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# taz.de -- M23-Rebellen in Goma: Gekommen, um zu bleiben
> Im Osten der Demokratischen Republik Kongo soll ein Staat im Staat
> errichtet werden. Die erste Bank wurde wiedereröffnet. Hilft das dem
> Frieden?
Bild: Kämpfer der M23-Rebellengruppe stehen Wache bei der Eröffnungszeremonie…
Der rote Teppich ist ausgerollt. [1][Die Rebellen der M23 (Bewegung des 23.
März)] kommen in frisch polierten Geländewagen ohne Nummernschilder
angefahren. Auf den Dächern der benachbarten Gebäude halten Kämpfer Wache.
Fast die ganze M23-Führung hat sich an diesem verregneten Morgen vor der
Bankfiliale im Zentrum von Goma eingefunden, der Hauptstadt der Provinz
Nord-Kivu im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Festzelte wurden auf
dem Parkplatz errichtet, eine Bühne mit einem Rednerpult aufgebaut.
Dahinter hängt ein rotes Band mit einer blauen Schleife vor dem Eingang.
Aus den Lautsprechern schallen die Strophen der deutschen Rockband
Scorpions: „You and I just had a dream.“
Es ist ein wichtiger Tag für die M23. Denn seit die kongolesischen Rebellen
Ende Januar Goma eroberten und dort ihre Führung installierten, sind alle
Banken und öffentlichen Institutionen geschlossen, seitdem liegt die
Wirtschaft am Boden. Zweieinhalb Monate später eröffnen die Rebellen nun
die erste Bankfiliale neu – ein Meilenstein, um die Geldflüsse in Ostkongos
wichtigster Handelsmetropole wieder in Gang zu bringen.
Draußen auf der Straße kommen von überall her Menschen angelaufen. Sie sind
neugierig, die meisten haben ohnehin nichts zu tun. Das sonst so
geschäftige Goma wirkt vielerorts wie ausgestorben. Auf den früher
vollgestopften Straßen sind kaum noch Autos und Motorrad-Taxen unterwegs.
Nur wenige Läden haben geöffnet. Die zahlreichen Hotels, Restaurants und
Kneipen sind wie leergefegt, viele gar geschlossen. Die Hoftore zu den
zahlreichen Handelsfirmen, hinter denen sonst kongolesische Rohstoffe wie
Zinn, Tantal und Wolfram für den Export gelagert werden, sind mit schweren
Vorhängeschlössern verriegelt.
## Leere auf dem Zentralmarkt
Die Wirtschaft steht praktisch still. Selbst auf dem Zentralmarkt entlang
der Hauptstraße herrscht gähnende Leere. Nur wenige Stände sind mit Waren
bestückt. „Ich habe seit zwei Tagen nichts verkauft“, klagt ein älterer
grauhaariger Mann, der gelangweilt auf einem Schemel hockt. Er will nicht
mit seinem Namen zitiert werden. Überall geht die Angst um, offen über
Probleme zu sprechen – aus Furcht vor den Rebellen.
Der alte Mann zeigt auf seine Auslage: Rasierklingen, Seife und Schuhcreme,
ordentlich sortiert. „Die Leute haben einfach kein Geld zur Hand, um sich
irgendetwas zu kaufen“, klagt er. Und diejenigen, die sich noch etwas
leisten können, würden nur via mobilem Geldtransfer bezahlen. Wie überall
in Afrika bieten auch in der DR Kongo die Telefongesellschaften bargeldlose
Zahlmethoden an, um Guthaben von einem Telefon auf das andere zu
transferieren. Doch dies kostet hohe Gebühren und darauf werden jetzt
zusätzlich Steuern erhoben. „Damit mache ich dann Verluste“, sagt der Alte.
