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# taz.de -- Berliner SPD: „Weckruf“ der Ex-Größen
> Frühere SPD-Senatoren und weitere ehemals führende Köpfe der Partei sehen
> Vertrauensverlust und stellen sich gegen Enteignung und Gratis-Angebote.
Bild: Ein anderer Wind soll in der Berliner SPD wegen, fordert eine mit sehr pr…
Berlin taz | 50 teils prominente Berliner SPD-Mitglieder, die mehrheitlich
aus dem konservativen Parteispektrum stammen, haben in einem von ihnen als
„Weckruf“ bezeichneten Papier heftige Kritik an ihrem Landesverband geübt.
Der sei, so der Tenor, oftmals lebensfern. „Die Berliner SPD hat ihre
gesellschaftliche Verankerung verloren“, heißt es in dem dreiseitigen Text,
der der taz vorliegt. Die Unterzeichner distanzieren sich beispielsweise
von einer Enteignung großer Wohnungskonzerne, die zu unterstützen
eigentlich auf dem Landesparteitag beschlossen wurde.
Auch mit der vor allem von SPD-Fraktionschef Raed Saleh betriebenen
Politik, Kitabetreuung, Schulessen und BVG-Karte universell zu
subventionieren – [1][als „Umsonst-Stadt“ bezeichnet] –, ist die Gruppe
nicht einverstanden, weil so auch Gutverdiener entlastet werden.
Unterschrieben ist das dreiseitige Papier unter anderem von sieben früheren
Senatsmitgliedern. Darunter sind welche, deren Zeit in der Landesregierung
zwei Jahrzehnte zurückliegt, wie bei dem früher für Stadtentwicklung
zuständigen Peter Strieder, der damals auch Parteivorsitzender war.
Unterzeichnet haben aber auch Stephan Schwarz und Astrid Busse, die bis vor
zwei Jahren noch im Senat für Wirtschaft beziehungsweise Bildung zuständig
waren.
Beide kamen – [2][als vormaliger Handwerkskammerpräsident und langjährige
Schulleiterin] – als Praktiker in die Landesregierung. Weil sie bis dahin
parteilos waren, sind sie aber – anders als Strieder – in der SPD nicht
tief vernetzt. Zu der Gruppe gehört neben dem 2021 nach sieben Jahren als
Regierender Bürgermeister in den Bundestag gewechselten Michael Müller auch
eine aktuelle Führungskraft mit SPD-Parteibuch: Bezirksstadtrat Oliver
Schwork aus Tempelhof-Schöneberg. Ein weiterer bekannter Name unter dem
Text ist der von Ralf Wieland, bis 2023 Präsident des Abgeordnetenhauses.
Schwork war unter den vier Gruppenmitgliedern, die das Papier am Montag
vorstellten. Mit dabei: der frühere Bildungssenator Jürgen Zöllner, der vor
seiner 2011 endenden Berliner Amtszeit schon Minister in Rheinland-Pfalz
war. Er arbeitete sich dabei nach Teilnehmerangaben an der Personalauswahl
seiner Partei bei der Aufstellung der SPD-Landesliste für die jüngste
Bundestagswahl ab. [3][Den früheren Regierenden Bürgermeister Michael
Müller dabei außen vorzulassen], sei „unanständig“ gewesen. Denen, die
vorne auf der Liste platziert wurden, hielt er demnach vor, fast durchweg
keinen wirklichen Kontakt zur arbeitenden Mitte zu haben.
## „Wählerwanderung von der SPD zur AfD“
In dem Papier ist die Rede von einem „strukturellen Vertrauensverlust“ der
Sozialdemokraten. „Die Wählerwanderung von der SPD zur AfD ist
erschreckend“, heißt es. Das soll nicht allein an der Bundespolitik oder
der Koalition mit der CDU liegen. Ursache sei, „dass in der Berliner SPD
häufig Themen die politische Agenda dominieren, die an den
Alltagserfahrungen und der Lebenswirklichkeit der Berlinerinnen und
Berliner vorbeigehen.“ Bei der Bundestagswahl im Februar war die SPD in
Berlin mit 15,1 Prozent der Stimmen nur auf Platz 5 gelandet, hinter
Linkspartei, CDU und Grünen und auch noch ein Zehntelprozent hinter der
AfD.
Man werde die Demokratie nicht durch Parolen verteidigen, „sondern nur,
wenn wir den Menschen zuhören und nicht mehr versuchen, ihnen von oben
herab zu erklären, dass sich die Dinge ganz anders darstellen, als sie
glauben.“ Der Text drängt darauf, alltäglich Themen wie Wohnen, Sicherheit,
Sauberkeit und Mobilität stärker in den Blick zu nehmen.
„Enteignungs-Debatten verhindern Neubau“, heißt es unter anderem.
Fraktionschef Saleh mochte sich gegenüber der taz nicht zur Kritik an den
maßgeblich von ihm verantworteten Gratis-Angeboten äußern. „Das Prinzip
„Umsonst-Stadt“ führt doppelt zu sozialer Ungerechtigkeit“, hatten die
Autoren des Papiers formuliert. Stellung zu dem Text nahm die
Co-SPD-Vorsitzende Nicola Böcker-Giannini: „Wir freuen uns, dass es in der
SPD Berlin den vielfältigen Wunsch nach Erneuerung gibt“, ließ sie sich
zitieren. Sie verwies darauf, dass sie mit ihrem Co-Vorsitzenden Martin
Hikel die SPD seit 2024 – in jenem Jahr kamen beide nach einem
Mitgliedervotum ins Amt – kontinuierlich erneuere.
Böcker-Giannini wie Hikel gehören dem konservativen Flügel der auf der
Funktionärsebene mehrheitlich links orientierten Berliner SPD an. Sie
hatten sich selbst vor einem Jahr kritisch gegenüber den Gratis-Angeboten
geäußert. In der Spitze der Partei sind sie aber von Vorstandsmitgliedern
umgeben, die nicht wie sie direkt von der Basis, sondern vom links
dominierten Landesparteitag gewählt sind. Die von den Kritikern im
„Weckruf“ angesprochenen Punkte dort umzusetzen, ist ihnen bislang in
dieser Konstellation nicht gelungen.
4 Jun 2025
## LINKS
[1] /Pro-und-Contra-gebuehrenfreie-Angebote/!5999327
[2] /Zehn-Senatorinnen-fuer-Rot-Gruen-Rot/!5820783
[3] /Bundestagswahlkampf-der-SPD-Berlin/!6057845
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
SPD Berlin
Enteignung
Raed Saleh
Schwarz-rote Koalition in Berlin
SPD Berlin
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auf Bundesebene, jetzt mal „beiseitezutreten“. Das kommt nicht gut an.
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