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# taz.de -- Japanische Fotografie in Frankfurt: Da hat sich Punk eingeschlichen
> Frauen prägten die japanische Fotografiegeschichte entscheidend mit. Die
> Ausstellung „I’m So Happy You’re Here“ zeigt eine Auswahl bedeutender
> Werke.
Bild: Mari Katayami: „bystander#14“, 2016
Plakative Gegenüberstellungen wären bei den Schlagworten „Japanerinnen“ u…
„Fotografie“ nicht schwierig. Zum Beispiel so: Während einem schnell
diejenigen berühmten Frauen in den Sinn kommen, die der nunmehr 85-jährige
Nobuyoshi Araki auf seinen Bildern als gefesselte Objekte zeigt, findet man
sie in einer Frankfurter Ausstellung jetzt mit Mittelfinger in die Kamera
blickend.
Oder auf fantastischen Mutter-Tochter-Familienaufstellungen, die
Protagonistinnen allesamt selbst entkleidet und natürlich auch hinter der
Kamera stehend.
Ein solcher Empowermentjargon ist aber gar nicht nötig, um diese Schau
herauszustellen. Hinter dem sanft anklingenden Titel „I’m So Happy You Are
Here“ im Fotografie Forum Frankfurt verbergen sich Werke von über zwei
Dutzend japanischen Fotografinnen, die ihre explosive Kraft schon ganz aus
sich heraus entfalten. Die Ausstellung, kuratiert von Mariko Takeuchi,
macht einen ganz großen Aufschlag.
Der Schwerpunkt liegt auf den 1950er Jahren bis heute, doch das früheste
Bild dieser Schau stammt von 1864. Es zeigt Kakoku Shima, den Ehemann der
Fotografin Ryu Shima; beide betrieben schon 20 Jahre nach Einführung der
[1][Fotografie im Land] ein gemeinsames Fotostudio. Frauen haben die
japanische Fotografiegeschichte offenbar von Anfang an mitgeschrieben.
## Erstaunlich generös
Wo sonst oft eine einzige fotografische Position Platz findet, sind es in
dieser Frankfurter Schau 26. In ein Dilemma geraten Ausstellungen wie diese
von gleich vielen Künstlerinnen, Architektinnen, hier nun Fotografinnen,
immer schnell: Für die Ausnahme vom Kanon ist wenig Platz. Aber auf
wundersame Weise wirkt die Ausstellungsfläche diesmal erstaunlich generös,
als ob sich die 350 Quadratmeter mühelos mit den gezeigten Werken weiten
könnten.
Beobachtungen aus dem japanischen Alltag, dokumentarische, poetische und
ultraexperimentelle Ansätze, von Keramika aus verbrannter Fotografie bis
zur XXL-Tapete aus selbst abgezogenen Fotopapierrollen, schaffen lose
thematische oder formale Verknüpfungen. Die Geschlechterrollen im Land
drängen bisweilen erstaunlich direkt durch.
Als „Girly Photos“ wurden die Arbeiten junger Fotografinnen der 1990er
Jahre gern bezeichnet, Mika Ninagawa nutzte die angesammelte Wut über die
Verhältnisse für einen Overkill an Niedlichkeit, Blumen, Frauen und
gesättigter Farben. Ihre grell glänzende Vinylfotowand von 2002 entwickelt
heute noch hypnotische Wirkung.
Zu den bekanntesten, weltweit ausgestellten Namen zählt Mari Katayama.
Sie, der im Kindesalter die Beine und Teile einer Hand amputiert werden
mussten, [2][bearbeitet ihre Behinderung] und ihr Frausein in inszenierten
Selbstporträts. Hier fotografiert sich die 1987 geborene Katayama am Strand
liegend, die selbst genähten Fantasieprothesen wie ein Tentakelwesen vor
sich hertragend.
## Umweg USA
Einige Fotografinnen fanden über den Umweg USA zu einem neuen, die
Weltsphären verbindenden Ausdruck. So Yurie Nagashima, die ihren Master
am California Institute of Arts machte. Von Anziehungskraft, lustig und
schön sind ihre Familienselbstporträts, auf denen Mutter, Tochter, Vater
und Sohn nackt in der eigenen Wohnung posieren.
Und immer scheint sich auch ein bisschen US-Westküsten-Punk in ihre
abstehende Kurzhaarfrisur oder die burschikos ausgewaschenen Sweatshirts zu
schleichen. Von der heute 51-jährigen Yurie Nagashima stammt übrigens die
Fastnackte mit Mittelfinger. Ein Selbstporträt, hochschwanger, die
Schambehaarung lugt unterm Höschen hervor, Lederjacke, Fluppe im Mund.
Die Notwendigkeit, eigene Bilder zu schaffen, befeuerte auch Tomoko Sawadas
Arbeit. Ihre großformatigen Collagen aus aberhunderten Passbildern sind ein
kaleidoskopartiges Paralleluniversum des Was-wäre-wenn [3][der Selbst- und
Fremdbildnisse].
## Aus dem Fotoautomat
1995 ging die damals 18-Jährige aus der Großstadt Kobe regelmäßig zum
Fotoautomaten im Parkhaus eines benachbarten Supermarkts, um sich in immer
wieder neuen Personas ablichten zu lassen: alt, jung, mit Pferdezöpfen oder
offenen Haar; geschminkt, lächelnd, streng, schüchtern, selbstbewusst; als
Grunge-Fan oder Rave-Mädchen. Das Zeitkolorit jener Tage hat sich nebenbei
ins Werk eingeschrieben.
Von vielen Fotografinnen hätte man gern noch viel mehr gesehen. So wie von
Yamazawa Eiko, geboren 1899. Auch sie hatte nach ihrem Malereistudium in
Japan den Weg nach Kalifornien gesucht. Zeit ihres Lebens förderte sie
Frauen, stellte sie in ihrem Fotostudio an und verfolgte eigene Arbeiten.
Ihre leuchtenden Farbabstraktionen aus den 1980er Jahren der damals rund
80-jährigen Fotografin zeigen betörende Verwandtschaft zu den Fotografien
von Jan Groover aus ähnlicher Zeit.
Woran es liegen mag, dass die Farben so leuchtend, die
Schwarz-Weiß-Kontraste so gewaltig, die Perspektiven so ungewöhnlich,
überhaupt die künstlerischen Handschriften so ausgeprägt vertreten sind in
dieser Gruppenschau? Sollte man es einer genuin japanischen Sensibilität
fürs Kunstwerk zuschreiben, oder dem Umstand, dass erkämpfte Freiräume
besondere Energien freisetzen können? Es ist jedenfalls ein mitreißender
Eigensinn, der sich durch die gesamte Ausstellung zieht. Nicht vor allem
motivisch, aber in der künstlerischen Konsequenz.
28 Jun 2025
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## AUTOREN
Katharina J. Cichosch
## TAGS
Fotografie
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