| # taz.de -- Deutsche Asylpolitik: Abschieben in die Schattenwirtschaft | |
| > Flüchtende erwarten in Griechenland prekäre Jobs und Obdachlosigkeit. | |
| > Aber Deutschland will Abschiebungen dorthin ermöglichen. | |
| Bild: Zumutbar? Flüchtlinge auf Rhodos | |
| Lesbos taz | Vielleicht sucht ja der Wirt der Taverne, der den Touristen in | |
| der Straße hinter der Hafenpromenade hervorragenden Oktopus in Rotweinsoße | |
| serviert, noch eine Bedienung. Vielleicht braucht der Betreiber des Hotels, | |
| von dessen Zimmern aus man über das sichelförmige Hafenbecken Mytilinis, | |
| der Inselhauptstadt von Lesbos, bis zu den Bergen auf dem nahen türkischen | |
| Festland herüberschauen kann, noch jemanden, der die Betten macht. Oder | |
| vielleicht sucht auch ein Bauer auf der Insel noch eine Helferin für die | |
| Ernte, schließlich müssen ab Oktober die Oliven von den rund 11 Millionen | |
| immergrünen Bäumen auf [1][Lesbos] gepflückt werden. | |
| Solche Jobs werden hier oft unter der Hand vergeben – prekär, temporär, | |
| schlecht bezahlt. „Schattenwirtschaft“ heißt das dann. In Griechenlands | |
| Hotellerie, der Gastronomie, auf dem Bau oder in der Landwirtschaft ist | |
| dies weit verbreitet. Vor allem für Migrant:innen geht dies oft mit | |
| Lohnbetrug, Mindestlohnverstößen, extrem langen Arbeitszeiten oder | |
| ungeschützter Arbeit in großer Hitze einher. | |
| Doch in Griechenlands „Schattenwirtschaft“ nach Beschäftigung zu suchen – | |
| das empfahl kürzlich das Bundesverwaltungsgericht abgeschobenen | |
| Flüchtlingen, um über die Runden zu kommen. Der erstaunliche Satz dazu | |
| lautet: Ihre „Grundbedürfnisse einschließlich Ernährung können sie durch | |
| eigenes Erwerbseinkommen, anfänglich jedenfalls in der sogenannten | |
| Schattenwirtschaft, decken“. Der Satz steht in einer Mitteilung des | |
| Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig vom 30. April. Das hatte zwei Urteile | |
| aus Hessen bestätigt. In den Verfahren ging es um die Frage, ob Deutschland | |
| nach rund 15 Jahren wieder regulär nach Griechenland abschieben darf. | |
| So lange ist es her, dass Gerichte verboten hatten, Menschen aus | |
| Deutschland in den EU-Staat Griechenland zurückzuschicken. „Erniedrigende | |
| Haft- und Lebensbedingungen“ drohten dort, entschied bereits 2009 unter | |
| anderem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. | |
| Griechenland gewährt Asylsuchenden heute zwar minimale Leistungen. Wer aber | |
| als Geflüchtete anerkannt wird, der bekommt gar nichts mehr. Das bloße | |
| Existenzminimum – zuletzt unter dem Schlagwort „Bett, Brot, Seife“ in der | |
| Diskussion – ist nicht gesichert. Trotzdem sehen deutsche Gerichte es | |
| erstmals wieder so, dass es „keine unmenschliche oder erniedrigende | |
| Aufnahmesituation“ gebe. „Arbeitsfähige, gesunde und alleinstehende junge�… | |
| Männer dürften also abgeschoben werden. | |
| Vier deutsche Innenminister – Wolfgang Schäuble (CDU), Thomas de Maizière | |
| (CDU), Horst Seehofer (CSU) und [2][Nancy Faeser (SPD)] – hatten lange auf | |
| diesen Sinneswandel hingearbeitet. Mit Geld und guten Worten, aber auch mit | |
| Druck auf die griechische Regierung. Die Ampel hatte vor allem seit Anfang | |
| 2024 ihre entsprechenden Bemühungen dazu intensiviert. Das zeigen interne | |
| Dokumente aus dem Bundesinnenministerium, [3][die die | |
| Informationsfreiheits-Plattform FragDenStaat zugänglich gemacht hat]. Aus | |
| ihnen geht hervor, dass die Ministerialbeamten über den Umweg von | |