Am Stand nebenan sitzt eine zierliche Frau zwischen Jeans, Polohemden,
Daunenjacken und Adidas-Turnschuhen. Sie ist in bunte Tücher gehüllt. Vor
ihr steht ein Eimer auf dem matschigen Boden, wo Regenwasser hineintropft,
das durch die Decke sickert. Die Regenzeit hat eingesetzt und es ist kalt
und klamm. Normalerweise mache sie in dieser Jahreszeit mit ihren warmen
Jacken einen guten Umsatz, berichtet sie. Doch dieses Jahr nicht: „Solange
die Menschen nicht einmal etwas zu Essen haben, kaufen sie sonst nichts
ein“, sagt sie und guckt sich vorsichtig um, ob jemand zuhört. „Wir sind am
Anfang einer Hungerkatastrophe“, flüstert sie hinter vorgehaltener Hand.
„Wir wissen nicht mehr, wie wir unsere Kinder ernähren sollen.“
## Steuern für die Rebellen
[2][Ob sie ihren Marktstand weiter unterhalten könne – auch das sei nun
ungewiss.] Denn der Marktbetreiber fordere wöchentlich weiter die
Standmiete ein. Anstelle der staatlichen Behörden würden nun die Rebellen
Steuern einkassieren, egal ob sie etwas verkauft oder nicht. „Um meinen
Kindern etwas zu Essen zu kochen, habe ich in den vergangenen Wochen alle
unsere Habseligkeiten verkauft“, seufzt sie und zählt auf: Radio,
Fernseher, einige Möbel. „Ich habe nicht einmal einen guten Preis verlangen
können, weil ja niemand in der Stadt Geld übrig hat.“ Immerhin, so seufzt
sie, seien die Lebensmittelpreise seit Beginn der Rebellenherrschaft wieder
etwas gesunken.
Die Händlerin deutet den Gang entlang in Richtung der Obst- und
Gemüseabteilung. Dort sind knallgrüne Avocados, violette Zwiebeln und
pralle Mangos aufgehäuft. Das vulkanische Umland von Goma ist sehr
fruchtbar, es wächst hier alles im Überfluss – wenn Frieden herrscht. Seit
der Einnahme Gomas durch die M23 können die Bauern aus dem Umland wieder
ihre Ernten auf Gomas Märkte bringen. Vorher war Goma jahrelang belagert,
die Fernstraßen waren unpassierbar, kein Lastwagen kam hinein oder hinaus,
es gab kaum mehr frische Lebensmittel, und wenn, dann mussten sie aus
Ruanda importiert werden. In Goma gab es kaum etwas zu essen in jener Zeit.
Heute ist das anders – aber nur wenn man Geld hat.
„Die Avocados sind wunderbar reif – wollen Sie mal kosten?“, fragt eine
Marktverkäuferin, die sich mit dem Namen Grace vorstellt. Es ist nicht ihr
richtiger Name. Die 32-jährige Mutter von fünf Kindern hat ihn sich
ausgesucht, um frei sprechen zu können. „Man weiß ja nie, wie die
Herrschenden reagieren, wenn man etwas Kritisches sagt“, gibt sie zu
verstehen.
„Es hat sich einiges zum Guten und anderes zum Schlechten verändert, seit
die Rebellen an der Macht sind“, führt sie aus: „Die Preise für frische
Waren sind sogar gesunken, weil es Überangebot gibt.“ Sie zeigt mit dem
Messer, mit welchem sie die Avocado aufgeschnitten hat, neben dem Stand auf
den Boden. Dort häufen sich verrottete Tomaten, Kohl mit braunen Blättern
und verwelkte Frühlingszwiebeln. „Ich muss fast alles wegwerfen, weil es
niemand kauft“, klagt sie. „Und zu Hause hungern meine Kinder und können
nicht zur Schule gehen, weil ich die Gebühren nicht bezahlen kann.“ Hat sie
Hoffnung, dass sich die Wirtschaft wieder normalisiert? Sie seufzt. „Das
wäre gut“, sagt sie: „Wir einfachen Leute wollen ja nur Frieden – egal w…
uns regiert.“
## Rauben, plündern, töten
Doch Frieden und Sicherheit – das stellt sich in Goma unter M23-Herrschaft
nicht wirklich ein. Goma ist seit jeher für seine hohe Kriminalität
bekannt, vor allem nach Sonnenuntergang. Zu Zeiten der Belagerung durch die
M23-Rebellen sorgten in Goma „patriotische“ Jugendmilizen (Wazalendo), die
gemeinsam mit Kongos Armee gegen die M23 kämpfen sollten, für zusätzliche
Unsicherheit. Die M23 versprach, aufzuräumen und Sicherheit zu schaffen.
