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# taz.de -- Drei Schauen zu DDR-Kunst in Cottbus: Keck mit Zigarette
> Selbstbewusste Porträts stehen neben einem tastenden Umgang mit Identität
> in drei Schauen zu DDR-Kunst im Museum Dieselkraftwerk Cottbus. Und
> Punks.
Bild: Evelyn Richter, „Arbeiterin an der Linotype“, ohne Jahresangabe
Wie sich das Erwartbare mit dem Unerwarteten mischt, macht oft den Reiz
einer thematischen Schau aus. Das trifft zu auf die Ausstellung
„Unbeschreiblich weiblich“ im [1][Dieselkraftwerk Cottbus] über
Frauenbilder in der DDR. Nicht nur, weil man viele wenig bekannte
Künstler:innen kennenlernt, sondern auch durch die Mischung von
repräsentativen und metaphorischen Positionen.
Überlebensgroß ist der von Konturen in Kohle und Kreide grob gefasste Akt
einer Frau, die sich gegen die Drehung zweier Reifen stemmt, in [2][Sabine
Herrmanns Zeichnung] „Frau im Rad“. Das Kraftzehrende und das
Widerständige, Verletzbarkeit und Beharrlichkeit finden da zusammen. Die
Bildsprache der Berliner Malerin ist in ihrer poetischen Verknappung und
Expressivität typisch für eine Generation DDR-Künstler:innen, die noch jung
waren in den Jahren der Wende.
Ihrem tastenden Umgang mit Identität und Weiblichkeit kann man zwei
selbstgewisse Porträts gegenüberstellen: 1976 zeigte sich die Malerin
Monika Geilsdorf als selbstbewusste junge Frau, keck mit Zigarette und
herausforderndem Blick vor einer Staffelei. Sie nimmt darin die Ikonografie
klassischer Selbstporträts auf und zeigt sich als eine, die sich
durchgebissen hat zu der Gleichberechtigung, die in der DDR zwar offiziell
Richtlinie war, der die Realität allerdings oft widersprach.
Im Stil liegt ebenso viel Neue Sachlichkeit wie Fotorealismus.
Konventioneller gemalt, mit einem Hauch von großbürgerlichem Stolz, ist das
Porträt, das der 1894 geborene Maler Hans Jüchser seiner jungen Ehefrau
Helga gewidmet hat, die ihn in seiner Karriere unterstützte. In einer
eleganten und souveränen Pose präsentiert sie sich in einem Sessel.
Dass es in der DDR viele Fotograf:innen gab, die von Frauen am
Arbeitsplatz spannende Porträts gemacht haben, nicht heroisch überhöht,
weiß man. [3][Evelyn Richter] etwa zeigt eine Arbeiterin, deren Körper
kompliziert verschränkt ist mit Rädern und Griffen einer Druckmaschine.
Noch aus den Anfangsjahren der DDR stammt ein Bild von „Trümmerfrauen“, das
Rudolf Bergander 1955 in einem sanften Realismus gemalt hat.
Weniger bekannt ist aber, wie oft sich Künstler:innen dem alternden
Körper gewidmet haben, der Hinfälligkeit und Einsamkeit, die man hier in
einer längeren Bildstrecke studieren kann. Dabei ist eine Fotografie
[4][Gundula Schulze Eldowy]s von Tamerlan, einer alten Frau, deren
Lebensgeschichte in die vielen Porträts einfließt, mit denen die Fotografin
sie lange Zeit begleitet hat.
## Unter dem Radar der staatlichen Kontrolle
Das Museum Dieselkraftwerk Cottbus gehört zu den Brandenburgischen Museen
für moderne Kunst, die zurzeit einen Schwerpunkt auf die Kunst der DDR in
den Achtzigern setzen und mehrere Ausstellungen aus ihren eigenen
Sammlungen bestreiten. „Unbeschreiblich weiblich“ wird so von einer
Kabinettausstellung über Punk und jugendliches Rebellentum, mit Fokus auf
lokalen Akteuren aus Cottbus begleitet – die [5][Punkband Sandow] und das
Archiv von Daniel Sambo-Richter –, und von einer Schau aus den Plakat- und
Grafiksammlungen: Die verfolgt unter dem Titel „Sendung aus dem Gegen-Raum“
Strategien der Vernetzung und der Arbeit an Räumen von Kommunikation und
Austausch, die unter dem Radar der staatlichen Kontrolle liefen.
