# taz.de -- Diskussion um Kriegseintritt der USA: Zwischen drohen und bomben | |
> Treten die USA an der Seite Israels in den Krieg gegen Iran ein? Für den | |
> erratischen Präsidenten Trump ist dies ein Risikospiel. | |
Bild: Teheran am dritten Tag der israelischen Luftangriffe | |
Es ist die bislang vermutlich folgenschwerste außen- und | |
sicherheitspolitische Entscheidung seiner beiden Amtszeiten. Aber welche | |
Abwägungen US-Präsident Donald Trump bei der Frage leiten, ob die USA | |
militärisch in Israels [1][Krieg gegen Iran] einsteigen, bleibt | |
Spekulation. Trump sagte jüngst: „Vielleicht mache ich es, vielleicht mache | |
ich es nicht – ich meine, niemand weiß, was ich machen werde.“ | |
Einen Tag später verlas seine Pressesprecherin Karoline Leavitt eine | |
Erklärung Trumps: „Angesichts der Tatsache, dass es eine tatsächliche | |
Chance auf Verhandlungen gibt, die in naher Zukunft mit Iran stattfinden | |
könnten oder auch nicht, werde ich meine Entscheidung in den nächsten zwei | |
Wochen treffen.“ [2][Dafür, dass Trump am Montag mit der Begründung | |
vorzeitig das G7-Treffen in Kanada verlassen hat,] er müsse sich dringendst | |
mit seinem Sicherheitskabinett im sogenannten Situation Room des Weißen | |
Hauses treffen, um die Iranfrage zu besprechen, sind zwei Wochen plötzlich | |
ganz schön viel Zeit. | |
Kurz bevor Sprecherin Leavitt diese neue Frist bekanntgab, hatte Trump im | |
Weißen Haus seinen ehemaligen Chefstrategen Steve Bannon zum Mittagessen | |
empfangen. Bannon, obwohl ohne offizielle Funktion, ist noch immer einer | |
der einflussreichsten Ideologen innerhalb der MAGA-Bewegung. Zusammen mit | |
dem ehemaligen FoxNews-Moderator Tucker Carlson und der notorischen | |
republikanischen Abgeordneten Marjorie Taylor Greene aus Georgia führt er | |
seit Tagen den Widerstand gegen ein militärisches Eingreifen der USA im | |
Irankrieg an. Lautstark erinnern sie Donald Trump an sein Versprechen, die | |
USA in keinen weiteren Krieg hereinzuziehen. „Die Israelis müssen zu Ende | |
bringen, was sie angefangen haben“, sagt Bannon. „Wir dürfen das nicht noch | |
einmal machen. Das würde das Land zerreißen. Wir dürfen keinen zweiten Irak | |
haben.“ | |
## Trumps Basis meutert | |
Für Marjorie Taylor Greene ist die Entscheidung von identitärer Bedeutung | |
für den Trumpismus: „Jeder merkt jetzt, wer wirklich zu America First /MAGA | |
gehört und wer fake ist und das nur gesagt hat, weil es populär war“, sagt | |
sie. Wer dafür werbe, die USA sollten sich an dem Krieg beteiligen, gehöre | |
nicht dazu. | |
Die Senatoren Lindsey Graham und Tom Cotton zum Beispiel, republikanische | |
„Falken“ und Überbleibsel aus der unter George W. Bush so mächtigen | |
neokonservativen Denkschule. 2003 trieben die Neocons die USA in den | |
Irakkrieg, parallel zum seit 2001 laufenden Krieg in Afghanistan. Beide | |
Kriege endeten in einem Desaster und mit der Erkenntnis, dass es nicht | |
gelingt, in fremden Ländern demokratische Verhältnisse herbeizubomben. | |
Oder, weitergeführt durch die isolationistische Idee der MAGA-Bewegung: | |
dass die USA das auch überhaupt nichts angeht. | |
Ein so verstandenes America First war in dem kriegsmüden Land ein wichtiger | |