Aber immer noch machen jede Nacht Bewaffnete die Stadtrandgebiete unsicher,
dringen mit vorgehaltener Waffe in Häuser ein, rauben, plündern, töten. Die
Bevölkerung ist Übergriffen schutzlos ausgeliefert: Nicht einmal die seit
Jahrzehnten in Goma stationierten UN-Blauhelme sind noch auf den Straßen
offiziell präsent. Von ihren weißen Fahrzeugen wurde sogar der Schriftzug
„UN“ entfernt. Dabei ist es ihr offizielles Mandat, die Bevölkerung zu
schützen.
Anfang April wurde im nördlichen Stadtrandviertel Nyiragongo, benannt nach
dem Vulkan, der sich majestätisch über Goma erhebt, eine elfköpfige Familie
beim Abendessen überfallen und brutal abgeschlachtet, auch die Kinder – der
brutalste einer ganzen Serie tödlicher Überfälle in den vergangenen Wochen.
Die M23 schickt dann ihre mobile Eingreiftruppe los – ein paar Dutzend
M23-Kämpfer auf weißen Geländewagen, die dem M23-Geheimdienstchef Oberst
John Nzenze unterstehen.
Wer die Täter sind, ist oft nicht festzustellen. Die Regierung beschuldigt
die M23 und das Nachbarland Ruanda, das die Rebellen unterstützt. Umgekehrt
beschuldigt die M23 Kongos Armee und die mit ihr verbündeten Milizen, die
sich nach M23-Darstellung immer noch um Goma versteckt halten und Überfälle
verüben würden. Kongos Regierungsarmee betont, sie sei gar nicht da, ihre
nächsten Einheiten stünden 300 Kilometer von Goma entfernt.
Auch Ruandas Armee ist in Goma nicht mehr sichtbar präsent. Fakt ist, dass
es am Stadtrand von Goma immer wieder Tote gibt – zuletzt am vergangenen
Wochenende, als bei schweren nächtlichen Kämpfen zahlreiche Menschen
starben. Die Regierung warf den Rebellen vor, 52 Menschen getötet zu haben.
Die Rebellen sprachen von einem zurückgeschlagenen Angriff von mit der
Regierung verbündeten Milizen.
## „Du bist jetzt tot“
Auf einem Schulhof im Viertel Nyiragongo werden die Folgen dieser
andauernden Gewalt sichtbar. Eine Schar Jungen in kurzen Hosen und
schmutzig-weißen Hemden spielen Krieg. Einer schießt mit einem unsichtbaren
Gewehr, der andere fällt um, wälzt sich im staubigen Boden. „Du bist jetzt
tot“, brüllen einige.
In den Klassenzimmern hocken hunderte Grundschüler hungrig und müde auf den
Bänken. „Sie können sich nur wenig konzentrieren“, klagt eine Lehrerin, d…
aus Sicherheitsgründen ihren Namen nicht nennen will. „Viele sind
traumatisiert und können nachts nicht schlafen, weil Banditen die Gassen
unsicher machen.“
Dann klingelt die Glocke und sie schickt die Schüler*innen nach Hause.
Doch nur die wenigsten machen sich auf den Heimweg. Die meisten bleiben im
Schulhof. „Zu Hause wartet kein Mittagessen auf sie“, erklärt die Lehrerin
die Situation. Sie sei selbst Mutter von vier Kleinkindern und könne
nachvollziehen, wie die Lage in den Familien sei. Viele Väter seien
Soldaten in der Regierungsarmee. Sie seien entweder im Krieg gegen die M23
gefallen oder irgendwo auf der Flucht. Die Mütter seien nun nach der
Einnahme der Stadt durch die Rebellen mit den Kindern sich selbst
überlassen.
