| # taz.de -- M23-Rebellen in Goma: Gekommen, um zu bleiben | |
| > Im Osten der Demokratischen Republik Kongo soll ein Staat im Staat | |
| > errichtet werden. Die erste Bank wurde wiedereröffnet. Hilft das dem | |
| > Frieden? | |
| Bild: Kämpfer der M23-Rebellengruppe stehen Wache bei der Eröffnungszeremonie… | |
| Der rote Teppich ist ausgerollt. [1][Die Rebellen der M23 (Bewegung des 23. | |
| März)] kommen in frisch polierten Geländewagen ohne Nummernschilder | |
| angefahren. Auf den Dächern der benachbarten Gebäude halten Kämpfer Wache. | |
| Fast die ganze M23-Führung hat sich an diesem verregneten Morgen vor der | |
| Bankfiliale im Zentrum von Goma eingefunden, der Hauptstadt der Provinz | |
| Nord-Kivu im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Festzelte wurden auf | |
| dem Parkplatz errichtet, eine Bühne mit einem Rednerpult aufgebaut. | |
| Dahinter hängt ein rotes Band mit einer blauen Schleife vor dem Eingang. | |
| Aus den Lautsprechern schallen die Strophen der deutschen Rockband | |
| Scorpions: „You and I just had a dream.“ | |
| Es ist ein wichtiger Tag für die M23. Denn seit die kongolesischen Rebellen | |
| Ende Januar Goma eroberten und dort ihre Führung installierten, sind alle | |
| Banken und öffentlichen Institutionen geschlossen, seitdem liegt die | |
| Wirtschaft am Boden. Zweieinhalb Monate später eröffnen die Rebellen nun | |
| die erste Bankfiliale neu – ein Meilenstein, um die Geldflüsse in Ostkongos | |
| wichtigster Handelsmetropole wieder in Gang zu bringen. | |
| Draußen auf der Straße kommen von überall her Menschen angelaufen. Sie sind | |
| neugierig, die meisten haben ohnehin nichts zu tun. Das sonst so | |
| geschäftige Goma wirkt vielerorts wie ausgestorben. Auf den früher | |
| vollgestopften Straßen sind kaum noch Autos und Motorrad-Taxen unterwegs. | |
| Nur wenige Läden haben geöffnet. Die zahlreichen Hotels, Restaurants und | |
| Kneipen sind wie leergefegt, viele gar geschlossen. Die Hoftore zu den | |
| zahlreichen Handelsfirmen, hinter denen sonst kongolesische Rohstoffe wie | |
| Zinn, Tantal und Wolfram für den Export gelagert werden, sind mit schweren | |
| Vorhängeschlössern verriegelt. | |
| ## Leere auf dem Zentralmarkt | |
| Die Wirtschaft steht praktisch still. Selbst auf dem Zentralmarkt entlang | |
| der Hauptstraße herrscht gähnende Leere. Nur wenige Stände sind mit Waren | |
| bestückt. „Ich habe seit zwei Tagen nichts verkauft“, klagt ein älterer | |
| grauhaariger Mann, der gelangweilt auf einem Schemel hockt. Er will nicht | |
| mit seinem Namen zitiert werden. Überall geht die Angst um, offen über | |
| Probleme zu sprechen – aus Furcht vor den Rebellen. | |
| Der alte Mann zeigt auf seine Auslage: Rasierklingen, Seife und Schuhcreme, | |
| ordentlich sortiert. „Die Leute haben einfach kein Geld zur Hand, um sich | |
| irgendetwas zu kaufen“, klagt er. Und diejenigen, die sich noch etwas | |
| leisten können, würden nur via mobilem Geldtransfer bezahlen. Wie überall | |
| in Afrika bieten auch in der DR Kongo die Telefongesellschaften bargeldlose | |
| Zahlmethoden an, um Guthaben von einem Telefon auf das andere zu | |
| transferieren. Doch dies kostet hohe Gebühren und darauf werden jetzt | |
| zusätzlich Steuern erhoben. „Damit mache ich dann Verluste“, sagt der Alte. | |
| Am Stand nebenan sitzt eine zierliche Frau zwischen Jeans, Polohemden, | |
| Daunenjacken und Adidas-Turnschuhen. Sie ist in bunte Tücher gehüllt. Vor | |
