# taz.de -- Bücken und pflücken bis zur Rente: Warum Spargelstecher immer äl… | |
> Spargel wird in Deutschland meist von Arbeitern aus Osteuropa geerntet. | |
> Junges Personal kommt von dort aber kaum nach. Ein Ortsbesuch in | |
> Brandenburg. | |
Bild: Die Arbeit ist körperlich hart – der Spargel lecker | |
Beelitz taz | Das Durchschnittsalter der Spargelstecher auf dem Spargelhof | |
Simianer im brandenburgischen Beelitz liegt bei 50 Jahren. Die Gen Z will | |
diesen Job nicht machen. „Zu beschäftigt mit ihren Handys“, sagt der | |
kroatische Betriebsleiter Darko Kovacevic (39). „Sie wollen nicht mit einem | |
Messer auf dem Feld stehen. Deshalb sind es jetzt 50- und 60-Jährige, die | |
draußen den Spargel stechen.“ | |
Kaum etwas macht die Deutschen so stolz wie ihr Spargel – aber selber | |
stechen wollen sie ihn nicht. [1][Die Arbeit ist körperlich hart]: Ab fünf | |
Uhr morgens gebückt stehen, bis alle Reihen abgeerntet sind. Deshalb kommen | |
die Erntehelfer meist aus osteuropäischen Ländern wie Polen, Rumänien oder | |
Kroatien, wo die Löhne niedriger sind. | |
Doch in den vergangenen Jahren wurde es selbst in diesen Ländern immer | |
schwieriger, Arbeitskräfte für die Ernte zu finden – vor allem geeignete. | |
Denn die stärksten Arbeiter seien die jungen Leute, sagt Kovacevic. Sie | |
schaffen deutlich mehr Spargel pro Tag als die Älteren – und können auch | |
mehr Kisten schleppen. | |
Alle Mitarbeitenden auf dem Spargelhof klagen über Rückenschmerzen und | |
nehmen regelmäßig Schmerzmittel. „Jeder bringt hier Kisten voller | |
Schmerzmittel mit“, sagt Kovacevic. „Was die Polen üblicherweise nehmen, | |
weiß ich nicht, die Kroaten bringen Ibuprofen mit.“ Er selbst lässt sich | |
jeden Mittwoch massieren, um Nacken- und Rückenschmerzen zu lindern. | |
Mehrmals am Tag geht er ohne warme Kleidung in die Kühlkammer – dort sind | |
es vier Grad, draußen deutlich mehr. „Dieser ständige Temperaturwechsel | |
macht die Muskeln kaputt.“ | |
## Sieben Tage, acht Kilometer | |
Der Spargelhof Simianer ist einer der kleineren Höfe in der | |
[2][deutschlandweit bekannten Spargelstadt Beelitz]. Trotzdem werden hier | |
täglich rund fünf Tonnen Spargel gestochen – in der Hochsaison im Mai sogar | |
bis zu sieben Tonnen. Das bedeutet: Sieben Tage die Woche um fünf Uhr | |
morgens anfangen und insgesamt acht Kilometer täglich laufen, bis alle | |
Spargelreihen abgeerntet sind. Einen Tag auslassen geht nicht – der Spargel | |
wächst zu schnell. „Aufstehen, essen, stechen, schlafen, weiter“, sagt der | |
65-jährige Edward Stefanow aus Polen. | |
Stefanow arbeitet seit 35 Jahren jede Saison auf dem Hof Simianer. | |
Inzwischen kann er selbst keinen Spargel mehr stechen – sein Rücken macht | |
das nicht mehr mit. Heute fährt er Spargelkisten zu Märkten in Berlin und | |
Potsdam. „Das ist auch schweres Heben“, sagt er, „aber wenigstens muss ich | |
nicht mehr den ganzen Tag gebückt stehen.“ | |
Für die Zukunft des Hofes sieht er allerdings ein Problem: Die derzeitigen | |
ausländischen Arbeitskräfte seien mittlerweile so alt, sagt er, dass sie | |
bald zu krank zum Arbeiten oder gar tot seien. | |
„Eigentlich bräuchten wir noch 20 bis 30 zusätzliche Kollegen, um all die | |
Arbeit zu bewältigen“, sagt er. „Jetzt müssen die wenigen vorhandenen | |
Kräfte noch härter arbeiten, um alles rechtzeitig zu schaffen.“ Stefanow | |
will nächstes Jahr in Rente gehen. | |
## Weniger Alternativen für Rumänen | |
Der Spargelhof Simianer hat traditionell viel mit Kroaten und Polen | |
gearbeitet – und leidet nun besonders unter dem Mangel an jungen | |
Arbeitskräften. Denn gerade in diesen Ländern [3][läuft es wirtschaftlich | |
besser] – und es gibt mehr Jobmöglichkeiten für junge Leute. Andere Höfe, | |
die mit Rumänen arbeiten, haben laut dem Verband Süddeutscher Spargel- und | |
Erdbeeranbauer weniger Probleme, da die wirtschaftliche Lage dort noch | |
nicht so gut ist. | |
„Die Kinder der polnischen Spargelstecher konnten gute Schulen besuchen, | |
weil ihre Eltern hier gutes Geld verdient haben“, sagt Verbandssprecher | |
Simon Schumacher. „Deshalb stehen sie uns heute nicht mehr als | |
Arbeitskräfte zur Verfügung.“ | |
Der 65-jährige Ivo Jaric ist in Kroatien bereits im Ruhestand – doch jedes | |
Jahr kommt er nach Simianer, um in der Spargelsaison zu arbeiten. Seine | |
Rente reicht nicht zum Leben. Er hat Herzprobleme und sollte sich | |
eigentlich schonen. Nach der Spargelsaison gönnt er sich zwei Wochen Urlaub | |
in Kroatien – dann kehrt er zurück nach Deutschland, um auf einem Salathof | |
bei Frankfurt am Main zu arbeiten. „Ich bin Optimist“, sagt er. „Es wird | |
schon klappen.“ | |
30 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Sezen Moeliker | |
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