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# taz.de -- Polizeigewalt auf Wache in Berlin: Misshandlung statt Hilfeleistung
> Vier Polizisten stehen vor Gericht, weil sie 2021 einen Mann vor der
> Wache am Alexanderplatz verprügelt haben sollen. Drei sehen sich zu
> Unrecht verfolgt.
Bild: Die sogenannte Alex-Wache in Berlin-Mitte: Hier klingelte Abdul M. – un…
Berlin taz | Statt Hilfe zu bekommen, wurde der damals 21-jährige Abdul M.
von einem Polizisten an der Wache am Alexanderplatz im Juli 2021 mutmaßlich
brutal zusammengeschlagen. Drei Kollegen sollen die Tat gedeckt und
Ermittlungen gegen das mutmaßliche Opfer eingeleitet haben.
Am Montagmorgen hat nun vor dem Amtsgericht Tiergarten der Prozess gegen
die vier Männer begonnen. Dabei haben die drei Mitangeklagten die Vorwürfe
bestritten und ihren Kollegen belastet. Der Hauptangeklagte äußerte sich
nicht.
Damit bleibt vorerst weiter unklar, was in jener Nacht genau geschehen ist.
Bislang hatte die Staatsanwaltschaft [1][den Vorfall so rekonstruiert]:
Gegen 2 Uhr habe Abdul M. an der Wache geklingelt, weil ihm Bargeld
abhandengekommen sei. Der Polizist Abdullah I. habe ihm die Tür geöffnet.
Es sei zu einem längeren und zunehmend hitzigen Gespräch gekommen, weshalb
mehrere Kolleg*innen hinzugetreten seien.
Kurz darauf soll Abdullah I. dem Hilfesuchenden „ohne Vorwarnung, und ohne
dass das nötig gewesen wäre“, gegen den Kopf geschlagen haben, wie der
Staatsanwalt am Montag erklärte. M. sei gestürzt, doch der Polizist habe
ihn hochgezerrt und weggeschubst. Einige der umstehenden Kolleg*innen
sollen anschließend M. zu Boden gebracht haben, woraufhin Abdullah I.
erneut mehrfach zugeschlagen haben soll. Der Hilfesuchende sei bewusstlos
geworden.
## Den Betroffenen angezeigt
M. sei danach gefesselt und ohne Rechtsgrundlage mehrere Stunden
festgehalten worden. Ihm sei Blut abgenommen worden, wobei unklar ist, ob
ein Staatsanwalt das überhaupt angeordnet oder der Betroffene zugestimmt
hatte.
Zudem erstatteten die Polizisten Anzeige gegen Abdul M. – wegen Widerstands
gegen Vollstreckungsbeamte. Sie gaben dabei an, dass M. ein Feuerzeug und
ein Handy nach dem Polizisten I. geworfen habe, was die Staatsanwaltschaft
allerdings aufgrund von Videoaufzeichnungen bezweifelt. Erst am frühen
Morgen zeigte einer der Polizisten schließlich seinen Kollegen Abdullah I.
an.
Fast vier Jahre nach dem Vorfall müssen sich die vier Männer jetzt wegen
Körperverletzung im Amt, Freiheitsberaubung, Nötigung und Verfolgung
Unschuldiger vor Gericht verantworten. Doch die drei Mitangeklagten sehen
sich zu Unrecht verfolgt, wie sie am Montag teils unter Tränen darlegten.
„Die enormen Vorwürfe stimmen nicht“, sagte etwa Müslüm K., der in jener
Nacht zusammen mit Abdullah I. Dienst [2][in der so genannten Alex-Wache]
hatte.
## Angst, den Beruf zu verlieren
Wie die beiden anderen Mitangeklagten bekräftigte er in seiner Aussage,
dass Abdullah I. heftig zugeschlagen habe. Er sei davon sehr überrascht
gewesen: „Nach aller Berufserfahrung ist es nicht so, dass die Kollegen die
Angreifer sind“, sagte K. und fügte hinzu: „Nichts an dieser Gewalttat habe
ich gebilligt.“
Das Verfahren empfinde er als äußerst belastend: „Seit mehr als einem Jahr
sitze ich nur zu Hause. Ich habe große Sorgen, meinen Beruf zu verlieren“,
so Müslüm K.
Seine zwei mitangeklagten Kollegen waren nach eigenen Angaben in jener
Nacht im Streifendienst und nur „zu Besuch“ auf der Wache. Beide
berichteten, der Hilfesuchende habe Abdullah I. vor dessen ersten Schlag
beleidigt. Zudem betonten sie, Abdul M. habe I. vor dessen zweiter Attacke
mit einem Feuerzeug oder Handy beworfen und diesen im Gesicht getroffen.
Zugleich zeigten auch sie sich entsetzt vom „Ausraster“ ihres Kollegen.
„Ich wollte einen Beruf ergreifen, bei dem ich Menschen helfen kann“, sagte
einer der beiden weinend. Angesichts der Gewalt sei er „wie erstarrt“
gewesen. „Mir war klar, dass das Konsequenzen haben muss.“
Alle Mitangeklagten sind seit der Anklageerhebung vor rund eineinhalb
Jahren vom Dienst suspendiert. Der Hauptangeklagte Abdullah I. hatte
bereits zuvor freiwillig die Polizei verlassen. Er war in einem anderen
Verfahren – noch nicht rechtskräftig – zu einer Haftstrafe verurteilt
worden: Er hatte gegen Geld Daten abgefragt und gefälschte Dokumente
erstellt – für eine international vernetzte Drogenbande. Zudem soll er in
der Wache am Alexanderplatz einen größeren Geldbetrag angenommen und
versteckt haben, anstatt ihn als Fundsache zu behandeln.
Der Prozess wird kommenden Montag fortgesetzt. Dann soll unter anderem der
Betroffene Abdul M. als Zeuge angehört werden. Das Urteil soll am selben
Tag fallen.
7 Jul 2025
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## AUTOREN
Hanno Fleckenstein
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