| ihr steht ein Eimer auf dem matschigen Boden, wo Regenwasser hineintropft, | |
| das durch die Decke sickert. Die Regenzeit hat eingesetzt und es ist kalt | |
| und klamm. Normalerweise mache sie in dieser Jahreszeit mit ihren warmen | |
| Jacken einen guten Umsatz, berichtet sie. Doch dieses Jahr nicht: „Solange | |
| die Menschen nicht einmal etwas zu Essen haben, kaufen sie sonst nichts | |
| ein“, sagt sie und guckt sich vorsichtig um, ob jemand zuhört. „Wir sind am | |
| Anfang einer Hungerkatastrophe“, flüstert sie hinter vorgehaltener Hand. | |
| „Wir wissen nicht mehr, wie wir unsere Kinder ernähren sollen.“ | |
| ## Steuern für die Rebellen | |
| [2][Ob sie ihren Marktstand weiter unterhalten könne – auch das sei nun | |
| ungewiss.] Denn der Marktbetreiber fordere wöchentlich weiter die | |
| Standmiete ein. Anstelle der staatlichen Behörden würden nun die Rebellen | |
| Steuern einkassieren, egal ob sie etwas verkauft oder nicht. „Um meinen | |
| Kindern etwas zu Essen zu kochen, habe ich in den vergangenen Wochen alle | |
| unsere Habseligkeiten verkauft“, seufzt sie und zählt auf: Radio, | |
| Fernseher, einige Möbel. „Ich habe nicht einmal einen guten Preis verlangen | |
| können, weil ja niemand in der Stadt Geld übrig hat.“ Immerhin, so seufzt | |
| sie, seien die Lebensmittelpreise seit Beginn der Rebellenherrschaft wieder | |
| etwas gesunken. | |
| Die Händlerin deutet den Gang entlang in Richtung der Obst- und | |
| Gemüseabteilung. Dort sind knallgrüne Avocados, violette Zwiebeln und | |
| pralle Mangos aufgehäuft. Das vulkanische Umland von Goma ist sehr | |
| fruchtbar, es wächst hier alles im Überfluss – wenn Frieden herrscht. Seit | |
| der Einnahme Gomas durch die M23 können die Bauern aus dem Umland wieder | |
| ihre Ernten auf Gomas Märkte bringen. Vorher war Goma jahrelang belagert, | |
| die Fernstraßen waren unpassierbar, kein Lastwagen kam hinein oder hinaus, | |
| es gab kaum mehr frische Lebensmittel, und wenn, dann mussten sie aus | |
| Ruanda importiert werden. In Goma gab es kaum etwas zu essen in jener Zeit. | |
| Heute ist das anders – aber nur wenn man Geld hat. | |
| „Die Avocados sind wunderbar reif – wollen Sie mal kosten?“, fragt eine | |
| Marktverkäuferin, die sich mit dem Namen Grace vorstellt. Es ist nicht ihr | |
| richtiger Name. Die 32-jährige Mutter von fünf Kindern hat ihn sich | |
| ausgesucht, um frei sprechen zu können. „Man weiß ja nie, wie die | |
| Herrschenden reagieren, wenn man etwas Kritisches sagt“, gibt sie zu | |
| verstehen. | |
| „Es hat sich einiges zum Guten und anderes zum Schlechten verändert, seit | |
| die Rebellen an der Macht sind“, führt sie aus: „Die Preise für frische | |
| Waren sind sogar gesunken, weil es Überangebot gibt.“ Sie zeigt mit dem | |
| Messer, mit welchem sie die Avocado aufgeschnitten hat, neben dem Stand auf | |
| den Boden. Dort häufen sich verrottete Tomaten, Kohl mit braunen Blättern | |
| und verwelkte Frühlingszwiebeln. „Ich muss fast alles wegwerfen, weil es | |
| niemand kauft“, klagt sie. „Und zu Hause hungern meine Kinder und können | |
| nicht zur Schule gehen, weil ich die Gebühren nicht bezahlen kann.“ Hat sie | |
| Hoffnung, dass sich die Wirtschaft wieder normalisiert? Sie seufzt. „Das | |
| wäre gut“, sagt sie: „Wir einfachen Leute wollen ja nur Frieden – egal w… | |
| uns regiert.“ | |
| ## Rauben, plündern, töten | |
| Doch Frieden und Sicherheit – das stellt sich in Goma unter M23-Herrschaft | |