„Selbst wir bekommen seit Januar kaum unseren Lohn ausgezahlt, weil unsere
Bankkonten eingefroren sind“, klagt sie und zeigt auf ihr Mobiltelefon. Die
Regierung in Kinshasa habe zwar nun endlich begonnen, die Gehälter für
Staatsangestellte in den M23-Gebieten via mobilem Geldtransfer auf das
Handy auszubezahlen. Doch das System funktioniere nicht sehr gut: „Nicht
alle sind im System mit ihrer Telefonnummer gespeichert und für März und
April haben wir immer noch nichts bekommen“, erklärt sie.
Vor der Bankfiliale im Stadtzentrum salutieren bewaffnete Leibwächter,
[3][als Corneille Nangaa aus dem schwarzen Geländewagen steigt]. Nangaa,
der frühere Leiter der kongolesischen Wahlkommission, ist nun Chef der
Rebellenallianz AFC (Allianz des Kongo-Flusses), ein kurz vor Kongos Wahlen
2023 gegründeter Verband unterschiedlicher bewaffneter Gruppen und
exilierter politischer Gegner der kongolesischen Regierung. Die M23 ist die
wichtigste und stärkste Kraft in der AFC, die nun die politischen Geschäfte
im Rebellengebiet leitet.
Im beigen Hemd und Spazierstock schreitet Nangaa den roten Teppich entlang.
Er muss viele Hände schütteln. Er wird mit „Seine Exzellenz“ angesprochen.
M23-Kommandeur Jimmy Nzamuye in Flecktarnuniform und Pistole am Gürtel
salutiert und schlägt die Hacken zusammen. Der gestandene Rebellenoberst
ist zuständig für die militärische Sicherheit in Goma. Neben ihm steht
Joseph Bahati Erasto im grauen Nadelstreifenanzug, der ihm viel zu groß
ist.
Der M23-Politiker wurde von den Rebellen zum Provinzgouverneur von
Nord-Kivu ernannt. Er ist ein enger Vertrauter von [4][M23-Militärchef
Sultani Makenga.] Der scheue, unnahbare Rebellenführer hat sich in einer
Villa am Ufer des Kivu-Sees verschanzt, in welcher zuvor die örtlichen
Vertreter der französischen Botschaft residierten. Per Funkgerät
koordiniert er von seiner Veranda seine Truppen.
Für den Rebellenchef gibt es Tag und Nacht viel zu tun. Denn anders als
2012, als Makenga mit seinen Kämpfern schon einmal Goma erobert hatte, um
die Regierung in die Knie und damit an den Verhandlungstisch zu zwingen,
sieht es diesmal nicht danach aus, als würde die M23 bald wieder abziehen.
Sie sind wohl gekommen, um länger zu bleiben.
## Ein Staat im Staat
Die Rebellen sind derzeit dabei, in den von ihnen eroberten Gebieten ihre
Herrschaft zu konsolidieren und einen Staat im Staat zu errichten. Sie
haben eine Provinzregierung eingesetzt und eigene Minister und
Bürgermeister ernannt. Sie haben Kämpfer in Polizeiuniformen auf die
Straßen entsandt, um den Verkehr zu regeln. Sie ziehen nun auch wöchentlich
Steuern von der Bevölkerung ein. Anders als 2012 haben sie dieses Mal die
Banktresore nicht leergeräumt, sondern bewaffnete Kämpfer vor den
verrammelten Türen postiert, um die Reserven zu sichern.
Kongos Regierung von Präsident Felix Tshisekedi wurde im Ostkongo
militärisch geschlagen. Sie versucht, mit wirtschaftlichen Mitteln
gegenzuhalten. Die Zentralbank in der fernen Hauptstadt Kisnhasa sperrte
alle Geldströme ins Rebellengebiet. Bankfilialen mussten schließen,
Geldautomaten wurden abgeschaltet, die Konten eingefroren, die Wirtschaft
lahmgelegt.
