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# taz.de -- Asylrechtsverschärfungen: „Ich vermisse meine Familie!“
> Union und SPD wollen den Familiennachzug für Schutzsuchende einschränken.
> Was macht das mit Menschen, deren Kindern tausende Kilometer entfernt
> leben?
Bild: Wael Aljasim sieht seine Frau und seine Kinder seit drei Jahren nur per V…
Wael Aljasim geht es nicht gut. Als er seine jüngste Tochter das letzte Mal
sah, war sie gerade geboren. Heute ist sie ein Kleinkind. Seine Frau hat
Angst. Sie und die vier Kinder verlassen ihre Wohnung in Kairo kaum, kein
Kindergarten, keine Schule. Zu groß die Angst, mit der abgelaufenen
Aufenthaltserlaubnis erwischt und zurück nach Syrien gebracht zu werden.
Seine älteste Tochter weint fast täglich. Am Telefon sagt sie ihrem Vater
in Berlin: „Du sollst uns ein Flugticket organisieren. Wir wollen zu dir
kommen.“
Wael Aljasim ist 29 Jahre alt, aber sieht älter aus. Er trägt einen
hellgrauen Jogginganzug, schüttelt zur Begrüßung sanft die Hand und stellt
sich vor, auf Deutsch. Dabei blickt er seinem Gegenüber gerade ins Gesicht.
Dann erzählt er seine Geschichte mithilfe eines Übersetzers.
Wael Aljasim kommt aus Idlib, in Syrien. Er verließ seine Heimat im
September 2022, floh über die Türkei und die Balkanstaaten nach
Deutschland. Als Geflüchteter aus einem Bürgerkriegsland gewährte ihm die
Bundesrepublik subsidiären Schutz. Heute lebt Aljasim in Berlin, arbeitet
in einem Logistiklager, abends lernt er Deutsch. „Ich arbeite, aber ich
kann mich nicht gut konzentrieren“, sagt er. Seine Gedanken seien bei
seiner Frau und bei seinen Kindern. Auch im Deutschkurs sei das so. „Ich
stehe morgens auf, aber ich habe keine Energie“, sagt er. Als er von der
Entscheidung hörte, war das eine Katastrophe.
## Union will harte Migrationspolitik umsetzen
Die Entscheidung, das ist die Einigung der schwarz-roten Bundesregierung,
[1][den Familiennachzug für Menschen unter subsidiärem Schutz in
Deutschland für zwei Jahre auszusetzen]. So steht es im Koalitionsvertrag
und so soll es am Freitag im Bundestag beschlossen werden. Damit setzt die
Union das um, was sie im Wahlkampf versprochen hatte: eine harte
Migrationspolitik.
Nicht nur die AfD, auch die FDP und die Union hatten es in den Wochen vor
der Bundestagswahl geschafft, Migration nach Deutschland und vor allem die
Einreise von Schutzsuchenden als unkontrollierbares Sicherheitsrisiko zu
framen. [2][Die Anschläge von Magdeburg und Aschaffenburg] gaben ihnen
vermeintlich allen Anlass dazu.
Ende Januar schlug sich die Stimmung gegen Migration auch deutlich in
Umfragen nieder. Laut Infratest dimap wollten 68 Prozent der Bevölkerung
zu diesem Zeitpunkt, dass Deutschland weniger Geflüchtete aufnimmt. Ganze
85 Prozent meinten, dem Staat gelinge die Kontrolle über Zuwanderung nicht
gut. Friedrich Merz, zu dem Zeitpunkt noch nicht Bundeskanzler, inszenierte
sich als Retter in der Not. Der Partei- und Fraktionsvorsitzende der CDU
entwarf einen [3][Fünfpunkteplan für eine härtere Migrationspolitik und
verabschiedete ihn mit Stimmen von FDP und AfD].
## Union und SPD führen dauerhafte Grenzkontrollen ein
Auf die gemeinsame Abstimmung mit den Rechtsextremen folgten
Massenproteste, trotzdem wurde die Union bei der kurz darauf folgenden
[4][Bundestagswahl am 23. Februar] stärkste Kraft. In den
Koalitionsverhandlungen mit der SPD gelang es ihr, sich mit ihrem harten
Migrationskurs durchzusetzen. Nach Amtsantritt von Kanzler Merz wurden
[5][dauerhafte Grenzkontrollen wiedereingeführt,] Menschen, die bei ihrer
Einreise nach Deutschland um Asyl bitten, werden jetzt zurückgewiesen –
trotz rechtlicher Bedenken. Und nun soll der Familiennachzug für subsidiär
Schutzberechtigte ausgesetzt werden.