| nicht wirklich ein. Goma ist seit jeher für seine hohe Kriminalität | |
| bekannt, vor allem nach Sonnenuntergang. Zu Zeiten der Belagerung durch die | |
| M23-Rebellen sorgten in Goma „patriotische“ Jugendmilizen (Wazalendo), die | |
| gemeinsam mit Kongos Armee gegen die M23 kämpfen sollten, für zusätzliche | |
| Unsicherheit. Die M23 versprach, aufzuräumen und Sicherheit zu schaffen. | |
| Aber immer noch machen jede Nacht Bewaffnete die Stadtrandgebiete unsicher, | |
| dringen mit vorgehaltener Waffe in Häuser ein, rauben, plündern, töten. Die | |
| Bevölkerung ist Übergriffen schutzlos ausgeliefert: Nicht einmal die seit | |
| Jahrzehnten in Goma stationierten UN-Blauhelme sind noch auf den Straßen | |
| offiziell präsent. Von ihren weißen Fahrzeugen wurde sogar der Schriftzug | |
| „UN“ entfernt. Dabei ist es ihr offizielles Mandat, die Bevölkerung zu | |
| schützen. | |
| Anfang April wurde im nördlichen Stadtrandviertel Nyiragongo, benannt nach | |
| dem Vulkan, der sich majestätisch über Goma erhebt, eine elfköpfige Familie | |
| beim Abendessen überfallen und brutal abgeschlachtet, auch die Kinder – der | |
| brutalste einer ganzen Serie tödlicher Überfälle in den vergangenen Wochen. | |
| Die M23 schickt dann ihre mobile Eingreiftruppe los – ein paar Dutzend | |
| M23-Kämpfer auf weißen Geländewagen, die dem M23-Geheimdienstchef Oberst | |
| John Nzenze unterstehen. | |
| Wer die Täter sind, ist oft nicht festzustellen. Die Regierung beschuldigt | |
| die M23 und das Nachbarland Ruanda, das die Rebellen unterstützt. Umgekehrt | |
| beschuldigt die M23 Kongos Armee und die mit ihr verbündeten Milizen, die | |
| sich nach M23-Darstellung immer noch um Goma versteckt halten und Überfälle | |
| verüben würden. Kongos Regierungsarmee betont, sie sei gar nicht da, ihre | |
| nächsten Einheiten stünden 300 Kilometer von Goma entfernt. | |
| Auch Ruandas Armee ist in Goma nicht mehr sichtbar präsent. Fakt ist, dass | |
| es am Stadtrand von Goma immer wieder Tote gibt – zuletzt am vergangenen | |
| Wochenende, als bei schweren nächtlichen Kämpfen zahlreiche Menschen | |
| starben. Die Regierung warf den Rebellen vor, 52 Menschen getötet zu haben. | |
| Die Rebellen sprachen von einem zurückgeschlagenen Angriff von mit der | |
| Regierung verbündeten Milizen. | |
| ## „Du bist jetzt tot“ | |
| Auf einem Schulhof im Viertel Nyiragongo werden die Folgen dieser | |
| andauernden Gewalt sichtbar. Eine Schar Jungen in kurzen Hosen und | |
| schmutzig-weißen Hemden spielen Krieg. Einer schießt mit einem unsichtbaren | |
| Gewehr, der andere fällt um, wälzt sich im staubigen Boden. „Du bist jetzt | |
| tot“, brüllen einige. | |
| In den Klassenzimmern hocken hunderte Grundschüler hungrig und müde auf den | |
| Bänken. „Sie können sich nur wenig konzentrieren“, klagt eine Lehrerin, d… | |
| aus Sicherheitsgründen ihren Namen nicht nennen will. „Viele sind | |
| traumatisiert und können nachts nicht schlafen, weil Banditen die Gassen | |
| unsicher machen.“ | |
| Dann klingelt die Glocke und sie schickt die Schüler*innen nach Hause. | |
| Doch nur die wenigsten machen sich auf den Heimweg. Die meisten bleiben im | |
| Schulhof. „Zu Hause wartet kein Mittagessen auf sie“, erklärt die Lehrerin | |
| die Situation. Sie sei selbst Mutter von vier Kleinkindern und könne | |
| nachvollziehen, wie die Lage in den Familien sei. Viele Väter seien | |
| Soldaten in der Regierungsarmee. Sie seien entweder im Krieg gegen die M23 | |