| Interventionen bei der griechischen Regierung gezielt versuchten, die | |
| „Rechtsprechungsänderungen der Obergerichte weiterhin vorantreiben“, wie | |
| die Beamten notierten. | |
| Dabei hatten sie offenkundig Erfolg. In Griechenland seien zwar der „Zugang | |
| zu Obdach, Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen“ mit „sehr großen | |
| Schwierigkeiten verbunden“ und Sozialleistungen praktisch nicht zu | |
| erlangen, befand 2024 der Verwaltungsgerichtshof Kassel. Die „größten | |
| Chancen, eine Arbeit zu finden“, gäbe es angesichts der „entspannten | |
| wirtschaftlichen Lage“ im „Sektor der Schattenwirtschaft“. Dies verwehre | |
| den dort Beschäftigten zwar „den Zugang zur sozialen Sicherheit und setzt | |
| sie anhaltender Unsicherheit aus“, so das Gericht. | |
| Trotzdem sei es „nicht unzumutbar“, anerkannte Schutzberechtigte nach einer | |
| Abschiebung vorübergehend auf „Arbeit im Bereich der Schattenwirtschaft zu | |
| verweisen“. [4][Ende Juni entschied auch das Verwaltungsgericht Hamburg, | |
| dass verbotene „Tagelöhnertätigkeiten“ für Abgeschobene in Griechenland | |
| „zumutbar“ seien.] Dabei beklagte die Europäische Grundrechteagentur FRA | |
| schon vor Jahren „schwere Formen der Arbeitsausbeutung“ bei | |
| Migrant:innen in Griechenlands Schattenwirtschaft. Eine Untersuchung | |
| der Universität Nottingham sah gar Formen „moderner Sklaverei“, etwa auf | |
| griechischen Erdbeerplantagen. | |
| Die Iranerin Setareh E.* sucht seit Monaten auf Lesbos nach Arbeit. | |
| Reihenweise bewarb sie sich bei Restaurants und Hotels auf der Insel – ohne | |
| Erfolg. „Keiner hat auf meine Bewerbungen auch nur geantwortet“, sagt sie. | |
| „None of Your business“ hat E. auf dem Unterarm tätowiert, die Augenpartie | |
| ist geschminkt, die Haare zusammengebunden, so kommt sie zum Gespräch in | |
| das Büro einer Hilfsorganisation in der Nähe des Fähranlegers von Mytilini. | |
| Wer sie nach ihrer Geschichte fragt, dem erzählt Setareh E. von ihrer | |
| Odysee, die damit endet, dass sie 2022 von Teheran bis nach Zürich | |
| geflohen war und dann wieder nach Griechenland abgeschoben wurde. Seit dem | |
| Frühjahr sitzt E. auf der Insel fest. | |
| Am Abend, da wird das Licht weich über der Ägäis, das Blau des Meeres | |
| kriegt einen rosafarbenen Schimmer und der Wind weht sanft aus der Türkei | |
| herüber. Seit dem vergangenen Jahr können Türk:innen für sieben Tage | |
| visafrei auf einigen griechischen Inseln Urlaub machen, und so ist jetzt, | |
| an einem Abend Anfang Juli, die Innenstadt von Mytilini gut besucht. Neue | |
| Restaurants und Hotels haben eröffnet, neue Flug- und Fährverbindungen | |
| bringen Touristen auf die Insel. „Aber die Jobs gehen alle an Griechen“, | |
| sagt Setareh E. Und so weiß sie nicht, wie sie überleben würde, wäre sie | |
| nicht in einem Haus untergekommen, das eine NGO für queere Geflüchtete | |
| angemietet hat. „Ich will eine eigene Wohnung, will für mich selber kochen | |
| können, meine Ruhe haben, Besuch empfangen“, sagt E. Doch wie es aussieht, | |
| liegen diese Dinge für sie noch in weiter Ferne. | |
| 2022 ging E. in Teheran auf die Straße, es war die Zeit der Proteste nach | |
| dem Tod von Jina Mahsa Amini. Die junge Frau war wegen „unislamischer | |
| Kleidung“ von der Sittenpolizei festgenommen worden. „Sie haben sie | |
| ermordet“, sagt E. über das Schicksal Aminis, der sie sich verbunden fühlt. | |
| E. ist ausgebildete Fitnesstrainerin, das war ihr Beruf im Iran. „Ich ging | |