Zwischen den drei Ausstellungen gibt es Überschneidungen. Von Clemens
Gröszer etwa, dessen kühler, veristischer Stil an die 1920er Jahre
erinnert, sind mehrere Porträts junger, cooler Frauen zu sehen, einmal im
Gestus der unabhängigen Intellektuellen und einmal einer jungen Malerin in
punkiger Kluft.
Ein besonderes Fundstück zum Thema Jugendkulturen kommt aus dem
Stasi-Unterlagen-Archiv, eine handgezeichnete Liste „negativ-dekadenter
Jugendlicher“, die nach Haarschnitt und Kleidung in Teds, Tramper, Skins,
Heavys und Punks unterteilt werden und allesamt als politisch
desinteressiert und dennoch gefährlich negativ eingeordnet werden. Eine
davon, die Schlagzeugerin Mita, hat den Kopf auf einer Fotografie von
Christiane Eisler in einen kaputten Kühlschrank gesteckt und reckt die
Beine in die Höhe: im Kaputten artistisch die Balance finden.
Plattencover, Fotos von Konzerten, Filmausschnitte und Interviews
vermitteln ein Bild von der Lebhaftigkeit, dem Spielerischen und
Widerständigen der Punkszene.
Dass sich deren Suche nach eigenen Räumen mit der von bildenden
Künstler:innen ihrer Generation überschnitt, wird in der dritten
Ausstellung deutlich. Sie gilt Künstlergruppen, Festivals, den Anfängen von
privaten Galerien in Wohnungen: Es ist eine kleinteilige und verästelte
Erzählung, die hier liebevoll mit viel spielerischem Material aufbereitet
wird.
## Keine Heroisierung des Dissidententums mehr
Der „Sendung aus dem Gegen-Raum“ hat die Kuratorin Helene Roolf ein Zitat
von [6][Lutz Dammbeck] mitgegeben. Der Maler, Grafiker und Filmemacher
schrieb 1996: „Hier eine klare konterrevolutionäre Avantgarde und dort die
Staatskünstler, eine saubere Trennung gab es nie. Es gab immer Brücken und
Stege, über die munter hin- und hergegangen wurde, von dem einen mehr, von
dem anderen weniger.“ Die Heroisierung des Dissidententums, zu der der
Kunstbetrieb in den 1990ern neigte, ist in den Cottbusser Ausstellungen
einer entspannteren Haltung gewichen.
Eine ganze Wand mit Plakaten gilt den Anfängen von Eigen + Art in einer
Dachgeschosswohnung 1983 in Leipzig. Das Wort „Galerie“ taucht auf ihnen
noch nicht auf. Der [7][Initiator Gerd Harry Lybke,] der sich in den
1990ern bald zu einem international erfolgreichen Galeristen entwickelte,
arbeitete hier schon mit vielen von ihm langfristig betreuten
Künstler:innen zusammen. Die Plakate, gedruckt in kleiner Auflage, waren
auch wichtig als Handelsgut: Mit ihrem Verkauf kam etwas Geld in die Kasse.
Von [8][Manfred Butzmann] sind Plakate zu sehen, die unter der Überschrift
„Heimatkunde“ den Abriss denkmalgeschützter Architekturen in der DDR
dokumentierten und kritisierten, Gegenöffentlichkeit in bestem Sinn. Auch
Unvermutetes findet sich, wie eine Liebeserklärung an das Fahrrad und
Ablehnung der Motorisierung. Von Martina und Steffen Giersch gibt es ein
Foto der Aktion „mobil ohne Auto“ von 1982: im Vordergrund
zusammengestellte Fahrräder, dahinter eine Reihe nackter Menschen in der
Landschaft, die die Buchstaben von „mobil ohne Auto“ auf dem Rücken
tragen.
16 Jul 2025
## LINKS
[1] /Kunstausflug-nach-Cottbus/!5814239
[2] /Verliebte-Kannibalen/!1731155&s=Malerin+Sabine+Herrmann&SuchRahmen…
[3] /Ostdeutsche-Fotografin-Evelyn-Richter/!5893922
[4] /Der-Hausbesuch/!5999731
[5] /Born-in-the-GDR-Talk-mit-Sandow-Saenger/!5520181
[6] /Film-Collage-um-die-Geschichte-der-TV-Game-Shows/!5292475
[7] /Judy-Lybke-ueber-40-Jahre-Kunsthandel/!5923240
[8] /Fotoausstellung-in-Chemnitz/!5692334
## AUTOREN
Katrin Bettina Müller
## TAGS
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