| gefallen oder irgendwo auf der Flucht. Die Mütter seien nun nach der | |
| Einnahme der Stadt durch die Rebellen mit den Kindern sich selbst | |
| überlassen. | |
| „Selbst wir bekommen seit Januar kaum unseren Lohn ausgezahlt, weil unsere | |
| Bankkonten eingefroren sind“, klagt sie und zeigt auf ihr Mobiltelefon. Die | |
| Regierung in Kinshasa habe zwar nun endlich begonnen, die Gehälter für | |
| Staatsangestellte in den M23-Gebieten via mobilem Geldtransfer auf das | |
| Handy auszubezahlen. Doch das System funktioniere nicht sehr gut: „Nicht | |
| alle sind im System mit ihrer Telefonnummer gespeichert und für März und | |
| April haben wir immer noch nichts bekommen“, erklärt sie. | |
| Vor der Bankfiliale im Stadtzentrum salutieren bewaffnete Leibwächter, | |
| [3][als Corneille Nangaa aus dem schwarzen Geländewagen steigt]. Nangaa, | |
| der frühere Leiter der kongolesischen Wahlkommission, ist nun Chef der | |
| Rebellenallianz AFC (Allianz des Kongo-Flusses), ein kurz vor Kongos Wahlen | |
| 2023 gegründeter Verband unterschiedlicher bewaffneter Gruppen und | |
| exilierter politischer Gegner der kongolesischen Regierung. Die M23 ist die | |
| wichtigste und stärkste Kraft in der AFC, die nun die politischen Geschäfte | |
| im Rebellengebiet leitet. | |
| Im beigen Hemd und Spazierstock schreitet Nangaa den roten Teppich entlang. | |
| Er muss viele Hände schütteln. Er wird mit „Seine Exzellenz“ angesprochen. | |
| M23-Kommandeur Jimmy Nzamuye in Flecktarnuniform und Pistole am Gürtel | |
| salutiert und schlägt die Hacken zusammen. Der gestandene Rebellenoberst | |
| ist zuständig für die militärische Sicherheit in Goma. Neben ihm steht | |
| Joseph Bahati Erasto im grauen Nadelstreifenanzug, der ihm viel zu groß | |
| ist. | |
| Der M23-Politiker wurde von den Rebellen zum Provinzgouverneur von | |
| Nord-Kivu ernannt. Er ist ein enger Vertrauter von [4][M23-Militärchef | |
| Sultani Makenga.] Der scheue, unnahbare Rebellenführer hat sich in einer | |
| Villa am Ufer des Kivu-Sees verschanzt, in welcher zuvor die örtlichen | |
| Vertreter der französischen Botschaft residierten. Per Funkgerät | |
| koordiniert er von seiner Veranda seine Truppen. | |
| Für den Rebellenchef gibt es Tag und Nacht viel zu tun. Denn anders als | |
| 2012, als Makenga mit seinen Kämpfern schon einmal Goma erobert hatte, um | |
| die Regierung in die Knie und damit an den Verhandlungstisch zu zwingen, | |
| sieht es diesmal nicht danach aus, als würde die M23 bald wieder abziehen. | |
| Sie sind wohl gekommen, um länger zu bleiben. | |
| ## Ein Staat im Staat | |
| Die Rebellen sind derzeit dabei, in den von ihnen eroberten Gebieten ihre | |
| Herrschaft zu konsolidieren und einen Staat im Staat zu errichten. Sie | |
| haben eine Provinzregierung eingesetzt und eigene Minister und | |
| Bürgermeister ernannt. Sie haben Kämpfer in Polizeiuniformen auf die | |
| Straßen entsandt, um den Verkehr zu regeln. Sie ziehen nun auch wöchentlich | |
| Steuern von der Bevölkerung ein. Anders als 2012 haben sie dieses Mal die | |
| Banktresore nicht leergeräumt, sondern bewaffnete Kämpfer vor den | |
| verrammelten Türen postiert, um die Reserven zu sichern. | |
| Kongos Regierung von Präsident Felix Tshisekedi wurde im Ostkongo | |
| militärisch geschlagen. Sie versucht, mit wirtschaftlichen Mitteln | |
| gegenzuhalten. Die Zentralbank in der fernen Hauptstadt Kisnhasa sperrte | |
| alle Geldströme ins Rebellengebiet. Bankfilialen mussten schließen, | |