| in meinem Sportoutfit auch auf die Straße“, sagt sie, sie trug das Kopftuch | |
| mit Absicht, so locker es eben ging. So geriet auch E. mit den | |
| Sittenwächtern aneinander. | |
| Je länger die weltweit beachteten Proteste der iranischen Frauen im Herbst | |
| 2022 dauerten, desto brutaler wurde die Polizei. Mindestens 100 Menschen | |
| wurden bei den Protesten getötet, weit mehr verhaftet. E.s Angst wurde zu | |
| groß, sagt sie. Sie floh aus dem Iran, über die Türkei versuchte sie nach | |
| Griechenland zu gelangen. Drei Mal schob die Polizei sie Anfang 2023 über | |
| die Landgrenze am Evros-Fluss zurück. Dann bestieg E. ein Boot und | |
| erreichte Lesbos. Ende 2023 wurde ihr Asylantrag positiv beschieden. Sie | |
| musste das Flüchtlingslager verlassen und saß auf der Straße. | |
| So geht es jedes Jahr zehntausenden Geflüchteten in Griechenland. Das Land | |
| erkennt Schutzsuchende aus einer Reihe von Ländern vergleichsweise schnell | |
| an. Danach aber überlässt sie sie praktisch vollständig sich selbst – wohl | |
| auch in der Hoffnung, dass viele dann in andere EU-Staaten weiterziehen. | |
| Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) kamen | |
| seit 2020 nahezu 100.000 Ausländer:innen, die in Griechenland bereits | |
| Schutz erhalten hatten, nach Deutschland und beantragten hier erneut Asyl. | |
| Das sei zwar unzulässig, eine Abschiebung innerhalb Europas aber sei bei | |
| drohender „Verelendung“ im Zielstaat nicht rechtens, so das Bamf. Doch dass | |
| Menschen wie Setareh E. in Griechenland Verelendung drohe – „diese | |
| Sichtweise wurde nun durch das aktuelle Urteil revidiert“, so das Bamf. | |
| Dessen Präsident Hans-Eckhard Sommer begrüßte das Urteil und sah seine | |
| „Rechtsauffassung bestätigt“. Das Urteil werde seine Behörde „sofort | |
| umsetzen und Asylanträge dieses Personenkreises konsequent als unzulässig | |
| ablehnen“. Und um „deutlich zu machen, dass sich die Weiterwanderung nach | |
| Deutschland nicht lohnt, muss es nun schnell zu Abschiebungen nach | |
| Griechenland kommen“. | |
| Deutschland hatte lange darauf hingewirkt, dass es für Geflüchtete | |
| zumindest auf dem Papier „Bett, Brot, Seife“ gibt. Denn das | |
| Innenministerium will nicht nur die bereits in Griechenland Anerkannten | |
| zurückschicken. Geht es nach Kanzler Merz und Innenminister Dobrindt, | |
| sollen auch all jene Asylsuchenden direkt dorthin zurückgewiesen werden, | |
| die künftig an den deutschen Grenzen aufschlagen, aber bereits in | |
| Griechenland behördlich erfasst wurden. | |
| Die Dokumente des Bundesinnenministeriums, die die Plattform FragDenStaat | |
| veröffentlicht hat, zeigen, dass die Ampel versucht hat, Griechenland zur | |
| Ausweitung eines EU-finanzierten Hilfsprogramms für Geflüchtete namens | |
| „Helios+“ zu bewegen. Dessen Vorläufer – „Helios“ – war Ende 2024 | |
| ausgelaufen. Leistungen daraus erhalten hatten in der vierjährigen Laufzeit | |
| seit 2020 insgesamt nur rund 4.200 Menschen. Das sind etwa 3 Prozent der in | |
| Griechenland lebenden Schutzberechtigten. Nur ein Bruchteil also – und kaum | |
| genug, um alle vor „Verelendung“ zu bewahren. Eine Ausweitung des | |
| Nachfolgeprogramms Helios+ aber würde die Lage für Geflüchtete in | |
| Griechenland verbessern, heißt es in einem Vermerk des | |
| Bundesinnenministeriums von 2024. „Hierdurch können wir dann auch weitere | |
| Personengruppen als lediglich junge, gesunde und erwerbsfähige anerkannt | |
| Schutzberechtigte zurückführen.“ | |
