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# taz.de -- Bericht des Polizeibeauftragten: Mauern und Misstrauen
> Auf dem Tisch von Berlins Bürger- und Polizeibeauftragtem Oerke landen
> immer mehr Fälle. Doch es hakt bei der Zusammenarbeit mit Polizei und
> NGOs.
Bild: Nicht alle Betroffenen wenden sich an den Polizeibeauftragten: Festnahme …
Berlin taz | Es beginnt mit Cannabispflanzen auf der Fensterbank: Ein Mann
baut zu Hause Gras an, als das noch verboten ist. Eines Tages hämmert es an
der Tür – als er öffnet, stürmen vermummte Polizisten seine Wohnung und
fesseln ihn. Die Beamten werfen ihm schnell nicht mehr nur den Anbau von
Betäubungsmitteln vor, sondern auch Kindesmissbrauch. Zu Unrecht, stellt
sich bald heraus. Dennoch waren bereits seine Fingerabdrücke gespeichert
sowie Gegenstände und Kommunikationstechnik beschlagnahmt worden.
Der Mann beschwert sich später beim Berliner Bürger- und
Polizeibeauftragten Alexander Oerke über den seiner Meinung nach
unverhältnismäßigen Einsatz. Oerke stellt bei seiner Untersuchung einige
Mängel fest, etwa hatten die Polizisten nicht beim Fachkommissariat
angerufen, um den Verdacht auf ein Kinderschutzdelikt zu klären. Die Daten
des Mannes werden kurz darauf gelöscht; zudem leitet die Polizei
Ermittlungen wegen Körperverletzung im Amt ein.
Fälle wie diesen schildert Oerke im [1][aktuellen Jahresbericht] über seine
Tätigkeit als Bürger- und Polizeibeauftragter. Diesen Donnerstag stellt er
ihn im Plenum des Berliner Abgeordnetenhauses vor.
Seit 2022 sind [2][Oerke und sein Team] für Beschwerden zuständig, die sich
gegen die Polizei oder andere unter der Aufsicht des Landes stehende
Behörden richten. Im Jahr 2024 verzeichneten sie dabei mit 784 Fällen
erneut ein deutlich gestiegenes Aufkommen – ein Anstieg von 83 Prozent
[3][gegenüber dem Vorjahr].
## Mehr als 1.000 Fälle erwartet Oerke in diesem Jahr
Ein Großteil der Beschwerden, 562 Fälle, richtete sich an Oerke in seiner
Funktion als Bürgerbeauftragter – etwa bei Problemen auf dem Amt. 190
Beschwerden gingen an ihn als Polizeibeauftragter. Hinzu kamen 32
sogenannte Eingaben von Polizist*innen, denn Oerke ist auch Ansprechpartner
bei innerpolizeilichen Anliegen, wie etwa dem Arbeitsschutz.
Für das laufende Jahr rechnet Alexander Oerke mit einer vierstelligen Zahl
an Fällen. Angesichts dessen „dürfte die Existenzberechtigung des Bürger-
und Polizeibeauftragten nicht mehr in Frage zu stellen sein“, heißt es in
dem Bericht.
Behörden wie die Polizei, aber auch die Berliner CDU, hatten sich stets
skeptisch gegenüber der neuen Beschwerdestelle gezeigt und Oerke das Leben
schwer gemacht. Das sei nun besser, schreibt Oerke: Behörden hätten „ihr
ursprüngliches Misstrauen weitgehend abgelegt“ und „reagieren auf Anrufe
meiner Mitarbeitenden nicht mehr mit Unverständnis oder gar Ablehnung“.
Gut 20 Prozent der Beschwerden über die Polizei konnten Oerke und sein Team
durch informelle Beratungs- und Schlichtungsangebote klären. Rund ein
Viertel der Vorwürfe galten laut Bericht als „unberechtigt“. Und nur 14
Fälle, das sind 8 Prozent, wurden als berechtigt oder teilweise berechtigt
registriert.
