| # taz.de -- Verteidigungsausgaben der Nato-Staaten: Wo Aufrüstung kein Selbstl… | |
| > Beim Nato-Gipfel in Den Haag setzt Generalsekretär Rutte auf Zustimmung | |
| > für mehr Verteidigungsausgaben. Von Geschlossenheit ist keine Rede. | |
| Bild: Hängt das Bündnis ohne die USA in der Luft? Nato-Übung 2023 in Estland | |
| Berlin/Warschau taz | Es gibt derzeit kaum einen Diplomaten, der so viel | |
| unterwegs ist [1][wie Mark Rutte]. Seit mehr als neun Monaten reist der | |
| niederländische Ex-Premierminister durch Europa und über den Atlantik. | |
| Seine Mission: Die Nato-Mitgliedstaaten zu einer halbwegs gemeinsamen Linie | |
| bewegen. | |
| Als Rutte im Oktober das Amt des Nato-Generalsekretärs von Jens Stoltenberg | |
| übernahm, befand sich die Ukraine kurz vor dem dritten Kriegswinter. | |
| Soldaten fehlten an der Front, der Krieg zog sich zäh ohne Aussicht auf ein | |
| Ende hin. Dass Rutte drei Tage nach seinem Amtsantritt nach Kyjiw reiste, | |
| sollte ein starkes Signal der Solidarität sein. Wenige Monate zuvor, beim | |
| Jubiläumsgipfel des Militärbündnisses in Washington im Juli 2024, hatten | |
| die Staaten die Weichen gestellt und der Ukraine rund 40 Milliarden Euro | |
| jährlich zugesagt. Anfang des Jahres kündigte Rutte dann an, dass sogar | |
| mehr als 50 Milliarden zur Verfügung gestellt würden. Mehr als die Hälfte | |
| kämen aus Europa und Kanada, der Rest aus den USA. | |
| Während man 2024 die Stärke des Bündnisses feierte, sieht die Lage jetzt | |
| vor dem Nato-Gipfel in Den Haag gänzlich anders aus. Die Erwartungen an | |
| Rutte sind hoch, manche Analysten meinen gar, dass die Zukunft der Nato vom | |
| kommenden Gipfel abhängt. | |
| US-Präsident Donald Trump [2][will sich aus der Verantwortung ziehen] und | |
| hat eigene geopolitische Pläne. Grund für den Rückzug sind vor allem die | |
| hohen US-amerikanischen Nato-Ausgaben. Trump-exklusiv sind diese | |
| Forderungen allerdings nicht. Dass die USA nicht mehr den Großteil des | |
| Verteidigungsbudgets tragen wollen, haben bereits die demokratischen | |
| Präsidenten Obama und Biden angedeutet. | |
| ## Rutte auf Tour für mehr Verteidigungsausgaben | |
| Als Trump Anfang Januar eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben von den | |
| Nato-Ländern forderte, war die Überraschung dennoch groß. „Sie können es | |
| sich alle leisten, sie sollten bei 5 Prozent und nicht bei 2 Prozent | |
| liegen“, sagte Trump damals in seinem Luxusanwesen Mar-a-Lago. Für viele | |
| Nato-Mitgliedstaaten war zu dem Zeitpunkt eine Erhöhung unvorstellbar. | |
| Hatten doch erst zehn Mitglieder 2023 die „2-Prozent-Vorgabe, also 2 | |
| Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstungsausgaben, erreicht. | |
| Rutte trommelt seitdem bei den Mitgliedstaaten für mehr Investitionen in | |
| die Verteidigung. In seiner Vorstellung folgt daraus eine „bessere Nato“. | |
| So skizzierte es der Niederländer jüngst in einer Rede beim | |
| sicherheitspolitischen Thinktank Chatham House. Mehr Abschreckung und | |
| Aufrüstung sollen vor allem ein Signal an China und Russland sein. Russland | |
| profitiert von chinesischer Technologie und produziert Waffen schneller als | |
| gedacht, warnt Rutte. Was Munition angeht, produziert Russland in drei | |
| Monaten, was die Nato in einem Jahr produziert. | |
| Also braucht es mehr Rüstungsprogramme und mehr Geld. 3,5 Prozent sollen | |
| rein für Militärausgaben beschlossen werden, weitere 1,5 Prozent für | |
| verteidigungsrelevante Investitionen, etwa für Infrastruktur. Denn was | |
| bringen die gekauften Panzer ohne eine Brücke, über die sie fahren können. | |