Im März 2025 lebten laut Ausländerzentralregister 388.074 von ihnen in
Deutschland. Wie viele noch ihre Kernfamilie im Ausland haben und nachholen
möchten, ist nicht bekannt. Bisher durften 1.000 Menschen pro Monat über
die Familienzusammenführung nach Deutschland kommen.
Bei minderjährigen Kindern durften die Eltern nachziehen, nicht aber die
Geschwister. Bei einem eingereisten Elternteil durften der Ehepartner und
die Kinder aus dem Ausland folgen. Wenn Kinder 18 Jahre alt werden,
erlischt dieses Recht für sie beidseitig. Für Jugendliche, die in den
nächsten zwei Jahren volljährig werden, wird das Wiedersehen mit ihren
Eltern auf diesem Wege also unmöglich.
Mit Ausnahme von Härtefällen sollen keine Verwandten von subsidiär
Schutzberechtigten mehr über den Familiennachzug nach Deutschland kommen.
Die Maßnahmen folgen dem Ziel, Migration nicht mehr nur zu steuern, sondern
zu begrenzen. Mit der neuen Regierung gilt also: Zahlen drücken, wo es nur
geht.
Wael Aljasim berichtet von syrischen Menschen in Kairo, die sich aus
Verzweiflung wegen der neuen Regelung das Leben genommen haben. Viele
warten dort auf den Familiennachzug. Waels Frau Batoul Alshaaeiri floh mit
den drei Töchtern Taybaa, Fatima und Taslim und ihrem Sohn Abdul Jabaar vor
etwa einem Jahr in die ägyptische Hauptstadt. Vor ihrer Ankunft
registrierte sich die Familie schon auf der Warteliste für einen Termin bei
der deutschen Botschaft vor Ort, um dort ihren Familiennachzug zu
beantragen. Bei der Botschaft im Kriegsland Syrien geht das nicht mehr.
Alle Syrer müssen dafür erst irgendwie nach Kairo, Amman, Beirut oder Erbil
kommen.
Die Wartezeit für so einen Termin bei der Botschaft beträgt in Kairo bis zu
zwei Jahre. Batoul Alshaaeiri bekam im März dieses Jahres die E-Mail: Sie
hatte einen Termin, für den 6. Mai! Wenn man den einmal hat und alle
nötigen Dokumente mitbringt, ist man eigentlich auf der Zielgeraden. Dann
dauert es meist nur noch wenige Monate, bis der Flieger nach Deutschland
abhebt. Doch es gab ein Problem: Der Termin war für den 6. Mai des
vergangenen Jahres ausgestellt. Für 2024. Batoul Alshaaeiri ging trotzdem
hin, aber wurde abgewiesen. Es musste ein Fehler vorliegen.
Was passiert mit Familien wie dieser, die ohne organisatorische Fehler der
Behörden vielleicht schon in Deutschland wären? Sind sie vom Stopp des
Familiennachzugs ausgenommen? Werden gestellte Anträge noch ausgeführt? Die
Gesetzesänderung soll ab dem Tag nach der Verkündung in Kraft treten. Heißt
das, ab Samstag ist endgültig Schluss?
## Wael Aljasim sorgt sich sehr um seine Frau und seine Kinder
Wael Aljasim sorgt sich sehr um seine Frau und seine Kinder in Ägypten.
„Syrer sind nirgendwo willkommen“, sagt er. „Nicht im Libanon, nicht in
Jordanien, nicht in der Türkei, nicht in Kairo.“ Er wolle in Deutschland
leben und bleiben. Hier habe er als Geflüchteter Rechte. „Ich bin bereit,
alles dafür zu tun, aber die Regierung soll mich und meine Familie auch ein
bisschen unterstützen.“ Eins verstehe er nicht: Es gibt ein Gesetz, wonach
anerkannte Flüchtlinge ihre Kinder und Frauen nachholen dürfen, aber die
Leute mit subsidiären Schutz dürfen das nicht. „Warum?“, fragt er. „Das
sind doch auch Frauen und Kinder!“
Anerkannte Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskommission (GFK), das
sind Menschen, die in ihren Heimatländern verfolgt werden. Wegen ihrer
persönlichen Eigenschaften wie „Rasse“, Religion, Nationalität, Identität
oder wegen ihrer politischen Überzeugung. Menschen, die nicht in diese
Kategorie fallen, denen aber in ihren Heimatländern ernsthafter Schaden
droht, zum Beispiel wegen eines Bürgerkrieges oder wegen unmenschlicher
Behandlung, bekommen, wie Wael Aljasim, meist subsidiären Schutz.
