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# taz.de -- Berliner Klimaanpassungsgesetz: Das Ende der Kettensäge
> Der Volksentscheid Baum will Berlin hitzefest machen. Nun berät das
> Abgeordnetenhaus über den Gesetzesvorschlag.
Bild: Noch müssen viele Stadtbäume das Zeitliche segnen
Berlin taz | Als die Nachricht kam, hatte Heinrich Strößenreuther ganz
feuchte Augen. „Ich war so stolz“, sagte Co-Initiator des Volksentscheids
Baum am Dienstag. Die Senatsverwaltung des Inneren hat am Abend zuvor die
[1][Vorschläge der Initiative Änderungen des Klimaanpassungsgesetzes] für
zustimmungsfähig erklärt.
Bei den Initiator:innen stößt das auf Erleichterung: „Nun kann das
Abgeordnetenhaus zeigen, dass sie Berlin zeitnah vor Hitze, Dürre und
Klimawandel schützen will“, so Strößenreuther. Das Bäume-Plus-Gesetz, das
eigentlich den Namen „[2][Gesetz für ein Klimaanpassungsgesetz Berlin und
zur Änderung weiterer Vorschriften]“ trägt, soll die Stadt klimaresilient
machen. Dafür sollen bis 2040 unter anderem mehrere Hunderttausende Bäume
gepflanzt werden.
Der Klimawandel schreitet immer schneller voran. Insbesondere Städte werden
dadurch immer heißer. Laut einer [3][aktuellen Studie der Energy Watch
Group], einem internationalen Klimaforschungsnetzwerk, könnte die
2-Grad-Marke bereits 2032 überschritten werden. Deshalb, so Strößenreuther,
dürfe man nicht mehr nur Klimapolitik machen, sondern es müssten dringend
Anpassungsmaßnahmen getroffen werden.
[4][Bäume können eine gute Möglichkeit darstellen, um Städte abzukühlen],
in Parks liegt die Temperatur im Sommer um bis zu fünf Grad niedriger als
in unbegrünten Wohnstraßen. Aber Bäume müssen erst einmal wachsen: „Desha…
ist es so wichtig, jetzt anzufangen, damit wir auch in den nächsten Jahren
gut in Berlin leben können“, so Strößenreuther.
Das Gesetz zielt dabei auf einen Mindestschutz für die gesamte Stadt ab,
nimmt aber bestimmte „[5][Hitze-Hotspots]“ besonders in den Blick, die als
hoch belastet gelten. Dazu gehören etwa 170 Kieze à 5.000 Einwohner:innen,
fast eine Million Menschen. In den Gebieten sollen deshalb „Kühlinseln“ aus
Bäumen angelegt werden, an denen sich die Leute bei Hitze abkühlen können
sollen.
Jede:r Einwohner:in soll so im Umkreis von 150 Metern Zugang zu einer
solchen Kühlinsel haben. Im Umkreis von 500 Metern sollen sogar kleine
Parks im Umfang eines Hektars angelegt werden. Rund 100 davon sollen gebaut
werden.
Bereits 2024 gab es [6][europaweit mehr Hitze- als Verkehrstote]. Abkühlung
in Wohnnähe sei daher unabdingbar, so Strößenreuther. „Besonders Mieter
brauchen Flächen, um ihre Körper bei Hitze runterzukühlen.“ Ohne
entsprechende Maßnahmen befürchtet der Umweltaktivist, könne es in zehn bis
zwanzig Jahren faktische Ausgehverbote bei Hitze geben.
Nach aktueller Prognose werden bis 2040 etwa 100.000 Straßenbäume gefällt
werden. Dazu komme, dass ein Großteil des Bestandes krank oder geschädigt
sei. Der Bestand solle daher primär geschützt, aber auch großzügig
nachgepflanzt werden. Bis [7][2040 sollen in Berlin so etwa eine Million
Straßenbäume] stehen, etwa doppelt so viele wie derzeit.
