| # taz.de -- Film-Collage um die Geschichte der TV-Game-Shows: Reeducation und R… | |
| > Die Arbeiten des Hamburger Künstlers Lutz Dammbeck sind originelle | |
| > Recherchen und Gedankenspiele: auch in seinem neuesten Essay-Film | |
| > „Overgames“. | |
| Bild: Bietet eine Kulturgeschichte des amerikanischen Unterhaltungsfernsehens: … | |
| Hamburg taz |Was haben eine deutsche Fernsehshow aus den frühen | |
| 60er-Jahren, die Reeducation der Deutschen durch die Alliierten nach dem 2. | |
| Weltkrieg und die permanente Revolution miteinander zu tun? Lutz Dammbeck | |
| verbindet sie in seinem neuen Film „Overgames“ in einem verblüffenden | |
| Bogen. Der Titel schillert dabei mehrdeutig: Inhaltlich geht es in der 163 | |
| Minuten langen Film-Collage um die Geschichte der TV-Game-Shows in den USA | |
| und deren Verpflanzung ins hiesige Fernsehen. | |
| Dammbeck arbeitet spielerisch, indem er zusammenführt, was so wohl nur in | |
| seiner Fantasie zusammengehört. Einer seiner früheren Filme hieß „Das | |
| Meisterspiel“ und war in Spielzüge unterteilt. „Overgames“ nannte er sch… | |
| eine seiner Installationen im Jahr 1999, die thematisch aber nichts mit | |
| diesem Film zu tun hat. | |
| Die erste Idee zum neuen Film kam Dammbeck als er eine TV-Talkshow von Anne | |
| Will sah, in der Joachim Fuchsberger über seine Karriere als einer der | |
| ersten „Showmaster“ erzählte. Dieser behauptete darin, er habe für seine | |
| erste Show „Nur nicht nervös werden“ die erfolgreiche amerikanische Serie | |
| „Beat the Clock“ kopiert. Diese basiere ihrerseits auf Spielen, die | |
| amerikanische Psychiater für ihre Patienten entwickelt hätten. Auf die | |
| Frage, wer sich dies denn damals angeschaut hätte, antwortete Fuchsberger: | |
| „Eine Nation! Eine psychisch gestörte Nation!“ | |
| Dammberg war von dieser Behauptung fasziniert. Er machte sich daran, ihren | |
| Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Doch Fuchsberger wollte nicht mit ihm reden. | |
| Also reiste er in die USA, um dort Veteranen der Fernsehunterhaltung zu | |
| interviewen. Über den Zusammenhang zwischen Therapie und TV wussten die | |
| zwar wenig, dafür erfuhr Dammbeck aber vieles über die Geschichte der | |
| Game-Shows. | |
| So bietet „Overgame“ eine pointenreiche Kulturgeschichte des amerikanischen | |
| Unterhaltungsfernsehens, die durch scharfsinnige Analysen und verwegene | |
| Argumentationen zum intellektuellen Vergnügen wird. Die Fäden, die vom | |
| Hauptstrang des Films zur versuchten Umerziehung der Deutschen nach dem | |
| Untergang des „Dritten Reichs“ und zur Geschichte der permanenten | |
| Revolution führen, sind allerdings etwas dünn. Hinzu kommt, dass Dammberg | |
| ein Meister in der Kunst des Abschweifens ist. | |
| Eine Filmanalyse des nationalsozialistischen Propagandafilms „Hitlerjunge | |
| Quex“, die in den 40er-Jahren im New Yorker Museum of Modern Art erstellt | |
| und dann als Beleg dafür dienen sollte, dass die Deutschen unter einer | |
| kollektiven krankhaften Paranoia leiden würden, ist ein besonderes | |
| Fundstück. Die nötige kollektive Umerziehung deutet Dammberg als Teil der | |
| permanenten Revolution – nicht im Sinne Trotzkis sondern in der | |
| amerikanischen Definition: als unaufhaltsamen Siegeszug des „American Way | |
| of Life“. | |
| All diese Bezüge und Theorien sind Kopfgeburten, die an Dammbecks | |
| Schreibtisch gezeugt wurden und dafür hat er eine stilistische Entsprechung | |
| gefunden: Etwa ein Drittel des Film ist tatsächlich an seinem Schreibtisch | |
| gedreht worden. Die Kamera schweift immer wieder über die verschiedenen | |
| Bücher, Fotos, Illustrationen und Manuskripte, die dort genau passend | |
| platziert wurden. | |
| Lutz Dammbeck, 1948 in Leipzig geboren, studierte in der DDR Grafik und | |
| Buchkunst. Sein Kinodebüt war 1975 der Trickfilm „Der Mond“, der auch | |
| international ausgezeichnet wurde. 1983 wurde sein Filmprojekt „Herakles“ | |
| abgelehnt. Daraufhin entwickelte er das Konzept einer „Mediencollage“ mit | |
| Malaktionen, Tanz, Musik sowie Filmprojektionen, durch das er Teile seines | |
| Projekts in Live-Aufführungen verwirklichen konnte. Seine Kunst wurde in | |
| der DDR als so subversiv angesehen, dass man ihn 1986 ausbürgerte und er | |
| nach Hamburg kam. Er entwickelte sich zu einem multimedialen | |
| Konzeptkünstler. | |
| Seine Werke versteht Dammbeck als offene Systeme, die sich in anderen | |
| Formen ständig weiterentwickeln. Sein bekanntester Film „Das Netz“ von 2004 | |
| über die Verbindungen zwischen dem Una-Bomber, LSD und dem Internet ist mit | |
| seinem Bezug auf Terrorismus und digitale Technologie immer noch aktuell. | |
| Nachdem er in die Kinos kam, schickte der Una-Bomber Ted Kaczynski Dammbeck | |
| aus dem Gefängnis eine Kopie seines politischen Manifests. Dammbeck ließ | |
| diese 194 mit der Hand geschriebenen Seiten rahmen. Nun sind sie ein | |
| Kunstwerk, das in Dortmund in einer Ausstellung hängt. | |
| Auch von „Overgames“ gibt es jetzt schon einen Sprössling, der unter dem | |
| Titel „Die Uhr“ am 27. Mai im DLF gesendet wird. | |
| 13 Apr 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Wilfried Hippen | |
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