| Für welche Bereiche genau die 1,5 Prozent ausgegeben werden, ist unklar, | |
| der Begriff ist weit gefasst. | |
| Doch besonders die südeuropäischen Staaten wehren sich. Rutte reiste | |
| also nach Portugal und Spanien, versuchte zu schlichten. Spaniens Premier | |
| Pedro Sánchez muss einerseits die Interessen der eigenen linken Regierung | |
| und andererseits die der Nato zusammenbringen. Historisch bedingter | |
| Pazifismus und innenpolitische Widerstände machen höhere Militärausgaben in | |
| Spanien schwer durchsetzbar. Seine Verteidigungsministerin Margarita Robles | |
| kündigte an, erst 2029 das 2-Prozent-Ziel zu erreichen. Eine Zustimmung für | |
| ein gemeinsames 5-Prozent-Ziel in der Nato wird es mit Spanien also nicht | |
| geben. | |
| ## Leichtes Spiel im Osten und im Norden | |
| Rutte gilt als bodenständiger Typ, andere Staatschefs umarmt er auch gern | |
| mal fest. Man sagt ihm nach, dass er mit so ziemlich allen Staats- und | |
| Regierungschefs gut kann. Auch mit Donald Trump. Nicht umsonst wird Rutte | |
| gern als „Trump-Flüsterer“ bezeichnet. Noch bevor Trump ins Weiße Haus zo… | |
| bevor er mit einem Austritt aus der Nato drohte und aus dem 2-Prozent-Ziel | |
| ein 5-Prozent-Ziel machen wollte, traf Rutte ihn in Washington. Weitere | |
| Besuche folgten im März und April. | |
| Leichtes Spiel in seiner Mission, die Nato zu einen, hatte der 59-Jährige | |
| dagegen in Finnland, Lettland, Schweden, Litauen oder Estland. Die | |
| baltischen Staaten und Skandinavier engagieren sich aufgrund ihrer | |
| geografischen Lage stark im Bündnis und stecken enorm viel Geld in ihre | |
| Aufrüstung. [3][Und auch in Polen gibt es keinen Widerstand.] Stattdessen | |
| will Premier Donald Tusk Polen mit der „stärksten Armee Europas“ | |
| ausstatten. Die Gefahr, die von den kriegstreibenden Nachbarn Russland und | |
| Belarus ausgeht, wird in Warschau viel stärker wahrgenommen als etwa in | |
| Deutschland oder Österreich. | |
| Seit Kriegsbeginn 2022 sind in Polen auch mehrere fehlgesteuerte russische | |
| Raketen niedergegangen, zwei Bauern kamen dabei ums Leben. Im polnischen | |
| Budget für das Jahr 2025 sind umgerechnet 44 Milliarden Euro für Rüstung | |
| und Verteidigung vorgesehen. Dies entspricht rund 4,7 Prozent des | |
| polnischen Bruttoinlandsprodukts und stellt einen neuen Rekord da. Aber um | |
| bei einem Angriff verteidigungsfähig zu sein, benötigt Polen nicht nur | |
| moderne Waffen, sondern vor allem gut ausgebildete Soldaten und | |
| Soldatinnen. | |
| [4][Am Rande des G7-Gipfels in den kanadischen Rocky Mountains] konnte | |
| Rutte – aus seiner Sicht – wirklich „großartige Neuigkeiten“ verkündi… | |
| Die gesamte Nato gibt 2025 mindestens 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts | |
| aus. Vor gut zehn Jahren hatten sich die Mitglieder auf dieses Ziel | |
| geeinigt, nun haben es alle Staaten geschafft. Haben sich Ruttes | |
| diplomatische Mühen also gelohnt? Fürs Erste wohl schon. Doch die nächste | |
| Attacke auf die Geschlossenheit des Bündnisses läuft bereits: Der | |
| slowakische [5][Premier Robert Fico] droht nun eine Woche vor dem Gipfel | |
| mit dem Austritt. | |
| 23 Jun 2025 | |
| ## LINKS | |
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| [2] /Haelt-die-Nato-Putin-stand/!6088991 | |
| [3] /Polen-waehlt-einen-Praesidenten/!6086356 | |
| [4] /Gipfeltreffen-in-Kanada/!6095099 | |
| [5] /Massenproteste-in-der-Slowakei/!6071414 | |
| ## AUTOREN | |
| Anastasia Zejneli | |
| Gabriele Lesser | |
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