Das soll sich nun ändern. Die Bank CADECO (Caisse Générale d’Epargne du
Congo) war bislang eine Sparkasse für Kongos Kleinunternehmer, ohne
Anbindung zum internationalen Finanzsystem. Eine „Familienbank“, wie sie
sich selbst nennt. Jetzt will die AFC/M23 die CADECO-Filiale in Goma als
eine Art Zentralbank nutzen: sie will dort ihre Steuereinnahmen einzahlen
und verwalten und von dort aus Gehälter und Kredite auszahlen.
Die M23 hat dafür den Verwaltungsrat der Bank mit loyalen Kadern besetzt.
Der ehemalige M23-Sprecher Amani Kabasha wurde zum Generalinspekteur
ernannt und sitzt im Verwaltungsrat, um die M23-Konten zu überwachen. Die
CADECO-Zentrale in Kinshasa hat dagegen Protest eingelegt, vergeblich.
Bevor es mit der Eröffnungsfeier losgeht, erheben sich alle und stehen
stramm. Kongos Nationalhymne dröhnt aus den Lautsprechern. Die Rebellen
singen und salutieren. Dann tritt der von der M23 eingesetzte neue
Bankdirektor Javane Sangano ans Rednerpult: „Heute ist ein denkwürdiger Tag
für unsere Kunden“, verkündet er feierlich. „Denn den Einwohnern von Goma
wurde ihr legitimes Recht auf Zugriff auf ihre Ersparnisse entzogen“,
erklärt Sangano und sagt: „Daher möchte ich unsere aktuellen und
potenziellen Kunden einladen, noch heute vorbeizukommen und unsere
Finanzangebote kennenzulernen, wir werden auch Kredite vergeben.“ Die
Anwesenden klatschen.
Dann übernimmt der [5][AFC-Vorsitzende Nangaa] das Mikrofon. Neben ihm
positionieren sich zwei Leibwächter mit verspiegelten Sonnenbrillen: „Das
Regime in Kinshasa hat sich bewusst dafür entschieden, die Bevölkerung der
befreiten Provinzen Nord- und Süd-Kivu zu bestrafen“, wettert er: „Doch
dieses Geld gehört dem Volk! Der Ausfall der Geldautomaten zwingt die
Bürger, nach informellen und oft teuren Alternativen zu suchen, um an ihr
Geld zu kommen. “ Dann schneidet er das blaue Band durch.
## Das Geld gehört dem Volk
Einen Staat aus dem Nichts aufzubauen, ist nicht so einfach, dessen ist
sich auch [6][M23-Präsident Bertrand Bisimwa] bewusst. Begleitet von einem
Konvoi bewaffneter Kämpfer fährt der ranghöchste Rebellenpolitiker nach der
Bankeröffnung auf den Parkplatz des modernen Glasgebäudes mit den blau
verspiegelten Fenstern. „DGM“ prangt in großen Lettern an der Balustrade �…
Kongos staatliche Migrationsbehörde, die die Grenzen überwacht und für Ein-
und Ausreisen zuständig ist. Das DGM-Gebäude in Goma unweit der Grenze zu
Ruanda ist jetzt der Sitz der Rebellenregierung.
Im Hintergrund hämmern und schweißen Bauarbeiter. In brauner Lederjacke und
Adidas-Mütze zeigt Bisimwa auf einen großen Konferenzsaal jenseits des
Parkplatzes. „Mein Büro wird gerade noch renoviert“, sagt er heiser. „La…
uns im Konferenzsaal Platz nehmen.“ Das Sprechen fällt ihm schwer.
Er habe die Grippe, gibt der Rebellenpräsident zu. Die Strapazen des fast
dreijährigen Krieges, der enorme Arbeitsaufwand seit der Einnahme der
Provinzhauptstädte Goma und Bukavu im Januar und Februar – man sieht ihm
an, dass der Stress an ihm nagt. Jetzt reist er auch noch ständig zwischen
Goma und Katars Hauptstadt Doha hin und her. Seit Kurzem finden dort
Sondierungsgespräche zwischen Kongos Regierung und den Rebellen statt.
