# taz.de -- DR Kongo begeht 65 Jahre Unabhängigkeit: Nationalfeiertag ohne Fei… | |
> Der 30. Juni steht dieses Jahr in der DR Kongo im Zeichen von Krieg und | |
> Teilung. Ein Friedensschluss mit Ruanda weckt Hoffnungen – aber nicht | |
> überall. | |
Bild: US-Außenminister Rubio bringt Ruandas Außenminister Olivier Nduhungireh… | |
Berlin/Kampala taz | Vor Kongos Nationalfeiertag am 30. Juni inszeniert | |
sich Präsident Felix Tshisekedi als Friedensbringer. „Glückwunsch, | |
Präsident Fatshi“ [1][steht auf Plakaten] am „Boulevard des 30. Juni“, d… | |
Hauptstraße der Hauptstadt Kinshasa – „Fatshi“ ist die kumpelhafte | |
Abkürzung für Felix Antoine Tshisekedi. „Der Stift Ihrer Diplomatie hat die | |
Kanonen der Waffen verstopft.“ Darüber steckt ein großer blauer | |
Kugelschreiber im Kanonenrohr eines Panzers. | |
Mit Diplomatie statt mit Waffen bezwingen wir den Feind, das ist die | |
Aussage. Erstmals seit fast einem Vierteljahrhundert wird dieses Jahr der | |
30. Juni wieder in einem geteilten Land begangen – mit den | |
ostkongolesischen Provinzhauptstädten Goma und Bukavu in den Händen der von | |
Ruanda unterstützten Rebellenarmee [2][M23 (Bewegung des 23. März)], | |
stärkste Kraft der Rebellenkoalition AFC (Allianz des Kongo-Flusses), die | |
gegen Tshisekedi kämpft. | |
Nun hat ein Friedensschluss zwischen der DR Kongo und Ruanda Hoffnungen | |
genährt. „Heute leiten wir das Ende der Gewalt und Zerstörung ein“, | |
erklärte US-Präsident Donald Trump feierlich im Weißen Haus, nachdem Kongos | |
Außenministerin Thérèse Kayikwamba Wagner und ihr ruandischer Amtskollege | |
Olivier Nduhungirehe am Freitag [3][das Friedensabkommen] unterzeichneten. | |
Bis zuletzt stand nicht fest, ob es tatsächlich klappt. Aber Tshisekedi hat | |
viel Energie in die Annäherung an Trump gesteckt. Kongos Regierung lockte | |
den US-Präsidenten mit gigantischen Mineralienvorkommen, vor allem Kobalt | |
und Kupfer in der Südregion Katanga und strategischen Mineralien wie | |
Lithium und Tantalum. | |
Ähnlich wie beim Mineraliendeal zwischen der USA und der Ukraine sollen | |
wirtschaftliche Interessen den USA einen Grund liefern, der DR Kongo gegen | |
den „Aggressor“ zu helfen – also Ruanda, das seit nahezu 30 Jahren | |
wechselnde Rebellengruppen im Ostkongo unterstützt. | |
„Bald wird [4][der 30-jährige Krieg] Geschichte sein, dank Ihrer | |
meisterlichen Diplomatie“, wie es die Jubelplakate in Kinshasa ausdrücken. | |
Das Abkommen sieht vor, dass in den nächsten drei Monaten beide Seiten | |
vereinbarte Schritte in die Wege leiten müssen. | |
Konkret soll Kongos Regierung aufhören, die ruandische Hutu-Miliz [5][FDLR | |
(Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas)] zu beherbergen und zu | |
unterstützen – die Nachfolgeorganisation der Armee, die in Ruanda 1994 den | |
Völkermord an den Tutsi beging und dann nach Kongo floh. | |
Die FDLR wurde im Krieg gegen die M23 in Kongos Armee integriert. Heute | |
besteht die Miliz zwar nur noch aus wenigen hundert, meist jungen, | |
Kämpfern. Doch ihre Führungsriege predigt ihnen bis heute, dass alle Tutsi | |
ausgelöscht werden müssen. Für Ruanda und dessen Tutsi-Präsident Paul | |
