewalttat zu vertuschen und stattdessen den Betroffenen zu verfolgen. | |
## Auch der Betroffene sagt aus | |
Der Betroffene Abdul M. hatte am Montag ebenfalls als Zeuge ausgesagt. Der | |
heute 24-Jährige [4][kommt aus Afghanistan] und war laut eigenen Angaben | |
zum Tatzeitpunkt noch recht neu in Deutschland. „Seit vier Jahren frage ich | |
mich: Warum wurde ich so behandelt?“, sagte M. vor Gericht. „Ich habe | |
gedacht, das hier ist ein Staat, in dem Gerechtigkeit herrscht.“ Er habe | |
Respekt vor der Polizei gehabt, doch seit dem Vorfall sei es damit vorbei. | |
Seine Aussage war jedoch von vielen Erinnerungslücken und Widersprüchen | |
durchzogen. Laut Richter Oestreich konnte das Gericht aus den Schilderungen | |
des Betroffenen „nichts ziehen“. Die umfangreichen Ausführungen der drei | |
Mitangeklagten und weiterer Zeug*innen sowie das Videomaterial aus der | |
Tatnacht reichten dem Gericht allerdings ohnehin, um ein klares Bild von | |
dem Geschehen zu zeichnen. | |
Das Urteil gegen Abdullah I. ist noch nicht rechtskräftig – wie auch der | |
Schuldspruch gegen ihn, der in einem anderen Verfahren gefällt wurde. Darin | |
wurde er bereits zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, weil er gegen | |
Geld für eine international vernetzte Drogenbande Daten abgefragt und | |
gefälschte Dokumente erstellt hat. | |
14 Jul 2025 | |
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## AUTOREN | |
Hanno Fleckenstein | |
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