## Es knirscht weiterhin zwischen Oerke und der Polizei
Dennoch knirscht es weiterhin deutlich vernehmbar zwischen Alexander Oerke
und der Polizei. In zwei Fällen hat der Polizeibeauftragte sogar Klage vor
dem Verwaltungsgericht Berlin erhoben. In beiden Verfahren geht es um die
Auskunftspflicht der Polizei gegenüber der Beschwerdestelle, unter anderem
die Herausgabe von Bodycam-Aufnahmen. Oerke, früher selbst
Verwaltungsrichter, kritisiert „erhebliche Einschränkungen seiner Rechte“,
angesichts deren er „nach vielen erfolglosen Erörterungen“ keinen anderen
Ausweg als den Gang vors Gericht gesehen habe.
Ohnehin hat der Polizeibeauftragte das Problem, dass er keine Einsicht in
Akten erhält, sobald ein Fall auch Gegenstand eines strafrechtlichen
Ermittlungsverfahrens ist. Ein fataler Mechanismus, denn oft werden
Ermittlungen erst eingeleitet, wenn sich jemand beschwert. Doch Oerke
beklagt noch weitere Hindernisse: Anfragen würden von der Polizei „nur mit
großer zeitlicher Verzögerung oder gar nicht beantwortet“ und Akten „über
das zulässige Maß hinaus“ als Verschlusssache deklariert oder geschwärzt.
Das muss sich ändern, findet auch Grünen-Innenexperten Vasili Franco: „Wer
mauert, erschwert Aufklärung. Ich hoffe, dass die laufenden Klageverfahren
die Kompetenzen des unabhängigen Polizeibeauftragten stärken“, sagte Franco
am Mittwoch zur taz. Jede Beschwerde verdiene es, ernsthaft bearbeitet zu
werden. Und: „Jede erfolgreiche Schlichtung kann Vertrauen in staatliches
Handeln zurückgewinnen“, so Franco.
## Beratungsstellen bezweifeln Unabhängigkeit
Unterdessen landen viele Vorfälle von mutmaßlich rassistischem
Polizeihandeln offenbar gar nicht erst auf dem Tisch von Oerke und dessen
Mitarbeiter*innen: Zivilgesellschaftliche Beratungsstellen würden ihre
Fälle „bedauerlicherweise“ nicht an ihn weitergeben, beklagt der
Polizeibeauftragte im Bericht.
Tatsächlich ist das Verhältnis zwischen Oerke und den NGOs schwierig. Die
Beratungsstelle ReachOut, die Betroffene rechter und rassistischer Gewalt
unterstützt, kritisiert etwa eine fehlende Unabhängigkeit des
Polizeibeauftragten. „Alexander Oerke, selbst ehemaliger Richter, arbeitet
mit einem Team aus ehemaligen Polizisten. Betroffene können so kein
Vertrauen aufbauen und bleiben skeptisch“, erklärt Parto Tavangar von
ReachOut gegenüber der taz. Die Betroffenen befürchteten etwa, dass sie bei
der Befragung zu ihrem Fall beim Polizeibeauftragten erneut eine
Täter-Opfer-Umkehr erleben könnten, so Tavangar.
Hinzu komme, dass Oerke keinen institutionellen Rassismus erkenne, sondern
Polizei und Gerichte als neutrale Einrichtungen sehe. „Wir brauchen einen
wirklich unabhängigen Polizeibeauftragten, der den Betroffenen glaubt,
seine Befugnisse in ihrem Sinne nutzt und auch die Expertise von NGOs
anerkennt“, fordert Tavangar.
11 Jun 2025
## LINKS
[1] https://www.berlin.de/buerger-polizeibeauftragter/_assets/bebuepol-berlin-j…
[2] /Unabhaengiger-Polizeibeauftragter-ueber-Berlin/!5870297
[3] /Bericht-des-Polizeibeauftragten/!6003928
## AUTOREN
Hanno Fleckenstein
## TAGS
Polizei Berlin
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