Kagame ist dies ein Sicherheitsrisiko und ein Grund, die Tutsi-geführte M23 | |
zu unterstützen. | |
Sobald die FDLR „neutralisiert“ ist, soll Ruanda seine | |
„Verteidigungsmaßnahmen“, wie es heißt, „lockern“. Gemeint ist, die | |
ruandischen Truppen aus Ostkongo zurückzuziehen. Ruandas Armee hatte 4.000 | |
bis 5.000 Soldaten über die Grenzen entsandt, um die M23-Rebellen | |
militärisch zu unterstützen. Seit die M23 Goma und Bukavu erobert hat, hat | |
Ruanda die meisten abgezogen. | |
Ruandas Armee hat auch mit der M23 einige [6][FDLR-Führer] verhaftet oder | |
getötet. Jetzt soll das in koordinierten Operationen weitergehen, überwacht | |
von Militärs, Diplomaten und Geheimdienstlern beider Länder. Laut dem | |
Operationsplan soll die FDLR-Führungsriege – eine Handvoll älterer Generäle | |
– „neutralisiert“ werden. Im Anschluss können die jungen FDLR-Kämpfer | |
entwaffnet und nach Ruanda gebracht werden. | |
## Die M23 als Gewinner des Friedensabkommens | |
Doch Frieden zwischen Kongo und Ruanda ist etwas anderes als Frieden | |
zwischen Kongos Regierung und Kongos Rebellen. Von deren „Entwaffnung“ oder | |
„Zerschlagung“ ist im Abkommen nicht die Rede. Es wird auf die | |
Verhandlungen zwischen der M23 und Kongos Regierung verwiesen, die seit | |
Monaten in Katars Hauptstadt Doha laufen. | |
Diese Gespräche „pausieren“ derzeit, so [7][M23-Präsident Bertrand Bisimw… | |
zur taz, „um die Dinge neu zu ordnen.“ Und am Tag der Zeremonie in | |
Washington meldet sich Rebellensprecher Lawrence Kanyuka [8][mit einer | |
Videobotschaft]: „Wir sind immer noch hier und wir gehen nirgendwo hin“, | |
lacht er. | |
Gewinner des Washingtoner Abkommens sind ganz offensichtlich die M23. | |
Kongolesische Nationalisten, die die M23 für eine terroristische Marionette | |
Ruandas halten, lehnen den Deal daher vehement ab. Denis Mukwege, der in | |
die Politik gewechselte Frauenarzt und Friedensnobelpreisträger, schäumt | |
[9][in einer Erklärung], mit dem Abkommen habe „das Kinshasa-Regime seine | |
Souveränität den Aggressoren überlassen und die Besatzung legitimiert“. | |
Die Rebellen militärisch zu besiegen, übersteigt jedoch die Kapazitäten von | |
Kongos Regierung. Es ist dem Zivilisten Tshisekedi seit seinem Amtsantritt | |
2019 nicht gelungen, Kongos Armee in den Griff zu bekommen und | |
schlagkräftig zu gestalten, trotz aller Militärhilfe, die er für viel Geld | |
im Ausland eingekauft hat. | |
Umgekehrt sind die Rebellen politisch zu schwach, um einen Sieg | |
davonzutragen. Noch im Februar hatte die M23 großspurig getönt, den 30. | |
Juni werde man in Kinshasa feiern. Aber es ist den Rebellen nicht gelungen, | |
eine politische Dynamik hinter sich zu versammeln. | |
Stattdessen richten sie sich in den eroberten Gebieten Ostkongos als Staat | |
im Staate ein. „Wir nehmen nun die staatlichen Angelegenheiten selbst in | |
die Hand“, erklärt M23-Präsident Bertrand Bisimwa der taz. „Wir lösen nun | |
alle Probleme selbst.“ | |
## Rebellen: Willkür und Propaganda | |
Auf von der AFC/M23 verbreiteten Aufnahmen ist zu sehen, wie | |
[10][M23-Generalstabschef Sultani Makenga] mit Schutzhelm und | |