Katar hat sich nämlich nach dem Scheitern afrikanischer
Vermittlungsversuche als neutraler Vermittler angeboten.
Über die Verhandlungen darf und will Bisimwa auch nicht sprechen. Seit mehr
als 12 Jahren leitet er als politischer Rebellenchef alle Gesprächsrunden
mit Kongos Regierung. Alle vergeblich. Umso wichtiger sei es nun, dass die
M23 in ihrem Gebiet vorbildlich agiere. Eine Art Vorzeigestaat schwebt ihm
vor, der beweist, dass die Rebellen das Land besser regieren können als die
Regierung in Kinshasa. „Wir wollen einen Staat, der die Menschenrechte
achtet, der seine Bürger respektiert und der sie versöhnt, anstatt sie zu
spalten“, erklärt Bisimwa seine Zukunftsvision. „Dies ist ein solcher
Staat, den wir in diesem Land errichten müssen.“
Die Eröffnung der CADECO sei nun ein „interessanter Moment“, so Bisimwa. Es
sei an der Zeit, dass die Bevölkerung nach dem Krieg das soziale und
wirtschaftliche Leben wieder aufnehmen könne. Die M23 arbeite zudem daran,
ein neues Justizsystem aufzubauen, das „fair und gerecht“ sei, so Bisimwa.
Dafür müsste aber die Korruption der Richter beendet und die
Beamtengehälter zuverlässig ausbezahlt werden. „Denn wir haben diese
Revolution hier gerade deshalb durchgeführt, um Gerechtigkeit zu schaffen“,
so Bisimwa.
Er deutet an, dass dies Teil der Gespräche mit der Regierung in Doha sei.
„Da Kinshasa beschlossen hat, uns über die Bevölkerung zu bestrafen, indem
es die Menschen leiden lässt, werden wir alles tun, um sicherzustellen,
dass die kongolesische Bevölkerung und insbesondere die Arbeiter und
Staatsangestellten weiterhin bezahlt werden.“
Die Regierung sei zudem für die Unsicherheit in den Armenvierteln am
Stadtrand verantwortlich, betont Bisimwa. Sie bezahle Milizen und Soldaten
in Zivil, um Gomas Vororte unsicher zu machen. „Kinshasa schickt ihnen
Geld, um ihnen zu sagen, dass sie unseren Streitkräften in ihren Vierteln
Widerstand leisten können, mit Waffen und Granaten. So verhaften wir diese
jungen Männer mit der Unterstützung der Bevölkerung selbst, die uns anruft
und uns sagt, wo diese Leute sind.“
Dann steht er auf, schlingt seinen Schal enger um den Hals und macht sich
begleitet von bewaffneten Kämpfern auf den Weg zum Auto: Er will sich noch
mal ausruhen vor der nächsten Reise nach Doha. „Wir sind noch kein
funktionsfähiger Staat“, betont er zum Abschluss, „sondern nur eine
befreite Zone.“
Für die Einwohner der „befreiten Zone“ bleibt nun nur zu hoffen, dass die
Friedensgespräche rasch zu einem Ergebnis führen, dass die Wirtschaft in
Gang kommt und die Unsicherheit abnimmt. „Wir haben so viele Kriege
erlebt“, sagt die Grundschullehrerin in Nyiragongo und blickt dabei aus dem
Fenster auf den Schulhof, wo die Kinder Krieg spielen. Sie hebt die
Schultern und seufzt. „Aber es war noch nie so schlimm wie jetzt“, flüstert
sie und guckt sich vorsichtig um, ob auch niemand zuhört. Dann sagt sie,
was auch die Verkäuferin auf dem Markt sagte: „Wir wollen doch nur Frieden
– egal wer uns regiert.“
16 Apr 2025
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Simone Schlindwein
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