| Geldautomaten wurden abgeschaltet, die Konten eingefroren, die Wirtschaft | |
| lahmgelegt. | |
| Das soll sich nun ändern. Die Bank CADECO (Caisse Générale d’Epargne du | |
| Congo) war bislang eine Sparkasse für Kongos Kleinunternehmer, ohne | |
| Anbindung zum internationalen Finanzsystem. Eine „Familienbank“, wie sie | |
| sich selbst nennt. Jetzt will die AFC/M23 die CADECO-Filiale in Goma als | |
| eine Art Zentralbank nutzen: sie will dort ihre Steuereinnahmen einzahlen | |
| und verwalten und von dort aus Gehälter und Kredite auszahlen. | |
| Die M23 hat dafür den Verwaltungsrat der Bank mit loyalen Kadern besetzt. | |
| Der ehemalige M23-Sprecher Amani Kabasha wurde zum Generalinspekteur | |
| ernannt und sitzt im Verwaltungsrat, um die M23-Konten zu überwachen. Die | |
| CADECO-Zentrale in Kinshasa hat dagegen Protest eingelegt, vergeblich. | |
| Bevor es mit der Eröffnungsfeier losgeht, erheben sich alle und stehen | |
| stramm. Kongos Nationalhymne dröhnt aus den Lautsprechern. Die Rebellen | |
| singen und salutieren. Dann tritt der von der M23 eingesetzte neue | |
| Bankdirektor Javane Sangano ans Rednerpult: „Heute ist ein denkwürdiger Tag | |
| für unsere Kunden“, verkündet er feierlich. „Denn den Einwohnern von Goma | |
| wurde ihr legitimes Recht auf Zugriff auf ihre Ersparnisse entzogen“, | |
| erklärt Sangano und sagt: „Daher möchte ich unsere aktuellen und | |
| potenziellen Kunden einladen, noch heute vorbeizukommen und unsere | |
| Finanzangebote kennenzulernen, wir werden auch Kredite vergeben.“ Die | |
| Anwesenden klatschen. | |
| Dann übernimmt der [5][AFC-Vorsitzende Nangaa] das Mikrofon. Neben ihm | |
| positionieren sich zwei Leibwächter mit verspiegelten Sonnenbrillen: „Das | |
| Regime in Kinshasa hat sich bewusst dafür entschieden, die Bevölkerung der | |
| befreiten Provinzen Nord- und Süd-Kivu zu bestrafen“, wettert er: „Doch | |
| dieses Geld gehört dem Volk! Der Ausfall der Geldautomaten zwingt die | |
| Bürger, nach informellen und oft teuren Alternativen zu suchen, um an ihr | |
| Geld zu kommen. “ Dann schneidet er das blaue Band durch. | |
| ## Das Geld gehört dem Volk | |
| Einen Staat aus dem Nichts aufzubauen, ist nicht so einfach, dessen ist | |
| sich auch [6][M23-Präsident Bertrand Bisimwa] bewusst. Begleitet von einem | |
| Konvoi bewaffneter Kämpfer fährt der ranghöchste Rebellenpolitiker nach der | |
| Bankeröffnung auf den Parkplatz des modernen Glasgebäudes mit den blau | |
| verspiegelten Fenstern. „DGM“ prangt in großen Lettern an der Balustrade �… | |
| Kongos staatliche Migrationsbehörde, die die Grenzen überwacht und für Ein- | |
| und Ausreisen zuständig ist. Das DGM-Gebäude in Goma unweit der Grenze zu | |
| Ruanda ist jetzt der Sitz der Rebellenregierung. | |
| Im Hintergrund hämmern und schweißen Bauarbeiter. In brauner Lederjacke und | |
| Adidas-Mütze zeigt Bisimwa auf einen großen Konferenzsaal jenseits des | |
| Parkplatzes. „Mein Büro wird gerade noch renoviert“, sagt er heiser. „La… | |
| uns im Konferenzsaal Platz nehmen.“ Das Sprechen fällt ihm schwer. | |
| Er habe die Grippe, gibt der Rebellenpräsident zu. Die Strapazen des fast | |
| dreijährigen Krieges, der enorme Arbeitsaufwand seit der Einnahme der | |
| Provinzhauptstädte Goma und Bukavu im Januar und Februar – man sieht ihm | |
| an, dass der Stress an ihm nagt. Jetzt reist er auch noch ständig zwischen | |
| Goma und Katars Hauptstadt Doha hin und her. Seit Kurzem finden dort | |