schusssicherer Weste durch den knöcheltiefen Matsch stapft, den langen | |
Spazierstock in der linken Hand, umringt von Leibwächtern. Hinter ihm | |
stehen gewaltige Baumaschinen. Sie reparieren die Straße von Goma nach | |
Bukavu entlang des Kivu-Sees, die Fluten und Erdrutsche weggespült hatten. | |
„Es ist ein kleines Paradies“, sagt der M23-Kameramann, während er über d… | |
fruchtbaren Hügel und den gewaltigen See schwenkt. Man zeige allen | |
Kongolesen, dass die Rebellen „das Leben der Bevölkerung verbessern“. | |
Dafür zieht die M23 von der Bevölkerung Steuern ein, gibt Bisimwa zu. Doch | |
im Vergleich zur Regierung würden sich die Rebellen daran nicht bereichern: | |
„Wir nutzen diese Steuereinnahmen, um staatliche Dienstleistungen zu | |
sanieren und für alle zugänglich zu machen.“ | |
Die Bevölkerung der Mini-Republik sieht das zuweilen anders. „Bewaffnete | |
Kämpfern treiben willkürlich Steuern ein und es gibt keine | |
Meinungsfreiheit“, klagt ein Menschenrechtsanwalt aus Goma, der aus | |
Sicherheitsgründen nicht mit Namen genannt werden kann. Er drückt sich | |
vorsichtig aus. „Es gibt fast jede Nacht Schießereien und Raubüberfälle“, | |
so der Anwalt. | |
Seit der Eroberung durch die Rebellen gibt es keine Polizei oder Justiz, | |
die Regierung hat sämtliche Gehaltszahlungen für Staatsbedienstete gekappt, | |
die Banken bleiben geschlossen. Es gilt eine nächtliche Ausgangssperre. Wer | |
sich dennoch in Goma herumschleicht, wird in ein Militärlager gebracht. Es | |
gibt Berichte über Zwangsrekrutierung, Folter und Tötungen. M23-Chef | |
Bisimwa erklärt die nächtliche Unsicherheit mit „Infiltration“ von Bandit… | |
im Sold der Regierung. | |
## Regierung: Paranoia und politisches Hickhack | |
Umgekehrt vergeht im Regierungsgebiet Ostkongos kaum ein Tag ohne Berichte | |
über Übergriffe von Regierungssoldaten oder Milizionären gegen die | |
Zivilbevölkerung. Das Ausmaß von Menschenrechtsverletzungen durch alle | |
Seiten sei „horrend“, [11][erklärte Mitte Juni UN-Menschenrechtskomissar | |
Volker Türk] in Genf. | |
Am 24. Juni wurde in Kisangani, Ostkongos größter Stadt unter | |
Regierungskontrolle, [12][der bekannte Journalist Serge Sindani | |
festgenommen], weil er ein Selfie vor drei Kampfjets der Luftwaffe | |
veröffentlicht hatte. „Kisangani ist ruhig und unter Kontrolle mit unseren | |
Sukhoi-Kampfjets! Schönen Sonntag“, hatte er dazu geschrieben. In der | |
kongolesischen Paranoia kann das suggerieren, es gäbe Grund, daran zu | |
zweifeln. | |
Furcht, vom „Feind“ infiltriert zu sein, hat auch in Kinshasa | |
Hochkonjunktur. Monatelang wurden Kongos Kirchen des Landesverrats | |
bezichtigt, weil sie Dialog mit den Rebellen forderten und dafür auch nach | |
Ruanda gereist waren. Erst als Kongos Präsident Tshisekedi selbst die | |
Kirchenführer empfing, legte sich diese Diskussion. Kongos Bischöfe rühmen | |
sich nun, die Regierung von der Notwendigkeit eines Dialogs überzeugt zu | |
haben. Aber offensichtlich meint jeder darunter etwas anderes. | |
So forderten Kongos wichtigste Oppositionsführer, darunter Expräsident | |