Diese Unterscheidung ist wichtig. Denn die erste Gruppe hat ein Recht auf
Familiennachzug, das weder begrenzt ist, noch ohne Weiteres ausgesetzt
werden kann. Die zweite nicht.
## Familiennachzug wird seit zehn Jahren immer wieder eingeschränkt
Ein kurzer Rückblick: Im August 2015, dem Sommer, als Rekordzahlen an
Geflüchteten nach Deutschland kamen und damals noch weitgehend freundlich
empfangen wurden, durften zunächst auch subsidiär Schutzberechtigte
Familiennachzug beantragen. Das war unter der schwarz-roten Regierung von
Angela Merkel. Vorher hatten nur Asylberechtigte und GFK-Flüchtlinge dieses
Recht.
Doch diese Gleichstellung hielt nicht lange an. Schon im März 2016 setzte
dieselbe Regierung den Familiennachzug von Menschen unter subsidiärem
Schutz schon wieder aus, für zwei Jahre. Ab 2018 galt dann eine
Kontingentregelung: 1.000 Familienmitglieder von subsidiär
Schutzberechtigten durften pro Monat ins Land kommen. Mehr nicht. Die
spätere Bundesregierung von SPD, Grünen und FDP wollte diese
Ungleichbehandlung der Geflüchteten eigentlich wieder aufheben. Aber das
tat sie nie.
Laut Angaben der Bundesregierung wurden erst ab 2023 die Kontingente voll
ausgeschöpft. Es kamen in den Jahren 2023 und 2024 also etwa 12.000
Menschen pro Jahr über den Familiennachzug von subsidiär Schutzberechtigten
nach Deutschland.
## Für Familie Bahta hat die Familienzusammenführung endlich geklapp
Für Familie Bahta aus Eritrea hat die Familienzusammenführung 2022 alles
verändert. Sie lebt heute in einer Dachgeschosswohnung am Stadtrand von
Berlin. Im Kinderzimmer sitzen beim Besuch der taz die 14- jährige Helen
und die 12-jährige Fiona an ihrem rosa Schreibtisch und lernen. Mathe und
Englisch. Über den Köpfen der beiden hängt eine Diddl-Maus aus Stoff an der
Wand. Ihre echten Namen und die der restlichen Familie wurden auf Wunsch
der Eltern hin verändert.
Eritrea, ein kleines Land am Horn von Afrika, wird wegen massiver
Menschenrechtsverletzungen auch das „Nordkorea Afrikas“ genannt. Viele
fliehen von dort vor dem jahrelangen Nationaldienst, der Zwangsarbeit im
Militär, auf Plantagen oder Baustellen bedeutet. Für Männer endet er erst
mit der Arbeitsunfähigkeit, bei Frauen bei der ersten Schwangerschaft. „Die
Bedingungen waren menschenunwürdig“, berichtet Helen und Fionas Vater
Nguse, der mit 16 Jahren eingezogen wurde. Nachts musste er im Freien auf
dem Boden schlafen. Er habe während der Zeit dort viele Menschen sterben
sehen. „Sie verhungerten, starben an Krankheiten oder wurden beim Versuch
der Flucht erschossen.“
2015 gelang ihm dann selbst die Flucht. Er floh er mit seinem Bruder und
dessen Familie nach Deutschland. Für die Flucht seiner eigenen Frau und
Kinder reichte das Geld nicht.
Nguse Bahta fand in Berlin Arbeit in einer Gärtnerei. Er bekam den
subsidiären Schutzstatus, wie die meisten Eritreer in Deutschland. Doch es
dauerte noch fast sieben Jahre, bis er seine Frau Almaz, sowie seine Kinder
Helen, Fiona und ihren Bruder Yonas wiedersehen konnte.