Um das zu erreichen, sieht das Gesetz vor, die Nachpflanzverhältnis bei
Fällungen von 1:1 auf 1:3 zu erhöhen. Auch, weil junge, kleinere Bäume
nicht so viel Schatten spenden können wie große. Der Senat und die
[8][Initiative Volksentscheid Baum] kommen so zu einer Kostenschätzung von
7,2 bis 7,5 Milliarden Euro bis 2040, etwa 500 Millionen jährlich.
Zusätzlich verpflichtet das Gesetz die Stadt, 50 Prozent des Regenwassers
aufzufangen. Die Feuchtigkeit würde zusätzlich zur Kühlung beitragen. Genau
wie die Beete, die Bürger:innen stadtweit um Bäume anzulegen dürften.
Zudem würde es möglich, gefällte [9][Bäume auf eigene Kosten nachpflanzen
zu lassen], sollte die Stadt dem nicht nachkommen. „Viele wohlhabendere
Bürger wären schnell bereit, 500 Euro für einen Baum bereitzustellen“,
glaubt Strößenreuther.
Dass der Gesetzesentwurf im Abgeordnetenhaus angenommen wird, bezweifelt
Linda Vierecke, Sprecherin für Umwelt und Klimaschutz der Berliner
SPD-Fraktion. „Der Baumentscheid wäre ein absoluter Paradigmenwechsel, weil
er mehr als den kompletten Umwelthaushalt einnehmen würde“, sagte sie der
taz. Dieser beträgt rund 280 Millionen Euro.
Der Gesamthaushalt liegt bei 39 Milliarden. Beim Koalitionspartner CDU
komme man bei Klimapolitik nur langsam voran, sagt Vierecke. „Das mit dem
Haushalt lässt sich auch anders lösen, aber leicht wird die Debatte nicht.“
Auch Matthias Krümmel vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hält das
Gesetz für einen guten Ansatz. Sich aber so stark auf den [10][Baum als
Schattenspender] zu konzentrieren, sei riskant. Andere
Klimaanpassungsmaßnahmen wie technische Kühlungen oder Sozialtechniken –
wie in Paris, wo Zivildienstleistende Menschen bei Hitze helfen – dürften
nicht vergessen werden. „Der Baum alleine wird es nicht bringen“, sagt
Krümmel.
Bäume könnten erst ab einer gewissen Höhe zur Abkühlung beitragen, so
Krümmel. „[11][Das Klima erwärmt sich leider schneller] als die Bäume
wachsen.“ Dennoch findet er es richtig, dass Volksentscheid Baum jetzt
tätig wird. „Jedoch kosten Bäume weit mehr als im Gesetz bedacht. Und von
Bundesebene wird dafür kein Geld kommen.“
Die Initiator:innen hingegen sind optimistisch, dass es im
Abgeordnetenhaus eine Mehrheit geben wird. Noch bis Ende November ist dafür
Zeit. Kommt es im Abgeordnetenhaus nicht durch, kündigten die
Umweltaktivist:innen an ein Volksbegehren an. Spätestens im Herbst
2026 stünde das Gesetz dann sowieso, sagt Strößenreuther.
17 Jun 2025
## LINKS
[1] /Volksentscheid-Baum-in-Berlin/!6038417
[2] https://www.baumentscheid.de/_files/ugd/786301_9b714e60aceb447ba67fa3ebf479…
[3] https://energywatchgroup.org/wp/wp-content/uploads/2025/05/Studie-Erwarmung…
[4] /Neuer-Volksentscheid/!5993485
[5] https://www.duh.de/fileadmin/user_upload/download/Pressemitteilungen/Kommun…
[6] /Folgen-der-Klimakrise/!6026777/
[7] /Volksentscheid-Baum-in-Berlin/!6010200
[8] /Initiative-BaumEntscheid/!5956845
[9] /Stadtbaeume-Berlin/!6084540
[10] /Umgestaltung-des-Rathausforums/!6065384
[11] /Berlin-als-Vorreiter-gegen-Hitze/!6044678
## AUTOREN
Marco Fründt
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Heinrich Strößenreuther
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