Joseph Kabila und die beiden unterlegenen Oppositionskandidaten bei den | |
Wahlen von 2018 und 2023, Martin Fayulu und Moise Katumbi, in einer | |
gemeinsamen Erklärung am 30. April einen „nationalen Dialog“ unter | |
Einschluss der politischen Opposition, der Zivilgesellschaft und der | |
„bewaffneten Opposition“ – also mit den Rebellen. | |
Zuvor hatte das Präsidentenlager allerdings die Bildung einer „Regierung | |
der Nationalen Einheit“ angekündigt, damit das Land „geeint gegen den | |
Feind“ steht – also gegen die Rebellen. Die Oppositionsführer boykottierten | |
die Sondierungsgespräche. Tshisekedi sei Teil des Problems und könne nicht | |
Teil der Lösung sein, hieß es aus Katumbis Umfeld. | |
Expräsident Kabila [13][reiste Ende Mai zu den Rebellen], nachdem die | |
Behörden in Kinshasa seine Immunität aufgehoben, sein Vermögen konfisziert | |
und Haftbefehl gegen ihn erlassen hatten. In Goma führt Kabilas ehemaliger | |
Wahlkommissionschef Corneille Nangaa heute den Rebellendachverband AFC. | |
Im M23-Gebiet wird Kabila, der als Präsident selbst Krieg gegen die M23 | |
führte, nun von bewaffneten M23-Kämpfern geschützt. In seiner privaten | |
Residenz in Bukavu empfing er in den vergangenen Tage religiöse Führer, | |
Jugend- und Frauenorganisationen. „Er hat sehr viel Kompetenz und | |
Erfahrung“, so die Frauenvertreterin Solange Lwashiga: „Wir haben ihn | |
aufgefordert, einen Weg zu suchen, Frieden zu schaffen – wir benötigen | |
zunächst einen Waffenstillstand.“ | |
Viele Oppositionelle erhoffen sich vom Abkommen von Washington nun einen | |
neuen Impuls in Richtung Dialog. Oppositionsführer Moise Katumbi lobt den | |
Deal in höchsten Tönen. „Endlich ein Hoffnungsschimmer“, [14][schrieb er] | |
am Sonntag: „Ab jetzt gibt es keine Ausrede mehr, die Grundbedürfnisse der | |
Kongolesen nicht zu erfüllen: Arbeit, Nahrung, Sicherheit, Gesundheit, | |
Bildung, Wasser und Strom, Straßen.“ | |
Kann also der 30. Juni unter dem Zeichen des Friedens begangen werden? | |
Üblicherweise hält Kongos Präsident am 30. Juni eine Rede an die Nation und | |
es gibt eine Militärparade. Diesmal gibt es am Vorabend Berichte von | |
militärischen Scharmützeln an den Frontlinien im Osten. | |
29 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://x.com/SKulelemba/status/1938548178804212207 | |
[2] /M23-Rebellen/!t5026412 | |
[3] https://www.state.gov/peace-agreement-between-the-democratic-republic-of-th… | |
[4] /Voelkermord-Ruanda/!5997547 | |
[5] /Hutu-Miliz-FDLR/!t5021821 | |
[6] /Kongos-M23-Rebellen-uebergeben-Gefangene/!6070102 | |
[7] /M23-Rebellenchef-ueber-Kongo/!5893776 | |
[8] https://x.com/TazamaRDC_Infos/status/1938935403647848575 | |
[9] https://x.com/DenisMukwege/status/1938782525972722102 | |
[10] /Gewalt-in-der-DR-Kongo/!6068270 | |
[11] https://www.ohchr.org/en/statements-and-speeches/2025/06/hc-turk-updates-c… | |
[12] https://cpj.org/2025/06/drc-military-detains-journalist-serge-sindani-for-… | |
[13] /Machtkampf-in-der-DR-Kongo-/!6090511 | |
[14] https://x.com/moise_katumbi/status/1939282810063224864 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
Dominic Johnson | |
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