Faktor für den Aufbau von Trumps Basis und zweier Wahlsiege – aber nicht | |
der einzige. Mindestens gleichbedeutend ist die Treue der evangelikalen | |
Rechten – und für die ist die Unterstützung Israels inklusive der | |
Erzfeindschaft zu Iran von grundlegender Bedeutung. | |
Mike Huckabee zum Beispiel, Trumps Botschafter in Israel und, so formuliert | |
es das jüdische US-Internetmedium [3][Forward], „vielleicht der weltweit | |
einflussreichste christliche Zionist“, schreibt in biblischen | |
Formulierungen an Donald Trump, warum der jetzt an der Seite Israels gegen | |
Iran antreten müsse: „Sie haben sich diesen Moment nicht ausgesucht, dieser | |
Moment hat Sie ausgesucht!“ | |
## Trump erfüllte lange Netanjahus Wunschliste | |
Ted Cruz, evangelikaler republikanischer Senator aus Texas, der sich gern | |
als vehementester Verteidiger Israels im Senat sieht, fordert den Einsatz | |
des US-Militärs mit dem Ziel, einen Regime-Change in Iran zu bewirken. | |
Clips aus einer [4][hitzigen zweistündigen Debatte mit Tucker Carlson] sind | |
schon jetzt virale Klassiker. | |
Es ist dieser Strömung geschuldet, dass Trump in seiner ersten Amtszeit die | |
US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegte, den Siedlungsbau und | |
die Annexion großer Teile des Westjordanlands befürwortete und schließlich | |
mit den Abrahams-Abkommen verbesserte Beziehungen zwischen Israel und | |
arabischen Ländern aushandelte, ohne die palästinensische Frage auch nur im | |
Geringsten mitzudenken. | |
Und vor allem: Er zog die USA aus dem 2015 unter seinem Vorgänger Barack | |
Obama zwischen den fünf Vetomächten des UN-Sicherheitsrats, Deutschlands | |
und der EU mit Iran ausgehandelten Atomabkommens zurück, das Iran zwar in | |
ein effektives Kontrollsystem gezwungen hatte, um die Urananreicherung | |
herunterzufahren, im Gegenzug aber die Sanktionen lockerte, ohne die | |
iranische Finanzierung terroristischer Gruppen in der ganzen Region zu | |
adressieren. All das entsprach komplett der Wunschliste der evangelikalen | |
Rechten – und Benjamin Netanjahus. | |
Diese verschiedenen Strömungen der US-Politik sind kaum vereinbar – aber | |
genau das hat Trump in den vergangenen zehn Jahren geschafft. Jetzt prallen | |
sie aufeinander. | |
## Trump verschafft sich Zeit | |
Trump braucht Zeit – selbst wenn er sie mit den seit Freitag versuchten | |
Verhandlungen der Außenminister Frankreichs, Großbritanniens und | |
Deutschlands mit Iran über das Atomprogramm erkauft, an deren | |
Erfolgsaussichten kaum jemand wirklich glauben mag. Bislang hat Trump noch | |
nicht davon gesprochen, die eigenen Verhandlungen mit der iranischen | |
Führung wieder aufzunehmen. Aber auch das kann kommen. | |
Zeit gewinnt Trump allerdings auch, um eine mögliche militärische Operation | |
besser vorzubereiten. Seit Tagen verlegen die USA wesentliche | |
Luftstreitkräfte in die Region. Sollte Trump die zwei Wochen voll | |
ausnutzen, wäre mit der USS „Nimitz“ vermutlich nach der USS „Carl Vinso… | |
der zweite Flugzeugträger in der Region; ein dritter, die USS „Gerald R. | |
Ford“, ist dorthin unterwegs aus dem Südchinesischen Meer. | |
Ziel all dieser Verlegungen dürfte nicht ein vollumfänglicher US-Angriff | |
auf Iran sein. Davon spricht niemand, erst recht nicht vom Einsatz von | |
