# taz.de -- Parteitag der SPD Berlin: Alte Tante macht Sachen | |
> Die Hauptstadt-SPD will den Berliner Mietendeckel wiederauferstehen | |
> lassen. Mit dem derzeitigen Koalitionspartner CDU wird das schwer zu | |
> machen sein. | |
Bild: Dreams are my reality: Die SPD Berlin – hier Landeschef Hikel – will … | |
Berlin taz | Auch drei Monate nach dem desaströsen Abschneiden der SPD bei | |
der Bundestagswahl sitzt der Frust bei vielen Genoss:innen noch tief. | |
Nicht zuletzt der linke Parteiflügel nutzte am Samstag die Chance, um beim | |
ersten Landesparteitag der Berliner SPD seit der Wahl Dampf abzulassen | |
[1][über das 15-Prozent-Ergebnis in der Hauptstadt]. | |
Viel war in einer der Aussprachen die Rede vom Rechtsruck der SPD, der der | |
Partei an der Wahlurne das Genick gebrochen habe. Ebenso wie eine | |
menschenfeindliche Migrationspolitik und die Sanktionsdebatten beim | |
Bürgergeld, die Teile der Bundesspitze zu verantworten hätten. | |
Mit all dem müsse nun Schluss sein, anderenfalls lande die SPD in der | |
Bedeutungslosigkeit, so der Tenor unter den links tickenden Delegierten, | |
die auf Berliner Parteitagen traditionell die Mehrheit stellen. Die „alte | |
Tante SPD“ – wie Landeschef Martin Hikel seine Partei mehrfach betitelte – | |
zeigte sich dann insgesamt auch noch recht lebendig und kampfeslustig. | |
So erntete der Steglitz-Zehlendorfer Bezirksverordnete Alexander Niessen | |
viel Applaus, als er seine Abrechnung mit SPD-Bundeschef Lars Klingbeil mit | |
dem Schlachtruf „Friede den Hütten, Krieg den Palästen!“ beendete. | |
## Hütten und Paläste | |
Ohnehin ging es bei dem Parteitreffen im Willy-Brandt-Haus in Kreuzberg vor | |
allem um Hütten und Paläste. Genauer: um einen am Ende auf stattliche 26 | |
Seiten angeschwollenen Leitantrag, mit dem sich die Hauptstadt-SPD als | |
Partei des Mieter:innenschutzes profilieren will. | |
„Das Thema des Leitantrags ist elementar für Berlin. Wie wichtig, das hat | |
uns auch die vergangene Bundestagswahl und die dortige Polarisierung rund | |
ums Wohnen und Leben in Berlin gezeigt“, sagte der Landesvorsitzende Martin | |
Hikel. „Natürlich“ werde das „auch einer unserer Schwerpunkte“ bei der… | |
zum Abgeordnetenhaus im Herbst 2026 sein. | |
Hikel und Co-Chefin Nicola Böcker-Giannini werden zwar dem rechten | |
Parteiflügel zugeordnet, versuchen sich seit ihrer Wahl vor einem Jahr aber | |
auch als Allesversöhner:innen im notorisch zerstrittenen Berliner | |
Landesverband. Nicht immer, aber wenigstens manchmal erfolgreich, [2][heißt | |
es sogar von innerparteilichen Gegner:innen des Führungsduos.] | |
Im mit großer Mehrheit angenommenen Leitantrag wird nun zuvorderst an das | |
linke Herz der Partei gerührt. Berlin müsse „Wuchermieten und | |
Schein-Eigenbedarf“ den Kampf ansagen und dürfe nicht länger eine | |
„Spielwiese für Spekulanten und Mietenabzocker“ sein, forderte in diesem | |
Sinne der stellvertretende Landesvorsitzende Mathias Schulz. Und mit Blick | |
auf die jahrelang heruntergebeteten SPD-Antworten auf Wohnungsmangel und | |
Mietenanstieg sagte er: „Bauen allein reicht nicht.“ | |
## Deckel drauf | |
Teile des vorgelegten SPD-Konzepts wirken dabei [3][wie bei der Linkspartei | |
abgekupfert]. Etwa die Forderung, in leerstehende Shoppingcenter | |
Jugendzentren, Clubs, Indoorspielplätze oder Bürgerdienste einziehen zu | |
lassen. Die Linke will sie in [4][Sorgezentren umwandeln]. Auch [5][die | |
Einführung einer Mietpreis-Check-App] riecht nach der [6][längst | |
etablierten Mietwucher-App der linken Konkurrenz]. | |
Bei anderen Forderungen dürfen die Sozis zugleich davon ausgehen, dass | |
sie nicht ansatzweise mit der CDU des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner | |
