Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Afghanische Geflüchtete in Iran: „Sollen wir nun wieder fliehen?…
> 4,5 Millionen Afghanen leben in Iran, viele sind vor den Taliban
> geflohen. Nun sind sie den Angriffen und dem Verdacht ausgesetzt,
> Mossad-Spione zu sein.
Bild: Eine Afghanin im Süden von Teheran
Berlin taz | „Wir sind hierher gekommen, weil wir uns in Afghanistan nicht
mehr sicher fühlten. Wir waren allein, während die Repressionen der Taliban
tagtäglich zunahmen. Was sollen wir nun tun? Wieder flüchten?“, fragt
Khatera Ahmadi*.
Die 50-jährige Afghanin ist mit ihrer Familie erst vor zwei Monaten nach
Teheran gekommen. Laut UNHCR leben 4,5 Millionen Afghanen in Iran. Schon
seit Jahrzehnten flüchten Menschen aus Afghanistan ins Nachbarland. Viele
leben dort in der Illegalität und werden als billige Arbeitskräfte
ausgebeutet.
Die Skylines iranischer Großstädte entstanden in den vergangenen Jahren zum
Großteil auf den Schultern geflüchteter Afghanen. Zuletzt mussten viele
dieser Arbeiter auf Baustellen oder in Fabriken Schutz vor Luftangriffen
suchen.
Vielen Geflüchteten gehe es in Iran zwar sehr schlecht, aber in vielerlei
Hinsicht sei das Leben immer noch besser als in der Heimat unter den
militant-islamistischen Taliban. Seit deren erneuter Machtübernahme 2021
hat nicht nur die Geschlechtertrennung im Land, die deutlich strikter ist
als jene in Iran, zugenommen, sondern auch die willkürliche Unterdrückung.
## Mehrfache Durchsuchungen
So wurde etwa Ahmadis Haus mehrfach von Taliban-Soldaten gestürmt und
durchsucht. „Ich bin eine Witwe, doch die Soldaten interessierten sich
nicht dafür. Sie dachten, IS-Terroristen hätten sich bei uns verschanzt“,
erinnert sie sich heute am Telefon.
Umso mehr fragt sie sich, [1][was das Ziel Israels und der USA mit ihren
Angriffen sei]. „Hier gibt es Infrastruktur, Bildung und Kultur“, sagt
Ahmadi. „Soll das alles weggebombt werden?“ Allen, die nun auf einen
Machtwechsel dank amerikanischer oder israelischer Unterstützung hoffen,
hat sie eine Lehre aus eigener Erfahrung mitzuteilen.
„Ich verstehe, dass viele Iraner das Mullahregime verabscheuen“, sagt sie.
Aber Regimewechsel von außen hätten in Afghanistan nie das Erhoffte
gebracht. „Meist kam nach einem Übel nur ein noch schlimmeres Übel.“
In den Augen des getroffenen Regimes in Teheran scheint es für das aktuelle
Übel auch zahlreiche Verantwortliche im Land zu geben. Konkret stellt sich
hier weiterhin folgende Frage: Wer steht auf der Gehaltsliste des Mossad,
des israelischen Auslandsgeheimdienstes?
## Im Staatsfernsehen vorgeführt
Im iranischen Staatsfernsehen wurden vor wenigen Tagen mehrere afghanische
Männer vorgeführt. Sie wurden unter fadenscheinigen Vorwürfen festgenommen
und für „Terror“ oder „Spionage“ verantwortlich gemacht. Berichten zuf…
die nicht unabhängig bestätigt werden können, fanden zahlreiche Razzien in
Vierteln statt, in denen afghanische Geflüchtete leben.
„Das Regime wirft den Afghanen Zusammenarbeit mit dem Mossad vor“, erklärt
Mohammad Halim*, der vor rund zwei Jahren Afghanistan verlassen hat. Nach
den israelischen Luftangriffen ist er gemeinsam mit iranischen Freunden in
den Norden des Landes geflüchtet. „Es heißt, afghanische Spione hätten
Koordinaten geliefert“, erklärt Halim in einem Videocall, der von einer
Starlink-Leitung ermöglicht wurde.
Im Gegensatz zu Verbindungen über normale Internetleitungen sind solche
Calls weiter online und ermöglichen so die Kommunikation. „Nun finden
wieder kollektive Bestrafungen statt. Als Afghane muss man jetzt noch mehr
aufpassen als früher“, erklärt Halim.