| Sondierungsgespräche zwischen Kongos Regierung und den Rebellen statt. | |
| Katar hat sich nämlich nach dem Scheitern afrikanischer | |
| Vermittlungsversuche als neutraler Vermittler angeboten. | |
| Über die Verhandlungen darf und will Bisimwa auch nicht sprechen. Seit mehr | |
| als 12 Jahren leitet er als politischer Rebellenchef alle Gesprächsrunden | |
| mit Kongos Regierung. Alle vergeblich. Umso wichtiger sei es nun, dass die | |
| M23 in ihrem Gebiet vorbildlich agiere. Eine Art Vorzeigestaat schwebt ihm | |
| vor, der beweist, dass die Rebellen das Land besser regieren können als die | |
| Regierung in Kinshasa. „Wir wollen einen Staat, der die Menschenrechte | |
| achtet, der seine Bürger respektiert und der sie versöhnt, anstatt sie zu | |
| spalten“, erklärt Bisimwa seine Zukunftsvision. „Dies ist ein solcher | |
| Staat, den wir in diesem Land errichten müssen.“ | |
| Die Eröffnung der CADECO sei nun ein „interessanter Moment“, so Bisimwa. Es | |
| sei an der Zeit, dass die Bevölkerung nach dem Krieg das soziale und | |
| wirtschaftliche Leben wieder aufnehmen könne. Die M23 arbeite zudem daran, | |
| ein neues Justizsystem aufzubauen, das „fair und gerecht“ sei, so Bisimwa. | |
| Dafür müsste aber die Korruption der Richter beendet und die | |
| Beamtengehälter zuverlässig ausbezahlt werden. „Denn wir haben diese | |
| Revolution hier gerade deshalb durchgeführt, um Gerechtigkeit zu schaffen“, | |
| so Bisimwa. | |
| Er deutet an, dass dies Teil der Gespräche mit der Regierung in Doha sei. | |
| „Da Kinshasa beschlossen hat, uns über die Bevölkerung zu bestrafen, indem | |
| es die Menschen leiden lässt, werden wir alles tun, um sicherzustellen, | |
| dass die kongolesische Bevölkerung und insbesondere die Arbeiter und | |
| Staatsangestellten weiterhin bezahlt werden.“ | |
| Die Regierung sei zudem für die Unsicherheit in den Armenvierteln am | |
| Stadtrand verantwortlich, betont Bisimwa. Sie bezahle Milizen und Soldaten | |
| in Zivil, um Gomas Vororte unsicher zu machen. „Kinshasa schickt ihnen | |
| Geld, um ihnen zu sagen, dass sie unseren Streitkräften in ihren Vierteln | |
| Widerstand leisten können, mit Waffen und Granaten. So verhaften wir diese | |
| jungen Männer mit der Unterstützung der Bevölkerung selbst, die uns anruft | |
| und uns sagt, wo diese Leute sind.“ | |
| Dann steht er auf, schlingt seinen Schal enger um den Hals und macht sich | |
| begleitet von bewaffneten Kämpfern auf den Weg zum Auto: Er will sich noch | |
| mal ausruhen vor der nächsten Reise nach Doha. „Wir sind noch kein | |
| funktionsfähiger Staat“, betont er zum Abschluss, „sondern nur eine | |
| befreite Zone.“ | |
| Für die Einwohner der „befreiten Zone“ bleibt nun nur zu hoffen, dass die | |
| Friedensgespräche rasch zu einem Ergebnis führen, dass die Wirtschaft in | |
| Gang kommt und die Unsicherheit abnimmt. „Wir haben so viele Kriege | |
| erlebt“, sagt die Grundschullehrerin in Nyiragongo und blickt dabei aus dem | |
| Fenster auf den Schulhof, wo die Kinder Krieg spielen. Sie hebt die | |
| Schultern und seufzt. „Aber es war noch nie so schlimm wie jetzt“, flüstert | |
| sie und guckt sich vorsichtig um, ob auch niemand zuhört. Dann sagt sie, | |
| was auch die Verkäuferin auf dem Markt sagte: „Wir wollen doch nur Frieden | |
| – egal wer uns regiert.“ | |
| 16 Apr 2025 | |
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| Simone Schlindwein | |
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