# taz.de -- Politischer Einfluss der Superreichen: Das mächtige Netzwerk der M… | |
> Superreiche unterstützen weltweit libertäre und rechtsextreme | |
> Organisationen. Die sollen Staat und Gesellschaft in ihrem Sinne umbauen. | |
Kaum jemand weiß, wer für Walt Disney das Vorbild für die Figur des | |
Dagobert Duck war: der US-Unternehmer Johan Jakob Astor. Er hinterließ bei | |
seinem Tod 1848 ein Vermögen von rund 40 Millionen Dollar, | |
kaufkraftbereinigt entspräche dies heute etwa 154 Milliarden Dollar. Dem | |
aus Baden-Württemberg stammenden Pelzhändler gelang dieser Aufstieg auch | |
durch die Nähe zu den US-Präsidenten seiner Zeit. Seine American Fur | |
Company, die er mit Unterstützung von Präsident Thomas Jefferson aufgebaut | |
hatte, half der US-Regierung bei der Erschließung der westlichen | |
Territorien. Als Jeffersons Nachfolger James Madison 1812 Kriegsgelder | |
brauchte, war Astor einer der maßgeblichen Gründer der Second Bank of the | |
United States. | |
Die Geschichte der Milliardäre lässt sich seither – und bis zu Elon Musk – | |
auch als eine Geschichte ihrer politischen Einflussnahme erzählen. Das kann | |
in progressiv-philantropischer Weise geschehen wie etwa bei der Open | |
Society Foundation von George Soros oder der Buffett Foundation. Viel | |
häufiger aber dient die politische Einflussnahme von Milliardären der | |
Absicherung und Vergrößerung gigantischer Vermögen zulasten von | |
Allgemeinheit, Demokratie, Grund- und Freiheitsrechten. | |
Und das mit offenkundigem Erfolg: Es gibt immer mehr Milliardäre, und diese | |
werden immer reicher. 2024 kamen der NGO Oxfam zufolge [1][pro Woche | |
weltweit vier neue Milliardär:innen hinzu]. 11 Prozent der über 2.000 | |
von Forbes gelisteten Milliardäre haben [2][laut einer Studie der Uni | |
Cambridge] ein politisches Amt angestrebt oder innegehabt. Überproportional | |
oft vertraten sie dabei rechte oder rechtsextreme Positionen, und besonders | |
oft kommen sie in Autokratien selber an die Macht. Noch häufiger aber gehen | |
Superreiche nicht selber in die Politik, sondern verhelfen ihnen gewogenen | |
Politikern zum Aufstieg – oder machen sich bereits etabliertes politisches | |
Führungspersonal gefügig. | |
Berüchtigt dafür sind unter anderem die Koch-Brüder aus den USA: Die | |
milliardenschweren Erben des mit Öl- und Chemieprodukten zum zweitgrößten | |
US-Konzern aufgestiegenen Unternehmens Koch Industries zählten | |
jahrzehntelang zu den Hauptfinanziers der Republikaner. [3][Über ein | |
weitverzweigtes Netzwerk] zahlten sie Hunderte Millionen unter anderem | |
für Kampagnen gegen Präsident Barack Obama und für den Aufstieg Donald | |
Trumps. | |
Sie sind Teil eines nur schwer zu überblickenden, internationalen Netzwerks | |
aus Wahlkampf- und Lobbyorganisationen, Thinktanks und Stiftungen, die eine | |
libertäre Ideologie eint. Deren Spektrum changiert vom klassisch | |
Neoliberalen ins offen Rechtsextreme, Klimakrisenleugnung und | |
Fossilpropaganda meist inklusive. Wer sich diese Netzwerke näher anschaut, | |
merkt schnell: Sie sind viele, sie sind nah dran an der Macht, sind | |
miteinander eng verbandelt – und kriegen oft Geld von Superreichen. | |
## Kampf gegen Umwelt- und Klimaschutz | |
Da gibt es etwa die Heritage Foundation, die Trumps staatszerstörerische | |
Agenda für die zweite Amtszeit in bemerkenswert ungenierter Offenheit | |
(„Agenda 2025“) vorbereitet hatte. Sie steht dem aus rund 600 | |
Organisationen bestehenden, von der Öl- und Tabakindustrie finanzierten, | |
internationalen Atlas Network nahe. Es bringt libertäre und neoliberale | |
Organisationen unter anderem für den Kampf gegen Umwelt- und Klimaschutz | |
zusammen. | |
Zum Atlas Network zählen unter anderem auch die Klimaleugnerorganisation | |