| Der Staatssekretär Bernd Krösser schickte dazu im April 2024 einen Brief an | |
| den damaligen griechischen Migrationsminister Dimitris Kairidis. Er | |
| „unterstütze ausdrücklich“, dass künftig auch jene Geflüchteten Hilfe a… | |
| dem Helios+-Programm bekommen können, die zwischendurch Griechenland | |
| verlassen hatten, so Krösser. So sollten nach dem Willen des | |
| Bundesinnenministeriums auch jene, die nach einem Aufenthalt in Deutschland | |
| abgeschoben werden, Leistungen beantragen können. | |
| Die Rechnung ging auf: Im Urteil des VGH Kassel etwa werden – neben den | |
| Verdienstmöglichkeiten in der „Schattenwirtschaft“ – die Leistungen aus … | |
| Helios+-Programm als Faktor genannt, der der Verelendung vorbeugen soll. | |
| Genau das aber ist höchst fraglich. | |
| Im Juli 2024 notierten Beamte aus dem Bundesinnenministerium (BMI), dass | |
| Griechenland „Vorbehalte“ gegen die deutschen Vorstellungen zu dem | |
| Helios+-Programm habe. Eine Antragstellung noch vor einer Rückkehr aus | |
| Deutschland wollte Athen nicht gestatten. Eine Unterbringungen | |
| Abgeschobener „unmittelbar nach Rückführung“ mochte Griechenland nicht | |
| garantieren, die völlig unzureichende Wohnbeihilfe wollte es nicht erhöhen. | |
| „Gefahr der Obdachlosigkeit“, schrieben die BMI-Beamten dazu in einem | |
| internen Vermerk. Dies wäre nicht ausreichend, um die Voraussetzungen der | |
| „Bett-Brot-Seife“-Rechtsprechung der deutschen Verwaltungsgerichte zu | |
| erfüllen. | |
| Gleichwohl tat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seither | |
| so, als sei bei dem Existenzminimum für nach Griechenland Abgeschobene | |
| alles geritzt. Im ersten Halbjahr 2024 hatte die Behörde nur 3,6 Prozent | |
| der Anträge von Asylsuchenden mit Flüchtlingsanerkennung aus Griechenland | |
| abgelehnt. Zwischen Juli und Oktober 2024 kehrte sich dies nach einer | |
| Auswertung von Pro Asyl um: Plötzlich wurden 87,1 Prozent der Antragsteller | |
| abgelehnt. Die Schutzsuchenden mit laufendem Verfahren bekamen einen Brief, | |
| um sie zur freiwilligen Rückkehr nach Griechenland zu bewegen. Von einem | |
| Abholservice vom Flughafen, vier Monaten kostenloser Unterkunft mit | |
| „Vollverpflegung“, Beratungsgesprächen für einen „erfolgreichen Neuanfa… | |
| und einem Griechischkurs ist in diesem Brief die Rede. | |
| Auf Anfrage der taz gibt sich das Innenministerium zugeknöpft. Bei Helios+ | |
| handele sich um ein „rein nationales Integrationsprogramm des griechischen | |
| Staates, an dem Deutschland nicht beteiligt ist“. Das Bamf verweist auf ein | |
| ergänzendes, ominöses „Überbrückungsprogramm“, das „Obdachlosigkeit | |
| entgegenwirken“ soll. | |
| Als Setareh E. nach ihrer Abschiebung am Flughafen in Athen landete, | |
| „hatten die Polizisten nicht einmal meine Taschen als Gespäck aufgegeben“, | |
| sagt sie. „Ich hatte gar nichts, nicht mal eine Haarbürste. Wie kann man | |
| einer Frau so etwas antun?“, fragt sie. „Ich fühlte mich verlassen, ging | |
| zur Polizei, aber die sagten nur, „raus aus dem Flughafen', es gab | |
| keinerlei Hilfe.“ In Athen kannte sie niemand. Also rief sie eine | |
| Aktivistin an, die sie im Vorjahr auf Lesbos kennengelernt hatte. „Die | |
| schickte mir Geld für das Fährticket und holte mich am Hafen ab.“ | |
| Im Mai 2025 beantragte sie Unterstützungsleistungen aus dem Programm. „Bis | |
| jetzt habe ich nichts von ihnen gehört“, sagt sie. Ob sie etwas bekommt, | |
| ist fraglich: Voraussetzung sind ein Mietvertrag und ein Bankkonto in | |