Für den Antrag auf Familiennachzug mussten Nguses Frau und Kinder erst
einmal ihr Land verlassen, denn auch in Eritrea gibt es keine vollwertige
deutsche Botschaft. 2018 gingen sie nach Äthiopien. Almaz wartete in Adis
Abeba sieben Monate auf ihren Termin, um alle Dokumente abzugeben. Deren
Prüfung dauert Jahre. Für Familia Bahta waren es vier, was, verglichen mit
anderen eritreischen Familien, wenig ist. Die Kinder gingen in der Zeit
dort zur Schule, wurden aber wegen der fremden Sprache einige Klassen
zurückversetzt.
## Demos für das Recht auf Familiennachzug
Was machte Nguse derweil in Berlin? „Arbeiten gehen und mich um meine
Familie sorgen“, erzählt er heute der taz. Als 2020 in Äthiopien Krieg
ausbrach, hatte er Angst vor Überfällen auf seine Frau und Kinder. Zweimal
hat Nguse in dieser Zeit im Berliner Regierungsviertel für das Recht auf
Familiennachzug demonstriert, zusammen mit etwa 1.000 anderen Eritreern.
„Ich vermisse meine Familie!“, hatten die Männer im Chor gerufen, als sie
vor dem Auswärtigen Amt standen. Deutschland müsse doch verstehen, dass
Familien zusammenleben wollen und dass er sich während der Trennung sehr um
seine Frau und Kinder gesorgt habe, sagt er heute.
2022 war es so weit. „Ich war einfach nur glücklich, als ich endlich in das
Flugzeug steigen konnte. Das war besser als jeder Geburtstag“, sagt der
achtzehnjährige Yonas. „Wir sind nachts geflogen, alles war dunkel. Ich
habe geschlafen, konnte nicht aus dem Fenster sehen. Als ich wach wurde,
war das ein neues Leben.“ Fiona wollte nach dem Flug lange Zeit Pilotin
werden – „weil Piloten Familien zusammenbringen können.“
Wenn Mutter Almaz heute lernt, sitzt sie am Küchentisch. Sie macht eine
Ausbildung zur Altenpflegerin. „Das ist mein Wunschberuf“, sagt sie. In
Eritrea hat sie ihre Großmutter, mehrere Tanten und Onkel gepflegt. „Ich
helfe gern alten Menschen.“ Hätte sie nicht sieben Jahre auf den
Familiennachzug warten müssen, hätte Deutschland mit ihr bereits eine
dringend benötigte Altenpflegerin mehr, ganz ohne Anwerbeprogramm. Es macht
Almaz glücklich, jetzt zusammen mit ihrem Mann zu erleben, wie die Kinder
aufwachsen. Dass der Familiennachzug ausgesetzt wird, stimmt sie aber
traurig für eine Freundin, die seit 13 Jahren mit ihrem Kind in Äthiopien
auf die Familienzusammenführung wartet.
## „Eine extrem hohe Belastung für alle Familienmitglieder“
Benjamin Etzold ist Migrationsforscher am Bonn International Centre for
Conflict Studies. Was Wael Aljasim gerade durchmacht, und die Familie Bahta
schon hinter sich gebracht hat, beobachtet er vielfach in seiner Forschung.
„Ich habe Menschen kennengelernt, die persönlich gebrochen sind, psychisch
kollabiert, weil sie über Jahre von ihren Kindern getrennt sind. Das ist
eine extrem hohe Belastung für alle Familienmitglieder, die oft zu
Depressionen und Krankheiten führt.“
Das wirke sich auch auf ihre Integration aus. „Viele haben nicht die
Energie dafür, gut Deutsch zu lernen und eine Ausbildung zu machen oder zu
arbeiten. Dazu sind viele erst wirklich bereit, wenn ihre Familie bei ihnen
ist.“ Auch Studien der Berliner Charité, des Schweizerischen Roten Kreuzes
und der Robert Bosch Stiftung belegen, dass eine Trennung von der Familie
zu Stress, Ängsten und Integrationsproblemen führen kann.
