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# taz.de -- Völkermord Ruanda: Afrikas dreißigjähriger Krieg
> Im Völkermord an Ruandas Tutsi starben 1994 eine Million Menschen. Heute
> trägt eine neue Generation den alten Konflikt grenzüberschreitend aus.
Bild: Viele Kongolesen wollen den Krieg nach Ruanda tragen: Demonstration in de…
Ein Tag im Krieg kann sich, selbst erlitten, wie eine Ewigkeit anfühlen.
Jahrzehnte Krieg können gedanklich vorbeigehen wie im Flug. Im Osten der
Demokratischen Republik Kongo fliehen Millionen vor Kämpfen zwischen Kongos
Armee und der von Ruanda unterstützten [1][Rebellenbewegung M23 (Bewegung
des 23. März)], ihr tägliches Überleben ist nicht gewährleistet, und es
werden immer mehr.
Und zugleich sind die [2][Elendslager am Rand der Provinzhauptstadt Goma]
direkt an Ruandas Grenze Teil eines alten Konflikts mit Millionen Toten,
der sich in diesen Tagen erneut gefährlich zuspitzt. Am 7. April jährt sich
in Ruanda der Beginn des [3][Völkermords an den Tutsi] zum 30. Mal. Die
Erwartung einer Neuauflage war lange nicht so hoch wie heute.
Allein am 22. und 23. März war in Dialogen zwischen Kongolesen auf der
Plattform X zur Frage, wie Kongo zum Frieden finden könnte, unter anderem
zu lesen: [4][„Frieden heißt, die M23 zu bekämpfen und dann nach Kigali zu
gehen, um das Krebsgeschwür Kagame unschädlich zu machen.“] [5][„Wir müs…
kämpfen, bis es in Ruanda zwölf Millionen Tote gibt.“] [6][„Der Krieg wird
lange dauern, aber Ruanda wird früher verschwinden als Kongo.“] [7][„Die
Israeliten warteten über 40 Jahre unter ägyptischer Herrschaft, auch die
Hutu werden wieder die Oberhand gewinnen.“] [8][„Bereitet eure Grabstätten
vor.“]
Vermutlich waren viele dieser Schreiber noch nicht geboren, als radikale
Hutu-Generäle in Ruanda 1994 zur Tat schritten, um die Tutsi des Landes
auszurotten. Um eine ausgehandelte Machtteilung mit der tutsi-geführten
Rebellenarmee RPF (Ruandische Patriotische Front) zu sabotieren, putschten
sie in Kigali gegen Präsident Juvénal Habyarimana. Sie töteten ihn und ihre
anderen Gegner; zu Zehntausenden wurden in Häusern, an Straßensperren oder
an Fluchtorten Tutsi niedergemetzelt von der Präsidialgarde, der Armee und
paramilitärischen Milizen der Hutu-Jugend namens Interahamwe.
## Kollektives Töten, als Aufräumen inszeniert
Das Töten wurde inszeniert als kollektives Aufräumen, bei dem die braven
Hutu das Land von den bösen Tutsi säubern, von Ungeziefer und Unkraut. Nach
nur wenigen Wochen waren Hunderttausende Tutsi tot. Bis die RPF unter
Führung des heutigen Präsidenten Paul Kagame das Morden stoppte und die
Täter verjagte, waren es eine Million.
[9][Unter dem Schutz französischer Eingreiftruppen] zogen sich Ruandas
Völkermordgeneräle in das benachbarte Kongo zurück, das damals noch Zaire
hieß. Mehrfach hat Ruanda dort gegen sie eingegriffen, aber bis heute sind
Reste der einstigen Völkermordarmee unter dem Namen FDLR (Demokratische
Kräfte zur Befreiung Ruandas) im Ostkongo präsent, geduldet vom
kongolesischen Staat, und träumen von der Rückeroberung Ruandas.
Das ist längst auch ein kongolesischer Konflikt, denn auch in Kongo gibt es
ruandischsprachige Bevölkerungen, geteilt in Hutu und Tutsi. Kongos Tutsi
trauen Kongos Staat nicht, da dieser sich mit Ruandas Völkermordtätern
verbündet hat, und unterhalten eigene bewaffnete Gruppen. Kongos Staat
traut Ruandas Staat nicht, da dieser kongolesische Tutsi-Rebellen
unterstützt, und rüstet gegen Ruanda auf. Ruandas Staat traut Kongos Staat
nicht, da dieser die flüchtigen ruandischen Völkermordtäter unterstützt,
und unterstützt die kongolesischen Tutsi-Kämpfer.