Bodentruppen wie in Irak und Afghanistan. Unmittelbares Ziel – und das | |
einzige, auf das sich auch die G7-Staaten einigen und dabei sogar | |
völkerrechtliche Fragen außer Acht lassen konnten – ist es, zu verhindern, | |
dass Iran in den Besitz einer Atombombe kommt. | |
Die Urananreicherungsanlage von Natans ist nach Einschätzung der | |
Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) nach israelischen Angriffen | |
vermutlich zumindest derzeit nicht mehr funktionsfähig. | |
Aber Kernstück des iranischen Atomprogramms ist die Urananreicherungsanlage | |
Fordo mit ihrem tief in einen Berg eingegrabenen Tunnelsystem mit den | |
Zentrifugen. Zwar hat Israel Medienberichten zufolge in der vergangenen | |
Woche auch Fordo aus der Luft angegriffen, aber nur halbherzig. Denn nur | |
die USA verfügen über die bunkerbrechenden Bomben vom Typ GBU-57, die Fordo | |
tatsächlich zerstören könnten. Und über die B-2 Tarnkappenbomber, die als | |
einzige Flugzeuge überhaupt in der Lage sind, diese größte konventionelle | |
Bombe der Welt – 6,2 Meter lang und 13,6 Tonnen schwer – zu transportieren | |
und abzuwerfen. | |
## Kein Plan im US-Dilemma | |
Die meisten noch im Dienst befindlichen B-2-Bomber sind auf dem | |
US-Luftwaffenstützpunkt Diego Garcia im Indischen Ozean stationiert – rund | |
5.200 Kilometer von Teheran entfernt. In unter sechs Stunden können sie am | |
Ziel sein und mit einer einzigen Luftbetankung zurückkehren. Experten | |
vermuten, dass mehrere Abwürfe hintereinander nötig wären, um die | |
Anreicherungslage 60 bis 90 Meter unter dem Erdboden zu zerstören. | |
Theoretisch könnten die USA versuchen, genau diese eine militärische | |
Aufgabe zu übernehmen und sich aus allem anderen herauszuhalten. Ajatollah | |
Chamenei allerdings hat für diesen Fall bereits drastische Konsequenzen für | |
die USA angekündigt. Und iranische Raketen können schon jetzt militärische | |
Stützpunkte der USA in der Region erreichen. Die iranischen „Proxies“, also | |
Terrormilizen wie die Hamas im Gazastreifen, Hisbollah im Libanon oder die | |
Huthis im Jemen, mögen zwar durch Israels Militäraktionen der letzten | |
Monate stark geschwächt sein – einzelne Angriffe auch auf US-Ziele dürften | |
ihnen dennoch möglich sein. Auf die müsste dann wiederum reagiert werden – | |
dazu braucht es den derzeitigen Aufmarsch an US-Militärgerät. | |
Das wäre aber genau das Szenario, wie die USA eben doch in einen neuen | |
Krieg hereinrutschen, mit unklarer Zielstellung, ohne Exit-Strategie und | |
mit potenziell verheerenden Folgen für die Region einerseits, die | |
Weltwirtschaft andererseits. | |
Israels Angriff auf Iran hat die Trump-Regierung in ein Dilemma befördert. | |
Wie Trump da herauskommt? „Niemand weiß, was ich machen werde.“ Er auch | |
nicht. | |
21 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Israelischer-Militaerschlag-gegen-Iran/!6091995 | |
[2] /Fruehe-Abreise-von-Trump-Ist-das-das-Ende-von-G7/!6091509 | |
[3] https://forward.com/opinion/729922/huckabee-text-to-trump-israeli-iranian-c… | |
[4] https://www.youtube.com/watch?v=smemFVe0l5E&t=47s | |
## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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