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# taz.de -- Hamburger Polizist vor Gericht: Zu viele Zweifel
> Ein Gericht in Hamburg hat einen Polizisten freigesprochen. Er hatte
> einen Lieferwagenfahrer bei einer Kontrolle leicht verletzt.
Bild: Alltag für den betroffenen Fahrer: Polizisten bei einer Verkehrskontrolle
Hamburg taz | Möglicherweise sei der Angeklagte nicht der höflichste
Polizist, den es in Hamburg gibt, sagte einer seiner Verteidiger kurz vor
der Urteilsverkündung am Amtsgericht St. Georg am Donnerstagnachmittag.
Strafbar hat er sich zumindest nicht gemacht. Das entschied die Richterin
und sprach einen 46-jährigen Polizisten aus Hamburg nach zwei Prozesstagen
in allen Punkten frei.
Dem Beamten war vorgeworfen worden, einen Lieferwagenfahrer im April 2024
bei einer Kontrolle aus seinem Wagen gezerrt, mit dem Kopf an das Fahrzeug
gedrückt und dabei leicht verletzt zu haben. Angeklagt gewesen war er wegen
Nötigung und [1][Körperverletzung im Amt].
Um ihn zu verurteilen, habe es am Ende zu viele Zweifel gegeben, fand die
Richterin. Die objektiven Beweise, darunter ein Handyvideo des
Lieferwagenfahrers, seien zu wenig aussagekräftig gewesen. Die Zeug*innen,
darunter den betroffenen Fahrer, fand sie nicht glaubwürdig genug.
Anders sah es der Staatsanwalt. Er war von der Schuld des Polizisten
überzeugt und hatte eine Freiheitsstrafe von 8 Monaten auf Bewährung
gefordert. Das begründete er vor allem mit der Aussage des
Lieferwagenfahrers.
## Lieferwagenfahrer kam in Arbeitskleidung ins Gericht
Der kam als Zeuge direkt von der Arbeit, in T-Shirt und Kappe mit „FedEx“
Aufdruck. Beim ersten Termin war der 32-Jährige nicht erschienen, das
Gericht brummte ihm deswegen eine Geldstrafe auf.
[2][Polizeikontrollen seien für ihn nicht außergewöhnlich, sagte der
Schwarze Paketbote] im Zeugenstand. Das passiere alle zwei, drei Monate.
Probleme habe er dabei sonst aber nie gehabt. An dem Mittag im April sei er
im Stress gewesen, weil er ein Paket vor 12 Uhr habe ausliefern müssen.
Deswegen habe er gehupt als die Einbahnstraße, in die er einbog, von einem
Polizeiauto versperrt gewesen war, er aber keine Beamten gesehen habe.
Der Lieferwagenfahrer sagte, der Polizist sei aggressiv auf ihn zugegangen.
Er habe gefordert, seine Papiere zu zeigen, ohne ihm zu erklären, was er
falsch gemacht habe, auch nicht auf Nachfragen. Als er ihm seine Papiere
nicht sofort gab, habe der Polizist ihn ohne Vorwarnung gepackt, aus dem
Fahrerhäuschen gezogen und draußen mit dem Kopf an sein Fahrzeug gedrückt.
Davon habe er eine blutende Wunde im Mund davongetragen.
Um das Hupen, das eine Ordnungswidrigkeit sein kann, drehte sich der
Prozess immer wieder. Die Anklage stütze sich vor allem auf die Aussage des
Fahrers, nicht darüber aufgeklärt worden zu sein, was ihm vorgeworfen
wurde.
Wenn Polizist*innen eine Person kontrollieren, müssen sie ihr möglichst
sagen, warum. Und bevor sie körperlich werden, sogenannten unmittelbaren
Zwang anwenden, müssen sie das möglichst ankündigen. Beides ist die
Voraussetzung dafür, dass eine Maßnahme rechtens ist. Die
Staatsanwaltschaft fand, beides sei nicht ausreichend passiert.
Der Polizist, grauer langer Bart, weiße Turnschuhe, selbst nicht-weiß,
sagte am ersten Prozesstag, er sei zum Fahrer gegangen, damit der „aufhöre
wilde Sau zu spielen“. Er habe ihm zu verstehen gegeben, dass das Hupen
eine Ordnungswidrigkeit darstelle. Auch habe er gesagt, dass es „wehtun“
könne, wenn er ihm seinen Ausweis nicht freiwillig gebe. Das glaubte ihm
die Richterin, die allerdings anmerkte, dass die Belehrung „nicht ganz
lehrbuchmäßig“ gewesen sei.
Der Polizist trat im Gericht ohnehin nicht gerade wie ein Lehrbuch-Beamter
auf. Er saß breitbeinig, formulierte locker. Am ersten Prozesstag sagte er,
dass er Menschen im Dienst auch mal mit „Diggah“ anspreche, um sie
einzufangen. Eine körperliche Maßnahme mit „Das tut dann auch weh“
anzukündigen, sei eine Standardaussage von ihm.
## Polizist*innen landen nur selten vor Gericht
Ob das jetzt höflich ist, oder nicht, spielte für den Freispruch keine
Rolle. Ungewöhnlicher als der Ton des Angeklagten, war von vornherein, dass
ein Polizist wegen Körperverletzung im Amt überhaupt vor Gericht gelandet
ist.
Von allen Verdachtsfällen rechtswidriger Polizeipraxis, darunter
Körperverletzung im Amt, erheben Staatsanwaltschaften in nur 2 Prozent
Anklage. Bei anderen Delikten sind es 22 Prozent. Wenn Beamt*innen dann
vor Gericht landen, werden sie sehr viel seltener verurteilt als andere
Angeklagte. Beides hat die [3][Studie „Gewalt im Amt“] der
Goethe-Universität Frankfurt ergeben.
Mitautorin und Kriminologin Laila Abdul-Rahman erklärt das Missverhältnis
auch damit, dass Polizeibeamt*innen oft als glaubwürdiger betrachtet
werden als zivile Zeug*innen. [4][Zudem ermittelt die Polizei oft gegen
Kolleg*innen]. „Wir nennen das einen Bereich, wo die Polizei
Definitionsmacht hat.“
Gegen den freigesprochenen Hamburger Polizisten läuft aktuell ein
Disziplinarverfahren. Es ist nicht sein erstes. Ob das Verfahren trotz
Freispruch seine bevorstehende Beförderung verhindert, ist noch nicht
absehbar. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
18 Jul 2025
## LINKS
[1] /Urteil-nach-Polizeigewalt-auf-Alex-Wache/!6097339
[2] /Racial-Profiling-bei-der-Polizei/!6096129
[3] https://kviapol.uni-frankfurt.de/
[4] /Mutmassliche-Polizeigewalt-in-Dessau/!6093741
## AUTOREN
Amira Klute
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