zu machen sein werden. Das gilt vor allem für die Ansage, den 2020 | |
eingeführten und im Jahr darauf auf Betreiben von CDU und FDP vom | |
Bundesverfassungsgericht gekippten Berliner Mietendeckel wiederbeleben zu | |
wollen. | |
Die deckelfreudigen Sozialdemokrat:innen wollen im Bund auf eine | |
sogenannte Länderöffnungsklausel drängen. Berlin könnte die Maßnahme dann | |
in Eigenregie umsetzen. Mindestens fünf Jahre soll der Mietenstopp gelten. | |
Es brauche dieses „scharfe Schwert“, sagte Mathias Schulz. | |
Auch die – nicht zum ersten Mal auf einem Parteitag der Berliner SPD – | |
geforderte Umsetzung des erfolgreichen Volksentscheids „Deutsche Wohnen & | |
Co enteignen“ klingt eher nach Wunschdenken. Noch in diesem Sommer soll der | |
Senat [7][ein der Enteignung vorgeschaltetes | |
Vergesellschaftungsrahmengesetz] vorlegen. Zudem heißt es im Leitantrag: | |
„Parallel zur Erarbeitung dieses Gesetzes, soll noch im Jahr 2025 ein | |
Gesetzesentwurf für ein Umsetzungsgesetz im Wohnungssektor erarbeitet | |
werden.“ | |
Viele Berliner:innen seien es schlichtweg leid, dass das Ergebnis des | |
Volksentscheids seit 2021 vertagt und verschleppt wird, sagte die Ex-Chefin | |
der Jusos, Franziska Drohsel. „Wenn die Berliner Regierung meint, das | |
ignorieren zu können, ist das ein demokratisches Problem.“ | |
## Parteitag trifft Realpolitik | |
Allein, angesichts der realen schwarz-roten Verhältnisse in Berlin dürfte | |
senatsseitig munter weiter ignoriert werden. Der mächtige SPD-Fraktionschef | |
Raed Saleh erweiterte den Zeithorizont für ein | |
Vergesellschaftungsrahmengesetz im Gespräch mit der taz am Rande des | |
Parteitags bereits „bis Ende des Jahres“. | |
SPD-Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey, seit jeher Enteignungsgegnerin, | |
plädierte dafür, [8][doch erst mal das von der Finanzverwaltung aktuell | |
ausgeschriebene Gutachten zu einem Vergesellschaftungsrahmengesetz | |
abzuwarten]. „Das muss man Schritt für Schritt machen. Es braucht ja eine | |
solide Rechtsgrundlage. Und wir wissen alle, dass das nicht trivial ist“, | |
sagte Giffey zur taz. | |
Wenn CDU-Finanzsenator Stefan Evers der Meinung sei, das Ganze noch einmal | |
über ein Gutachten prüfen zu wollen, obwohl die seinerzeit von ihrer | |
eigenen rot-grün-roten Vorgängerregierung eingesetzte | |
Expert:innenkommission vor zwei Jahren die Machbarkeit der | |
Vergesellschaftung längst festgestellt hat: „Dann ist das eben so“, findet | |
Giffey. Für das Gutachten stehen im klammen Berliner Haushalt 100.000 Euro | |
zur Verfügung. | |
Neuköllns SPD-Kreischef Joachim Rahmann brachte es am Samstag in gewisser | |
Weise auf den Punkt: „Es gibt kein Thema, bei dem wir einen so großes | |
Glaubwürdigkeitsverlust haben wie beim Thema Wohnen.“ Denn immerhin | |
[9][stellt die SPD seit fast drei Jahrzehnten die zuständigen | |
Senator:innen] – mit einer Miniunterbrechung von fünf Jahren, als die | |
Linke das Ressort leitete. | |
Trotzdem, so Rahmann, mache ihm der Antrag Mut. Nur müsse das dort | |
Aufgeschriebene auch umgesetzt werden. Es handele sich um „das | |
Arbeitsprogramm für das Abgeordnetenhaus, den Senat und unsere Leute im | |
Bundestag“, sagte der Mitarbeiter des Neuköllner Bundestagsabgeordneten | |
Hakan Demir. „Wenn das nicht umgesetzt wird, braucht es die SPD nicht in | |
der Regierung.“ Berlins SPD-Bausenator Christian Gaebler war am Samstag | |
verhindert. | |
25 May 2025 | |
## LINKS | |
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[6] /App-gegen-Mietwucher/!6065703 | |
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[8] /Deutsche-Wohnen--Co-enteignen/!6080499 | |
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## AUTOREN | |
Rainer Rutz | |
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