| # taz.de -- Krieg zwischen Iran und Israel: Wenn alle Seiten Sieg verkünden | |
| > Iran, Israel und die USA beschwören alle den großen Erfolg der | |
| > militärischen Konfrontation. Etwas daran kann nicht stimmen. Ein | |
| > Überblick. | |
| Bild: Ein ausgebranntes Auto in Teheran am 23. Juni | |
| Berlin taz | Nach dem Beginn der Waffenruhe am Dienstag veröffentlicht ein | |
| TV-Kanal des iranischen Staatsfunks [1][ein Propagandavideo]. Mit | |
| Legofiguren und im Star Wars-Look erzählt da die Islamische Republik ihrem | |
| Volk den Krieg nach: Israels Premier Benjamin Netanjahu, US-Präsident | |
| Donald Trump und ein Teufel beschließen den großen Überfall auf die | |
| Islamische Republik. Die schießt mit ihren Raketen zurück; Hochhäuser, | |
| Flugzeuge, eine israelische Fahne verschwinden in einer Feuersbrunst, | |
| großer Jubel von Lego-Männchen nebst diverser Flaggen. Schließlich ein Satz | |
| auf Hebräisch, Persisch, Arabisch: „Wir kontrollieren das Spiel“. | |
| So weit die Darstellung der einen Seite. Trump verkündete wiederum [2][nach | |
| den US-Luftangriffen] stolz: Die Atomanlagen in Iran „wurden völlig | |
| zerstört und jeder weiß es“. Und während sich auch das politische Israel | |
| auf die Schulter klopft, sagt Militärsprecher Effie Defrin, man habe alle | |
| definierten Kriegsziele erreicht – doch es sei noch „zu früh“, um den | |
| Schaden am iranischen Nuklearprogramm wirklich abschätzen zu können. Das | |
| ist die große Frage: Was hat es denn nun gebracht – die Angriffe erst | |
| Israels und dann der USA, nach Mehrheitsmeinung von Juristen | |
| völkerrechtswidrig? Die kommunizierten Kriegsziele: Ein nuklear bewaffnetes | |
| Iran verhindern, seine Kriegstüchtigkeit schwächen. | |
| Letzteres ist wohl einfacher zu bewerten: Nach Angaben des israelischen | |
| Geheimdienstes habe Iran vor dem Krieg über etwa 1.000 bis 1.200 | |
| abschussbereite ballistische Raketen verfügt, das Jewish Institute for | |
| National Security in America berichtet von 360 funktionalen Abschussrampen. | |
| Und nach US-Geheimdienstberichten kann Iran pro Monat etwa 50 neue | |
| ballistische Raketen fertigen. | |
| Schon während des Krieges mutmaßten Experten: Dass die Anzahl der Geschosse | |
| pro Salve, die Iran auf Israel abfeuert, immer geringer wurde, zeige einen | |
| wahrscheinlichen Mangel an Mittel- und Langstreckenraketen. [3][In den | |
| ersten Tagen schickte Iran bis zu sechzig Raketen auf einmal los], mit dem | |
| Ziel, die israelischen Abwehrsysteme zu überwältigen. Über die zwölf Tage | |
| des Krieges wurden es immer weniger, zuletzt nur noch ein paar pro Angriff. | |
| Insgesamt sollen nach Angaben des israelischen Militärs mindestens 400 | |
| Raketen auf Israel gezielt haben, neunzig Prozent seien abgefangen worden. | |
| [4][Schaden richteten sie dennoch an]. Israel zerstörte auch Abschussrampen | |
| in Iran, nach eigenen Angaben etwa 30 Prozent der existierenden 360 Stück; | |
| außerdem wohl Produktionsstätten, auch für Raketenteile, was die | |
| Reproduktion beeinträchtigt. Insgesamt sind die Schäden sicherlich | |
| beträchtlich – aber von einer Zerstörung des Raketenprogramms kann wohl | |
| nicht die Rede sein. | |
| ## Hat Iran die Zentrifugen aus Fordo weggeschafft? | |
| Bleibt das Atomprogramm: Am Dienstag berichtete der US-Sender CNN von einem | |
| Bericht des US-Militärgeheimdienstes, dass das Atomprogramm lediglich ein | |
| paar Monate zurückgeworfen worden sei. Demnach sei Irans Vorrat an | |