Heartland Institute und das deutsche Prometheus-Netzwerk – ein von den | |
Ex-FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler und Clemens Schneider | |
gegründeter Thinktank, der für libertäre Positionen kämpft. In diesem | |
Weltbild gilt der Sozialstaat als Ursache allen Übels. Zugunsten des | |
Privatbesitzes sollen soziale Sicherung, Grundversorgung, Klima-, Umwelt-, | |
Arbeits- und Gesundheitsschutz aufgeweicht werden. Auch die libertäre Atlas | |
Initiative um den deutschen Unternehmensberater Markus Krall steht dem | |
Atlas Network nahe. Sie propagiert etwa in der Art von Unternehmen | |
organisierte „Privatstädte“ außerhalb jeder Staatlichkeit – und ist | |
[4][ideologisch mit der Werte-Union und der AfD verbunden]. | |
Die vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall gegründete und von | |
Arbeitgeberverbänden finanzierte Lobbyorganisation Initiative Neue Soziale | |
Marktwirtschaft (INMS) kann jedes Jahr Millionensummen für Kampagnen unter | |
anderem gegen die Energiewende der Grünen ausgeben. Die INMS war unter | |
anderem „Partner“ der Berlin Campaign Conference, auf der sich | |
rechtskonservative Akteure – darunter die Heritage Foundation aus den USA – | |
im September 2024 austauschten. Im Bundestagswahlkampf 2025 organisierte | |
die INSM unter anderem einen von Bild als „Mega-Aufstand gegen Habeck und | |
Scholz“ hochgejazzten [5][„Wirtschaftswarntag“] und gab sechsstellige | |
Summen für ihre Kampagne „SOS Wirtschaft“ zugunsten von Union und FDP aus. | |
Beteiligt an der Kampagne war auch der Verband Die Familienunternehmer, der | |
seit Jahren unter anderem gegen das Lieferkettengesetz, Vermögen- und | |
Erbschaftsteuer, Transparenzgesetz und Klimapolitik lobbyiert und dabei – | |
anders als der Name suggeriert – vor allem von milliardenschweren | |
Großunternehmern getragen wird. | |
Seit Langem beleuchtet der [6][Soziologe Andreas Kemper die Einflussnahme | |
Superreicher] auf die Politik in Deutschland. Diese hätten „zwei | |
Möglichkeiten, auf die Gesetzesgebung einzuwirken: langfristig durch | |
Medienkampagnen oder direkt durch Parteispenden“. Kemper verwies sehr früh | |
unter anderem darauf, dass Milliardäre wie der Bankier August von Finck die | |
AfD in ihren Anfängen finanzierte. Finck hatte wiederum Markus Krall 2019 | |
zum Chef seines Unternehmens Degussa Sonne/Mond Goldhandel ernannt. | |
Als Elon Musk im Januar zugunsten der AfD in den Wahlkampf eingriff, | |
schrieb Kemper: Die AfD „raunt über eine superreiche Elite, die die Fäden | |
in der Hand halte und gegen die sie die einzig wahre Opposition sei. | |
Andererseits feiert sie den mit Abstand reichsten Multimilliardär.“ Bis | |
heute fließen Großspenden an die Partei, jüngst eine offenbar illegal | |
verschleierte Zuwendung des deutsch-schweizerischen Unternehmers Henning | |
Conle. „Die Demokratie ist bedroht durch Milliardäre“, sagt Andreas Kemper. | |
[Anm. d. Red.: In einer vorangehenden Version des Artikels hieß es, Johann | |
Jakob Astor würde aus Walldorf in Hessen stammen. Das ist falsch. | |
Stattdessen stammt er aus Walldorf in Baden-Württemberg.] | |
15 Mar 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.oxfam.de/system/files/documents/oxfam-factsheet-davos-2025-mill… | |
[2] https://www.cambridge.org/core/journals/perspectives-on-politics/article/bi… | |
[3] https://www.opensecrets.org/news/2024/08/koch-network-flagship-super-pac-po… | |
[4] https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/werteunion-richtungsstreit-u… | |
[5] /Wirtschaftswarntag-der-INSM/!6062253 | |
[6] https://andreaskemper.org/2013/03/12/kampagnenfahigkeit-der-reichen-und-dir… | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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