| Griechenland. | |
| Mitarbeiter von unabhängigen Beratungsstellen auf Lesbos berichten, dass | |
| die für die Umsetzung des Programms zuständige IOM, die Internationale | |
| Organisation für Migration, noch dabei ist, Personal zu suchen. | |
| Helios+-Anträge könnten zwar gestellt werden, würden aber noch nicht | |
| bearbeitet. | |
| Die für die Region zuständige IOM-Vertreterin Marina Liakis hat ein Büro in | |
| dem Lager Kara Tepe, etwas außerhalb von Mytilini. Es ist ein staubiges, | |
| umzäuntes Provisorium aus Containern und Zelten für 3.000 Menschen. Wer das | |
| Lager besucht, wird von Konstantin Scarellis, dem stellvertretenden Leiter, | |
| in einem klimatisierten Bürocontainer empfangen. Er zeigt eine | |
| Präsentation. Unter anderem ist darin ein Foto zu sehen, das eine | |
| Vertreterin der EU-Kommission zeigt. Sie besucht eine der „Jobmessen“ im | |
| Flüchtlingslager von Lesbos. Geflüchtete sollen so für die Zeit nach ihrer | |
| Anerkennung mit Arbeitgebern in Kontakt kommen, berichtet Scarellis. Für | |
| die Anerkannten gebe es also sehr wohl Wege in den Arbeitsmarkt, will | |
| Scarellis damit sagen. Allerdings: Gerade einmal 55 Menschen wurden so im | |
| ersten Halbjahr vermittelt, bei wie vielen dieser Jobs es sich nicht nur um | |
| Tagelöhnerei handelt, ist offen. | |
| Ein Gespräch mit der IOM-Vertreterin Marina Liakis zum Thema Helios+ sei | |
| „gar kein Problem“, sagt dann einer von Scarellis Mitarbeitern. Dann heißt | |
| es, Liakis sei gerade beschäftigt und zu den IOM-Containern hätten Besucher | |
| keinen Zugang. Dann steckt der Mitarbeiter sein Handy aus. „Das ist ihre | |
| Nummer“, sagt er, man könne sich „draußen vor dem Tor“ mit Frau Liakis … | |
| Gespräch verabreden, gar kein Problem. Doch die IOM-Frau Liakis verweist | |
| dann am Telefon auf die IOM-Zentrale in Athen, die auf wiederholte Anfragen | |
| nicht reagiert. Nach einer Woche schickt Liakis dann eine Nachricht, in der | |
| steht, dass sie „mehr Zeit“ brauche, bevor sie Fragen beantworten könne. | |
| „Das Helios+-Programm ist nichts als heiße Luft, leere Versprechungen und | |
| eine Gefahr für Geflüchtete“, sagt die Linken-Bundestagsabgeordnete Clara | |
| Bünger. Was es verspreche, gebe es in der Realität nicht: | |
| Integrationsangebote und besonders eine sichere Unterkunft. „Die Realität | |
| ist, dass Geflüchtete immer noch in der Obdachlosigkeit landen, wenn sie in | |
| Griechenland anerkannt werden oder wenn sie im Rahmen des Dublin-Verfahrens | |
| nach Griechenland abgeschoben werden.“ | |
| 246 Personen schob Deutschland 2024 nach Griechenland ab, im ersten Quartal | |
| 2025 waren es dann schon 176 Personen. Ginge es nach der Bundesregierung, | |
| würde die Zahl schnell weiter steigen. Eine taz-Anfrage, wie viele Menschen | |
| das BMI nach Griechenland abzuschieben gedenke, beantwortete das | |
| Ministerium nicht – das sei Ländersache. | |
| Im Mai besuchte der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis | |
| Bundeskanzler Merz in Berlin. Man fühle sich „gemeinsam dem Problem der | |
| Migration nach Europa verpflichtet“, hieß es in der Mitteilung des | |
| Kanzleramtes. „Die Sekundärmigration von Griechenland aus nach Deutschland | |
| muss sinken. Die Rückübernahmen müssen steigen“, sagte Merz. | |
| Doch in Athen sieht man die Sache etwas anders. Seit jeher ist Griechenland | |
| der Meinung, überproportional durch die Flüchtlingsankünfte belastet zu | |