Aktuell verlieren alle Akteure in diesem ewigen Teufelskreis die Geduld.
Kongos Tutsi-Rebellen halten die Grenzmetropole Goma umzingelt und
[10][verstärken den militärischen Druck]. In den Elendslagern rundherum
bilden sich Milizen unter dem Namen [11][Wazalendo (Patrioten)] als
paramilitärische Hilfstruppe gegen die M23.
## Aufgeputschte Jugendtruppen, damals wie heute
Kongos Wazalendo von 2024 sind strukturell identisch mit Ruandas
Interahamwe von 1994: aufgeputschte und leicht manipulierbare
Jugendtruppen, die die Tutsi zum kollektiven Feind erklären und von
offizieller Seite ermutigt und aufgerüstet werden. Das „patriotische“ Lager
der DR Kongo will nicht nur [12][Kongos Tutsi auslöschen], sondern auch
Ruanda erobern, dessen Präsident Kagame als Urheber allen kongolesischen
Übels gebrandmarkt wird.
Das ist in der DR Kongo zunehmend Mainstream. Quer durch alle politischen
Lager wurde im Wahlkampf 2023 Härte gegen Ruanda gefordert. Die Wazalendo
erklärten offiziell ihre Unterstützung für Kongos Präsidenten Felix
Tshisekedi, und er [13][rief im Wahlkampf zum Krieg gegen Ruanda auf]. Nach
seiner Wiederwahl will er davon nichts mehr wissen, aber er sollte nicht
davon ausgehen, dass seine Unterstützer ihn nicht beim Wort nehmen.
## Der Druck von außen ist groß
Sollte Tshisekedi jetzt doch noch in Richtung Verhandlungen einschwenken,
und der regionale Druck in diese Richtung ist groß, könnte ihm die
Kontrolle entgleiten. Dann droht ihm ein ähnliches Schicksal wie
Habyarimana vor 30 Jahren, die Extremisten könnten sich verselbständigen
und der Krieg überschwappen.
Die regionale Dimension erzeugt zusätzliche Brisanz. Im Nachbarland
[14][Burundi] regieren ehemalige Hutu-Rebellen, die einst gemeinsam mit
ruandischen Hutu-Milizen in Kongos Wäldern standen. Burundis Präsident
Évariste Ndayishimiye traf im Januar in Kinshasa Wazalendo-Führer und rief
zum Regimewechsel in Ruanda auf; Burundi könnte zum Sprungbrett für Kongos
Krieg gegen Ruanda werden.
In Ruandas nördlichem Nachbarland Uganda hat Präsident Yoweri Museveni, der
einst die Gründung der RPF in Uganda ermöglichte, soeben seinen Sohn
Muhoozi Kainerugaba zum Armeechef ernannt, der sich öffentlich als
Beschützer der Tutsi präsentiert.
Der Jahrestag des Völkermords in Ruanda ist dieses Jahr mehr als ein
Gedenktag. Er findet in einem Klima der Mobilisierung statt, die auf allen
Seiten umso leichter fällt, als die junge Generation von heute den Horror
von 1994 nicht selbst miterlebt hat. „Die Gräber sind noch nicht voll“,
lautete 1994 ein viel zitierter Mobilisierungsspruch, der die Hutu-Milizen
zum Töten anspornen sollte. 2024 stehen wieder Totengräber bereit.
25 Mar 2024
## LINKS
[1] /M23-Rebellenchef-ueber-Kongo/!5893776
[2] /Belagerte-Stadt-Goma-in-Kongo/!5992143
[3] /Schwerpunkt-Voelkermord-in-Ruanda/!t5013600
[4] https://twitter.com/LosFaucon333/status/1771146380330799164
[5] https://twitter.com/ptshipama14/status/1771227184205615374
[6] https://twitter.com/kabongo_kabwayi/status/1771180333922496668
[7] https://twitter.com/MaghomaSte16789/status/1771139311812948283
[8] https://twitter.com/MuelaSerge/status/1771456404869525880
[9] /Voelkermord-in-Ruanda/!5758154
[10] /Krieg-im-Osten-der-DR-Kongo/!5994817
[11] /Milizen-in-der-DR-Kongo/!5977887
[12] /Gewalt-gegen-Tutsi-in-Kongo/!5923405
[13] /Hitler-Vergleich-in-Kongos-Wahlkampf/!5975951
[14] /Kaempfe-in-der-DR-Kongo/!5988881
## AUTOREN
Dominic Johnson
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