„Wenn umgekehrt unbegleitete Jugendliche herkommen, meistens junge Männer
um die 16 Jahre, sind sie in einer Phase, in der sie eigentlich
Orientierung brauchen“, so Etzold. „Nicht nur in einem neuen Land, sondern
generell im Leben.“ Stattdessen wachsen sie ohne elterliche Unterstützung
auf. Das sei extrem schwierig. „Sie leiden unter sehr hohen Erwartungen:
arbeiten, Geld schicken, dafür sorgen, dass die Familie nachkommen kann.
Daran zerbrechen viele.“
Es gebe auch Anzeichen dafür, dass Jugendliche, die ohne ihre Familien nach
Deutschland kommen, deutlich anfälliger für Gewalt und Radikalisierung
sind, so der Migrationsforscher. „Wenn die Eltern fehlen, suchen sie Halt
in radikalen oder kriminellen Organisationen, die ihnen Orientierung
versprechen.“
## Dobrindt spricht von illegaler Migration
Anfang Juni, bei der ersten Lesung der Gesetzesänderung im Bundestag, sagte
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU), die „illegale Migration“
müsse zurückgedrängt werden. Und die Aussetzung des Familiennachzuges trage
dazu bei. „Die illegale Migration, sie hat eine Grenze, und die
Integrationsfähigkeit unseres Landes, sie ist erreicht.“ [6][Bürgermeister
und Landräte würden immer wieder darauf hinweisen,] dass Schulen und Kitas,
der Wohnungsmarkt, der Sozialstaat und das Gesundheitssystem überfordert
seien. Legale Migration in den Arbeitsmarkt hingegen sei weiterhin gewollt
und gefördert, so Dobrindt.
Dabei stellt sich die Frage: Brauchen Fachkräfte, die aus dem Ausland
angeworben werden, denn keine Wohnungen, Schulen, Kitaplätze, ein
funktionierendes Gesundheitssystem und einen Sozialstaat?
Die Grünen und die Linken kritisierten bei der Lesung im Bundestag, was
auch Migrationsforscher Etzold anmerkt: Beim Familiennachzug handelt es
sich gar nicht um illegale Migration. Ganz im Gegenteil. Familiennachzüge
sind ein legaler Weg für Geflüchtete nach Deutschland zu kommen. Und sie
können geplant und vorbereitet werden.
Doch es geht Dobrindt und der Regierung auch nicht allein darum, die
Einwanderungszahlen um diese 12.000 Menschen pro Jahr zu senken. Bei der
Lesung sagte er, es gehe auch darum, einen Pull-Faktor zu beseitigen. Einen
Anreiz also, überhaupt nach Deutschland zu fliehen, in dem Wissen, die
Familie dann nachholen zu können.
Wael Aljasim glaubt, das wird funktionieren: „Wenn es solche Gesetze gibt,
werden natürlich nicht mehr viele Menschen kommen“, sagt er. „Aber ich bin
schon seit zweieinhalb Jahren hier, die müssen mich unterstützen!“ Er könne
noch ein bisschen auf seine Familie warten, aber nicht für immer. Eine
Familie zu trennen, das könne man nicht machen.
## Wael Aljasims Haus in Syrien ist zerstört
Zurück nach [7][Syrien] zu gehen, ist für Wael Aljasim keine Option. Alles
sei zerstört, auch sein Haus. „Wo sollen wir schlafen – auf der Straße?�…
sei dort immer noch nicht sicher. „Ich kann nicht zurück nach Syrien, dann
sterben wir“, sagt er. Er will, dass seine Kinder zu ihm kommen, hier
Deutsch lernen, in den Kindergarten gehen und in die Schule. Seine Stimme
schwankt, er trinkt einen Schluck Wasser. „Es war von Anfang an mein Ziel,
nach Deutschland zu kommen. Meine Erwartungen, dass man uns hilft, waren
groß. Aber nach drei Jahren sagen sie, es gibt keinen Familiennachzug mehr.
Das kann nicht sein.“
Manchmal spricht Wael Aljasim mit seinen Freunden darüber, dass vielleicht
ein Krieg zwischen Russland und Europa ausbrechen könnte. Die Diskussionen
sind nicht an ihm vorbeigegangen. Er sagt, dann wäre er bereit, Deutschland
zu verteidigen. „Deutschland hat mich empfangen, Deutschland hat mir alles
gegeben. Aber Deutschland soll mir bitte noch ein Stück helfen, damit ich
meine Frau und meine Kinder wiedersehen kann.“
26 Jun 2025
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