| sein. Die Zurückweisungen an den deutschen Grenzen hatte Mitsotakis’ | |
| Regierung sehr kritisch gesehen. Nach den Gerichtsurteilen, die den Weg für | |
| Abschiebungen nach Griechenland frei machten, sagte der – mittlerweile | |
| wegen eines Agrar-Korruptionsskandals zurückgetretene – rechtsextreme | |
| Migrationsminister Makis Voridis, dass eine Rücknahme aus Deutschland unter | |
| den derzeitigen Umständen nicht infrage komme, da Griechenland nach Zypern | |
| bereits die höchste Anzahl von Flüchtlingen pro Kopf in der EU beherberge. | |
| „Solange es keine gerechte Lastenverteilung innerhalb der Europäischen | |
| Union gibt, wird Griechenland keine Rückführungen akzeptieren“, sagte | |
| Voridis. Anfragen zu Rücknahmen aus Deutschland werde man „nicht sehr | |
| freundlich gegenüberstehen.“ | |
| * Name geändert. | |
| Die Reisekosten wurden von der Rosa-Luxemburg-Stiftung getragen. | |
| 10 Jul 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Schwimmkurse-fuer-Fluechtlinge-auf-Lesbos/!6033796 | |
| [2] /EU-Asylreform-in-Deutschland/!6044282 | |
| [3] https://fragdenstaat.de/artikel/exklusiv/2025/07/aus-deutschland-in-die-obd… | |
| [4] https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/NJRE001580160 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Jakob | |
| ## TAGS | |
| GEAS (Gemeinsames Europäisches Asylsystem) | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| Bundesinnenministerium | |
| Griechenland | |
| Dublin | |
| GNS | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| Musiktheater | |
| Grenzkontrollen | |
| Griechenland | |
| Kanzler Merz | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
| Schwerpunkt Pressefreiheit | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Dobrindts Gipfel auf der Zugspitze: Innenminister wollen noch mehr Härte bei A… | |
| Schluss mit menschenrechtlichen Bedenken. Alexander Dobrindt berät mit | |
| EU-Amtskolleg*innen über Drittstaatsverfahren und weitere Abschiebungen. | |
| Musiktheater in Athen: Oper mit Aussicht | |
| Athen verfügt über spektakuläre Spielstätten für Musiktheater, dank | |
| schwerreicher Mäzene. Gezeigt wird „Turandot“ oder ein Schubert-Abend mit | |
| Geflüchteten. | |
| Deutsch-polnische Einreisekontrollen: Grenzwertig | |
| Seit Wochenbeginn kontrolliert auch Polen die gemeinsame Grenze mit | |
| Deutschland. Die Rechtsextremen freut das. Eine Erkundung an der rot-weißen | |
| Linie. | |
| EU-Außengrenze: Griechenland will Geflüchtete inhaftieren | |
| Die konservative Athener Regierung ergreift in der Asylpolitik harte | |
| Maßnahmen. Und das offenbar mit rechtswidrigen Mitteln. | |
| Generaldebatte im Bundestag: Merz, Spahn und der Schatten der Vergangenheit | |
| Rechtfertigungen für Maskenkäufe und Hetze von rechts: In der | |
| Generaldebatte geht es im Bundestag heiß her. Dabei sollte es eigentlich um | |
| anderes gehen. | |
| Weltflüchtlingstag: Die Bewegung schiebt zurück | |
| Europas Flüchtlingsorganisationen stemmen sich gegen den Rechtsruck: Für | |
| die kommende Zeit sind zahlreiche Projekte geplant. | |
| Neue Enthüllungen im Fall Oury Jalloh: Polizei verschwieg Telefonmitschnitte | |
| Neue Recherchen zeigen: Zwei Telefonate kurz vor dem Tod Oury Jallohs | |
| wurden zwar aufgezeichnet, aber nie den Ermittlungsakten beigefügt. | |
| Politischer Einfluss der Superreichen: Das mächtige Netzwerk der Milliardäre | |
| Superreiche unterstützen weltweit libertäre und rechtsextreme | |
| Organisationen. Die sollen Staat und Gesellschaft in ihrem Sinne umbauen. |