Dabei ist der antiafghanische Rassismus in Iran seit jeher sowohl
gesellschaftlich als auch institutionell präsent. In mehreren iranischen
Provinzen ist es Menschen aus Afghanistan offiziell untersagt, sich
niederzulassen. Sogar in manchen öffentlichen Parks wurde Menschen
afghanischer Herkunft der Zutritt verwehrt. Auch existieren zahlreiche
Gefangenenlager für afghanische Geflüchtete, die seit Jahren in Massen
abgeschoben werden und an der iranisch-afghanischen Grenze oftmals massiven
Menschenrechtsverletzungen seitens der Soldaten des Regimes ausgesetzt
sind.
Dass einige Afghanen nun tatsächlich gegen das Regime gearbeitet haben,
hält Halim trotzdem für realistisch. Ebenso wie viele Iranerinnen und
Iraner ist auch er zum Schluss gekommen, dass der Mossad schon lange vor
den jüngsten Luftangriffen innerhalb des Landes aktiv war. „Wie hätten denn
sonst derartige Angriffe stattfinden können? Klar, die sind hier. Aber es
sind in erster Linie Iraner, die mit den Israelis zusammenarbeiten. Diese
haben wohl einige arme Afghanen für niedere Dienste angeheuert“, will Halim
gehört haben.
Obwohl sich diese Vermutung nicht bestätigen lässt, ist sie in den Augen
vieler Afghanen wie Halim nicht unwahrscheinlich. Die meisten afghanischen
Geflüchteten in Iran leben in Armut und sind auf Geld für sich und ihre
Familien, die meist weiterhin in Afghanistan leben, angewiesen. Dass man in
einem solchen Fall auch Geld von fragwürdigen Quellen annimmt, sei
nachvollziehbar und menschlich.
Bis vor einiger Zeit habe auch das Regime afghanische Geflüchtete mit Geld
gelockt und in den Tod geschickt. Denn während des Krieges in Syrien wurden
[2][Tausende afghanischer Geflüchteter], darunter auch Minderjährige, für
die sogenannte Fatemiyoun-Brigade rekrutiert, um das mittlerweile gestürzte
und mit Teheran verbündete Regime Bashar al-Assads zu verteidigen. Meist
wurden den jungen Männern und ihren Familien iranische Aufenthaltspapiere
sowie Zugang zu Bildung versprochen. Viele von ihnen kehrten nie zurück.
*Name geändert
24 Jun 2025
## LINKS
[1] /Nahostkonflikt/!6096400
[2] https://theintercept.com/2017/10/25/syria-iran-afghan-refugees/
## AUTOREN
Emran Feroz
## TAGS
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Iran
Geflüchtete
GNS
Taliban
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Konflikt zwischen USA und Iran
Schah
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Völkerrecht
wochentaz
Nahost-Debatten
## ARTIKEL ZUM THEMA
Unterdrückung von Frauen: Strafgerichtshof erlässt Haftbefehle gegen Taliban-…
Wieder erlässt der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag
Haftbefehle: Diesmal gegen Anführer der Taliban wegen Verfolgung von
Frauen.
Berliner Verwaltungsgericht urteilt: Bundesregierung muss Afghanen Visa erteilen
Die Bundesregierung will die Aufnahme von gefährdeten Afghan:innen nicht
fortsetzen. Wer eine Zusage hat, muss reingelassen werden, urteilt ein
Gericht.
Krieg zwischen Iran und Israel: Wenn alle Seiten Sieg verkünden
Iran, Israel und die USA beschwören alle den großen Erfolg der
militärischen Konfrontation. Etwas daran kann nicht stimmen. Ein Überblick.
Sohn des letzten Schahs: Kronprinz oder Figur der Vergangenheit
Reza Pahlavi will den Iran regieren. Bei den Monarchie-Fans in Iran dürfte
das Nostalgie auslösen. Für viele andere im Land gilt er als Spalter.
Israels kritische Infrastruktur: Von Atomkraftwerk bis Raketenabwehrsystem
Israel scheint – auch dank US-Unterstützung – die Oberhand im Krieg mit
Iran behalten zu haben. Doch auch das kleine Land könnte empfindlich
getroffen werden.
Konflikt zwischen Iran und Israel: Tod des Völkerrechts
Das Völkerrecht ist faktisch davon abhängig, was die Mächtigen wollen. Die
Despoten der Welt nehmen diese Doppelmoral dankend an.
Diskussion um Kriegseintritt der USA: Zwischen drohen und bomben
Treten die USA an der Seite Israels in den Krieg gegen Iran ein? Für den
erratischen Präsidenten Trump ist dies ein Risikospiel.
Israels Angriff auf Iran: Bomben für den Machterhalt
Israels Vorgehen im Iran hat viele Gründe. Allen voran: Netanjahu will
seine internationale Isolation brechen und von der Lage in Gaza ablenken.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.