| angereichertem Uran bei den Luftangriffen nicht völlig zerstört worden, | |
| auch die Zentrifugen zur Anreicherung des Urans auf waffenfähige | |
| Konzentration sollen weitgehend intakt sein. | |
| Gerade zu den Zentrifugen gibt es abweichende Einschätzungen: Sie befanden | |
| sich etwa in der unterirdischen Anlage Fordo, auf die die USA insgesamt 12 | |
| bunkerbrechende Bomben abwarfen. Die Internationale Atomenergiebehörde | |
| (IAEA) erklärte nach dem Angriff, man erwarte dort „sehr signifikante | |
| Beschädigungen“. Es läge nahe, dass allein die massive kinetische Energie | |
| der Bomben die Zentrifugen schwer beschädigt habe. Die Zylinder sind | |
| empfindlich gegenüber Vibrationen, ihre Funktion ist außerdem von | |
| durchgängiger Stromversorgung abhängig. | |
| Professor Steve Fetter forscht an der Universität Maryland zu | |
| Nuklearpolitik. Er sagt, es sei unrealistisch, dass Iran die Zentrifugen | |
| vor den US-Luftangriffen aus Fordo wegbewegt habe. Satellitenbilder, die | |
| ein Aufgebot an Lastwagen in den Tagen vor den US-Angriffen zeigten, hatten | |
| Spekulationen darüber ausgelöst. Es sei aber „wahrscheinlich, dass sie | |
| angereichertes Uran verlegt haben“, sagt Fetter. Im Gegensatz zu den | |
| Zentrifugen ließe sich das einfach abtransportieren. Über mehr als 400 | |
| Kilogramm auf über 60 Prozent angereichertes Uran soll Iran vor dem Krieg | |
| mit Israel und USA verfügt haben. Einen Großteil könnte Iran laut | |
| verschiedenen Experten behalten haben. | |
| Es scheint realistischer, dass die Fähigkeit, neu oder weiter auf die für | |
| eine Atombombe benötigten 90 Prozent anzureichern, zumindest beeinträchtigt | |
| wurde. Auch, weil führende Köpfe des Nuklearprogramms von Israel getötet | |
| wurden. Ausgehend von den deklarierten Kriegszielen also ein bestenfalls | |
| mittelmäßiges Ergebnis. | |
| ## Kommt nun eine weitere Runde der Verhandlungen? | |
| Es überrascht daher nicht, dass das Waffenstillstandsabkommen, das Donald | |
| Trump in der Nacht auf Dienstag auf Truth Social verkündete, gerade bei | |
| Israel nicht für Begeisterung sorgt. Die Times of Israel nannte es | |
| kommentierend „ein bizarres Ende einer vielversprechenden Kampagne“. | |
| Und das ist die zweite große Frage: Was folgt nun? Auf ein schriftliches | |
| Abkommen von USA, Iran und Israel, mit Konditionen und Vereinbarungen, | |
| fehlen bisher jegliche Hinweise. „Was. War. Der. Deal?“, schreibt etwa der | |
| in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässige Analyst Aimen Dean auf X, | |
| „Kein Fahrplan. Kein Zeitplan.“ | |
| Möglich wäre, dass sich die USA [5][wieder um Verhandlungen] mit einem | |
| geschwächten Iran bemühen. So wie sie es vor dem Zwölf-Tage-Krieg getan | |
| hatten. Doch ob Iran dazu bereit ist, bleibt fraglich: So stimmte das | |
| Parlament der Islamischen Republik am Mittwoch dafür, die Kooperation mit | |
| der IAEA – die bislang zumindest teilweise die Atomanlagen in Iran | |
| überwachte – auszusetzen. Herauszufinden, wie denn der neue Stand des | |
| Atomprogramms ist, könnte damit noch schwieriger werden. | |
| 25 Jun 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://x.com/MEMRIReports/status/1937507756166017079 | |
| [2] /US-Angriff-auf-iranische-Atomanlagen/!6095642 | |
| [3] /Eskalation-in-Nahost/!6091277 | |
| [4] /Zivilschutz-in-Israel/!6092835 | |
| [5] /-Nachrichten-im-Nahost-Krieg-/!6095353 | |
| ## AUTOREN | |
| Lisa Schneider | |
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